Kündigung wegen Diffamierung des Arbeitgebers

Diffamierende Äußerungen über den eigenen Arbeitgeber ohne sorgfältige Prüfung von Tatsachen sind nicht vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Die fristlose Kündigung eines Therapeuten, der öffentlich schwere Vorwürfe gegen den Arbeitgeber erhob, hielt das LAG Thüringen für berechtigt.

Öffentliche diffamierende und bloßstellende Äußerungen über den eigenen Arbeitgeber sind nicht vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Wer Missstände bei seinem Arbeitgeber öffentlich machen will, ist zunächst verpflichtet, die Tatsachen, die er öffentlich machen will, einer sorgfältigen Prüfung zu unterziehen. Andernfalls ist der Arbeitgeber zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, so das LAG Thüringen.

Arbeitnehmer beschuldigt Arbeitgeber für Tod eines Patienten

Ein Therapeut war seit dem 1. Oktober 2020 in einer Fachklinik beschäftigt. Im Januar 2022 erhielt der Arbeitgeber Kenntnis davon, dass der Therapeut für einen verstorbenen Patienten im Internet eine Gedenkseite eingerichtet hatte. Dort erhob er den Vorwurf, dass sein Arbeitgeber für den Tod des Patienten mit verantwortlich sei, weil ein fachärztliches Konzil über Monate hinweg hinausgezögert worden sei. Unter einem Pseudonym verfasste er in einer Internetpublikation einen Artikel mit der Überschrift "Bossing und Mobbing", in der er anprangerte, dass der Thüringer Maßregelvollzug noch nicht verstaatlicht worden sei und kritisierte, dass es deswegen zu permanenten Rechtsbrüchen von privaten Betreibern komme. Beispielhaft nannte er dafür Datenschutzverletzungen durch leitende Mitarbeiter, Schreibtischdurchsuchungen und Bloßstellungen von schwerbehinderten Mitarbeitenden. Außerdem gäbe es einen Betriebsrat, dessen einzelne Mitglieder sich für Mobbing "verzwecken" ließen. Er schrieb, dass ein Mitarbeiter auf das Übelste bloßgestellt worden sei und man mit diesem "kurzen Prozess" gemacht habe. Er behauptete weiter, aus Protest gegen die Zustände seien Maßregelvollzugspatienten in den Hungerstreik getreten und würden medizinisch unzureichend versorgt. Außerdem erhielt der Arbeitgeber einen Brief des Arbeitnehmers, adressiert an "Fachklinik für Bossing & Mobbing inkl. Verleumdungen und Datenschutzverletzungen".

Äußerungen von Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt?

Der Arbeitgeber sprach daraufhin eine fristlose Kündigung aus. Dagegen zog der Therapeut vor Gericht und erhob Kündigungsschutzklage.

Er vertrat die Ansicht, seine Äußerungen seien vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Eine Sanktionierung dieser Äußerungen setze voraus, dass sie unwahr seien, was nicht der Fall wäre. Der verstorbene Patient habe mehrfach darum gebeten, von einem Facharzt untersucht zu werden. Das sei nicht erfolgt. Der Patient habe ihm mitgeteilt, dass seine Patientenakte entfernt und manipuliert worden sei und habe ihn ausdrücklich darum gebeten, nach seinem Tod diese Umstände aufzuzeigen. Er habe keine andere Möglichkeit gesehen, als diese Gedenkseite einzurichten, um dort aus den ihm überlassenen Informationen eine Schlussfolgerung zu ziehen, die sich nun als seine Meinung darstelle. Eine Möglichkeit, sich intern an eine Beschwerdestelle oder sonst an eine andere Stelle zu wenden, habe er nicht gesehen. Die aus seiner Sicht wahre Behauptung könne nicht dazu führen, dass er gemaßregelt werde. Es hätten statt einer Kündigung auch andere, weniger einschneidende Sanktionen in Betracht gezogen werden müssen.

