Gekündigter "Rider" muss weiterbeschäftigt werden
Das Berliner Startup Gorillas beschäftigt Fahrradkuriere, die innerhalb kürzester Zeit Lebensmittel ausliefern. Die arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen dort nehmen kein Ende. Nachdem sich die Belegschaft im "Workers Collective" zusammengeschlossen hatte und Streikmaßnahmen organisierte, um die Arbeitsbedingungen zu verbessen, kam es zu zahlreichen Kündigungen. Auch die Durchführung der Betriebsratswahl versuchte Gorillas zu verhindern – ohne Erfolg. Vor dem LAG Berlin musste der Kurierdienst nun die nächste Niederlage hinnehmen.
Arbeitgeber kündigt Betriebsratsmitglied in spe
Der Arbeitnehmer im konkreten Fall war einer der Berliner "Rider", denen der Arbeitgeber im Oktober 2021 aufgrund von "illegalen Streiks" gekündigt hatte. Im Juni 2021 wurde er in einer Betriebsversammlung in den Wahlvorstand gewählt. Ende November 2021 wurde die Betriebsratswahl durchgeführt.
Der Fahrradkurier klagte vor dem Arbeitsgericht im Wege des einstweiligen Rechtschutzes, um weiterbeschäftigt zu werden - zumindest bis zur ausstehenden Entscheidung des Arbeitsgerichts über seine Kündigung. Dazu machte er geltend, dass die Kündigung offensichtlich unwirksam sei, da er zum Zeitpunkt der Kündigung Mitglied des Wahlvorstands für die anstehende Betriebsratswahl war.
Kündigung offensichtlich unwirksam
Das LAG Berlin gab ihm Recht und hat anders als das Arbeitsgericht Berlin dem Antrag des Arbeitnehmers stattgegeben. Aus Sicht des Gerichts war ein Verfügungsgrund und ein Verfügungsanspruch gegeben. Es war überzeugt, dass der Arbeitnehmer zum maßgeblichen Zeitpunkt der Kündigung Mitglied des Wahlvorstands für die anstehende Betriebsratswahl war. Die fristlose Kündigung sei infolge dessen offensichtlich unwirksam. Der Arbeitnehmer genieße Sonderkündigungsschutz nach § 15 Abs. 3 BetrVG.
LAG: Arbeitgeber muss Wahlvorstandsmitglied vorläufig weiterbeschäftigen
Möglich sei eine Kündigung aufgrund dieses Sonderkündigungsschutzes nur, wenn eine vorherige gerichtliche Zustimmungsersetzung gemäß § 103 Abs. 2a BetrVG vorliege. Diese sei vorliegend nicht gegeben. Da von einem bestehenden Arbeitsverhältnis auszugehen sei, müsse der Arbeitgeber den Arbeitnehmer folglich weiterbeschäftigen.
Sonderkündigungsschutz überwiegt Beschäftigungsinteresse
Das Gericht stellte fest, dass der Anspruch des Arbeitnehmers auf Weiterbeschäftigung auch im Wege des einstweiligen Rechtschutzes dursetzbar sei. Zum einen gehe sein Recht durch den Zeitablauf sonst verloren, zum anderen gebe es kein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers daran, den rechtswidrigen Zustand aufrecht zu erhalten. Auch überwiege der Zweck des Sonderkündigungsschutzes das Beschäftigungsinteresse des Arbeitgebers.
Hinweis: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12. Januar 2022, Az: 23 SaGa 1521/21
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