LAG-Urteil: Kündigung einer ehemaligen Nonne unwirksam

Eine Nonne hatte nach der Auflösung ihres Klosters einen Arbeitsvertrag erhalten. Nachdem der Vatikan den Auflösungsbeschluss zurückgenommen hatte, die ehemalige Nonne aber zwischenzeitlich geheiratet hatte und nicht mehr ins Kloster eintreten konnte, erhielt sie eine außerordentliche Kündigung. Diese war nach einem Urteil des LAG München unwirksam.

Bisweilen haben die Arbeitsgerichte es mit ungewöhnlichen Fällen zu tun. Eine Nonne war 1990 als Novizin und durch Ablegung der ewigen Profess 1995 als Mitglied des Ordens der Franziskanerinnen in das Kloster Reutberg eingetreten. 2016 beschloss die Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und für die Gesellschaft apostolischen Lebens, das Kloster nach Klärung des kanonischen Status der verbleibenden Schwestern aufzulösen.

Von der Nonne zur Landwirtschaftsmeisterin

Da der Ordensgemeinschaft keine Oberin mehr vorstand, beauftragte der Erzbischof von München und Freising durch Dekret Anfang 2018 einen Wirtschaftsprüfer und Steuerberater mit der gesamten Vermögensverwaltung des Klosters einschließlich seiner Wirtschaftsbetriebe. Dieser Verwalter schloss mit der nunmehr klosterlosen Nonne im Namen der Franziskanerinnen im Kloster Reutberg am 9. August 2018 einen von ihm vorformulierten Arbeitsvertrag als Landwirtschaftsmeisterin. Dies erfolgte unter der aufschiebenden Bedingung, dass der Arbeitsvertrag erst mit ihrem rechtswirksamen Austritt aus dem Orden in Kraft treten sollte. Das Arbeitsverhältnis sollte von Anfang an ordentlich unkündbar sein. Außerdem wurden eine Versorgungszusage, ein unentgeltliches Benutzungsrecht an einer Wohnung im Kloster und die Geltung von Vertrauensarbeitszeit vereinbart.

Ebenfalls am 9. August 2018 erteilte die Erzbischöfliche Finanzkammer München die kirchenaufsichtliche Genehmigung des Arbeitsvertrages. Am 20. August trat die Nonne unter Gewährung des erzbischöflichen Austrittsindults aus dem Orden aus und wurde sodann im Rahmen des Arbeitsvertrags tätig.

Heirat nach Austritt macht Rückkehr unmöglich

Im Herbst 2018 machte der Vatikan jedoch die Entscheidung rückgängig, bestimmte den Fortbestand des Klosters und setzte durch Dekret eine apostolische Kommissarin ein. Diese Kommissarin kündigte das Arbeitsverhältnis der ehemaligen Nonne mit Schreiben vom 24. September 2019 außerordentlich mit einer Auslauffrist, die der einer Kündigungsfrist nach 20 Jahren Betriebszugehörigkeit entsprach. Zugleich erklärte sie den Rücktritt, die Anfechtung und den Widerruf des Arbeitsvertrags. Außerdem zweifelte der kirchliche Arbeitgeber die wirksame Begründung des Arbeitsverhältnisses an und empfand die vereinbarten Leistungen, die er aus dem Vertrag schuldete, als viel zu hoch. Nachdem die ehemalige Nonne zwischenzeitlich geheiratet hatte, kam eine Rückabwicklung des Vertrags und ein Wiedereintritt in das Kloster für sie nicht mehr in Betracht.

Kündigungsschutzklage erfolgreich

Sie klagte gegen die Kündigung vor dem Arbeitsgericht. Nachdem bereits das Arbeitsgericht München entschieden hatte, dass die Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht beendet hat, erklärte nun auch das LAG München in zweiter Instanz die Kündigung für unwirksam. Die Richter des LAG kamen zu dem Ergebnis, dass das Arbeitsverhältnis wirksam begründet worden ist und fortbesteht. Der Arbeitsvertrag war von Arbeitgeberseite vorformuliert und von der bischöflichen Finanzkammer genehmigt worden.

Ein Grund, der geeignet gewesen wäre, eine Anfechtung des Arbeitsvertrages zu begründen, war nicht gegeben. Ein Rücktritt vom Vertrag war wegen des Vorrangs der Kündigungsschutzbestimmungen ausgeschlossen. Auch für eine von der Kirche geltend gemachte Sittenwidrigkeit des Arbeitsvertrages wegen eines Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung, die dessen Wirksamkeit hätte in Frage stellen können, gab es keinen Anhaltspunkt. Die ausgesprochene Kündigung scheiterte außerdem bereits an der erforderlichen, aber nicht vorliegenden Zustimmung des Vatikans und war schon deswegen unwirksam. Damit besteht das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien fort.

LAG München, Urteil vom 22.10.2020, Az. 3 Sa 450/20


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