Kündigung wegen falscher Überstundenforderung
Eine Lüge kann das Vertrauen erheblich verletzen. Das gilt nicht nur für private Beziehungen, sondern auch für das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Beschäftigten. In Fällen, in denen Mitarbeitende im Rahmen des Bewerbungsverfahrens falsche Angaben machen, sich krank melden und gleichzeitig an einem Sportlehrgang teilnehmen oder die Arbeitszeit manipulieren, kommt es meist zu einer fristlosen Kündigung.
Im vorliegenden Verfahren ging es um eine Kündigung wegen falscher Aussagen eines Arbeitnehmers vor Gericht.
Der Fall: Kündigung wegen Lüge im Überstundenprozess
Der Arbeitnehmer war seit 2023 als Lkw-Fahrer bei einem Transportunternehmen beschäftigt. Von Januar bis August 2023 leistete er unstreitig insgesamt 572 Überstunden. Diese Zeiten wurden handschriftlich auf Zetteln mit dem Vermerk "Ü" für Überstunden festgehalten.
Im November 2023 klagte er vor dem Arbeitsgericht Kaiserslautern die Vergütung für die geleisteten Überstunden ein, wobei er einen Stundenlohn von 16 Euro die Stunde zugrunde legte. Der Arbeitgeber wandte ein, dass er alle Überstunden absprachegemäß "schwarz" in bar gezahlt habe – wie vereinbart 15 Euro die Stunde und immer am ersten Sonntag nach Monatsende im Rahmen eines Familienessens. Zum Beweis führte er eine Rechnungsaufstellung der Überstunden an, die der Arbeitnehmer ihm per Whatsapp geschickt hatte, sowie weitere Nachrichten, die eine Abrechnung der Überstunden an den Sonntagen vermuten ließen. Das Arbeitsgericht Kaiserslautern verurteilte den Arbeitgeber dennoch zur Zahlung einer Überstundenvergütung in Höhe von rund 8.600 Euro (ArbG Kaiserslautern, 06. Februar 2024, Az. 3 Ca 878/23)
Gegen das Urteil legte der Arbeitgeber Berufung ein. Dem Arbeitnehmer kündigte er das Arbeitsverhältnis, da er ihm vorwarf, im Prozess wahrheitswidrig die Bezahlung von Überstunden gefordert zu haben, die er bereits in bar erhalten hatte.
LAG Rheinland-Pfalz: Lkw-Fahrer rechtmäßig gekündigt
Mit seiner Kündigungsschutzklage hatte der Arbeitnehmer keinen Erfolg. Das LAG Rheinland-Pfalz entschied, dass das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung wirksam beendet wurde.
Der Arbeitnehmer habe seine vertragliche Rücksichtnahmepflicht erheblich verletzt, indem er im Überstundenprozess bewusst wahrheitswidrig behauptet hatte, dass es bei den sonntäglichen Treffen der Parteien zu keiner Barzahlung als "Abrechnung" für geleistete Überstunden gekommen sei. Damit habe er fälschlich erreicht, dass der Arbeitgeber zur - nochmaligen - Überstundenvergütung in Höhe von 8.580 Euro verurteilt wurde.
Zur Überzeugung, dass der Arbeitgeber die Überstunden tatsächlich aufgrund einer Schwarzgeldabrede bereits in bar bezahlt hatte, war das LAG Rheinland-Pfalz aufgrund der Beweisaufnahme gelangt. Zahlreiche Zeugen hatten die Zahlungen im Rahmen der Sonntagstreffen bestätigt. Auch eine per Whatsapp verschickte Abrechnung des Arbeitnehmers, in der er Barzahlung verlangte, sprach dafür, dass der Arbeitnehmer im Überstundenprozess gelogen hatte.
Falsche Behauptungen im Überstundenprozess
Bewusst wahrheitswidrige Erklärungen, die ein Arbeitnehmer in einem Rechtsstreit mit seinem Arbeitgeber abgibt, weil er befürchtet, mit wahrheitsgemäßen Angaben den Prozess nicht gewinnen zu können, können sogar eine fristlose Kündigung rechtfertigen, stellte das Gericht fest. Ausgehend von diesem Grundsatz sei die Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen im vorliegenden Fall rechtmäßig.
Die Pflichtverletzung wog so schwer, urteilte das Gericht, dass dem Arbeitgeber auch angesichts des Alters (fast 60 Jahre zum Kündigungszeitpunkt) sowie der langjährigen Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers nicht zugemutet werden könne, dass Arbeitsverhältnis weiterzuführen. Deswegen bedurfte es auch keiner Abmahnung, entschieden die Richter.
Hinweis: LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27. März 2025, Az. 2 SLa 253/24
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