Grenze zur Schmähkritik nicht überschritten

Seine Klage blieb jedoch in zwei Instanzen erfolglos. Das LAG Thüringen ging zwar in der Berufungsverhandlung davon aus, dass zugunsten des Arbeitnehmers unterstellt werden könne, dass sowohl seine Äußerungen auf der Gedenkseite als auch seine im Internetmagazin getätigten Äußerungen und auch die Adressierung des Arbeitgebers in einem Brief als "Fachklinik für Bossing und Mobbing" unter den Schutz der Meinungsfreiheit fallen. Auch Äußerungen, in denen sich Tatsachen und Meinungen vermengen, die erkennen lassen, dass sie durch Elemente einer Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sind, fielen unter den Schutzbereich des Rechts auf Meinungsfreiheit.

Das LAG ging auch nicht davon aus, dass es sich bei den Äußerungen des Therapeuten um reine Schmähkritik gehandelt habe, die nicht unter den Schutz der Meinungsfreiheit fiele. Eine Schmähung liege nur vor, wenn allein die Diffamierung einer anderen Person beabsichtigt sei. Hier handele es sich um polemisch formulierte und überspitzte Kritik, mit der aber auch eine Auseinandersetzung in der Sache gesucht werde. Der Therapeut habe die noch nicht erfolgte Umsetzung des Plans, den Maßregelvollzug wieder staatlicherseits zu betreiben und nicht mehr durch freie Träger betreiben zu lassen, kritisieren wollen.

Pflicht zur vertraglichen Rücksichtnahme

Der Kündigungsgrund sei deswegen daraufhin zu überprüfen, ob das Recht des Arbeitnehmers auf freie Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz der Wirksamkeit der Kündigung entgegenstehe.

Das lehnte das LAG Thüringen allerdings ab. Die außerordentliche Kündigung ist wirksam, weil das Recht auf Meinungsfreiheit nicht schrankenlos gelte. Nach § 241 Abs. 2 BGB sei der Arbeitnehmer verpflichtet, Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Arbeitgebers zu nehmen. Dies schränke das Grundrecht auf Meinungsfreiheit ein. Die Abwägung der Einzelheiten des Falles ergebe, dass der Arbeitnehmer die Grenzen der freien Meinungsäußerung überschritten habe.

Öffentliche Vorwürfe erfordern sorgfältige Überprüfung

Wer Missstände bei seinem Arbeitgeber öffentlich machen will, ist zunächst verpflichtet, die Tatsachen, die er öffentlich machen will, einer sorgfältigen Prüfung zu unterziehen, bevor er damit an die Öffentlichkeit geht. Dieser Verpflichtung ist der Therapeut nicht nachgekommen. Er konnte im Rahmen des Rechtstreits nur anführen, dass er häufiger mit dem Verstorbenen gesprochen habe und dass allein dessen Äußerungen für ihn maßgeblich waren und er auf dessen Wunsch hin die Informationen später öffentlich gemacht habe. Er hat keine weiteren eigenen Nachforschungen und Überprüfungen der Äußerungen des Verstorbenen unternommen, weil er keinerlei Zweifel an deren Wahrheitsgehalt hatte. Damit gibt er zu erkennen, dass er keine weiteren Überprüfungen angestellt hat.

Diffamierungen nicht von Meinungsfreiheit gedeckt

Wer ohne jegliches Hinterfragen und Prüfung auf Plausibilität solche gravierenden Vorwürfe wie zum Tode führende falsche ärztliche Behandlungen öffentlich mache, zeige damit, dass er in allererster Linie seinen Arbeitgeber diffamieren und bloßstellen wolle.

Die Äußerungen des Therapeuten seien von einer aggressiven und feindlichen Einstellung gegenüber seinem Arbeitgeber geprägt gewesen, dem er damit in der Öffentlichkeit auch habe Schaden zufügen wollen. Der Arbeitgeber habe dadurch am Pranger gestanden, ohne sich effizient zur Wehr setzen zu können. Dafür seien die Vorwürfe viel zu unkonkret gewesen, sodass dem Arbeitgeber jegliche Möglichkeit genommen worden sei, hierauf in irgendeiner Weise rechtfertigend oder entschuldigend zu erwidern.

Auch unter dem Aspekt des Whistleblowerschutzes sei der Therapeut nicht schutzwürdig.

Daher gab das LAG Thüringen der Kündigungsschutzklage nicht statt.

Hinweis: LAG Thüringen, Urteil vom 19. April 2023, Az. 4 Sa 269/22


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Schlagworte zum Thema:  Außerordentliche Kündigung, Urteil