Arbeitnehmerbegriff: Freie Wissensarbeiter gestärkt

Neben Regeln zur Zeitarbeit fand auch eine zum Arbeitnehmerbegriff Eingang in die AÜG-Reform. Nicht schädlich, nicht hilfreich: So bewertete Professor Gregor Thüsing noch im März diese gesetzliche Definition. Den neuen Versuch des Gesetzgebers, zur Selbstständigkeit abzugrenzen, sieht er nun um einiges positiver.

Jetzt wird er also kommen, der neue § 611a BGB mit einer kodifizierten Definition des Arbeitnehmers. Die Vorschrift ist zwar aus vorhandener Rechtsprechung zusammengeschnipselt. Aber: Sie ist gut gemacht und ohne die Fehler der vorherigen Versionen.

Ende der "Flucht in die Leiharbeit": Selbstständige dürfen es bleiben

Ist die neue Regelung also einfach unschädlich, oder überflüssig? Wahrscheinlich wird dieses Urteil der Vorschrift nicht gerecht. Richtig ist: Der Gesetzgeber will damit keine Änderung der Rechtslage herbeiführen. Aber er hat die Chance genutzt, Irritationen zu begegnen. Der vorschnellen Eingemeindung von Selbständigen in den Arbeitnehmerstatus wird eine Absage erteilt. Schließlich haben zuletzt einige Unternehmen, vielleicht aus übervorsichtigem Willen zur Compliance heraus, Aufträge an Selbständige storniert. Die Angst war groß, dass das Verrichtete in Wahrheit die Arbeitsleistung eines Arbeitnehmers ist. Davon waren auch Aufgaben erfasst, die bislang völlig unverdächtig waren. Die Folge: Eine „Flucht in die Leiharbeit“ – auch wenn es diese gar nicht gebraucht hätte. Bislang selbstständige Hochqualifizierte standen so vor der Wahl: eine GmbH gründen und sich von dieser über­lassen lassen oder den Auftrag verlieren.

AÜG: Zeitgemäßen Formen des Projektgeschäfts nicht entgegenstehen

Nun wählte der Ausschuss für Arbeit und Soziales bei der AÜG-Novelle zu Recht klare Worte: "Ferner wurde (vom Ausschuss, d.Red.) festgestellt, [...] das Gesetz ziele nicht darauf ab, die unternehmerische Tätigkeit beispielsweise von Beratungsunternehmen einzuschränken. Die Neuregelung solle dem sachgerechten Einsatz von Werk- und Dienstverträgen in den zeitgemäßen Formen des kreativen oder komplexen Projektgeschäfts nicht entgegenstehen, wie sie zum Beispiel in der Unternehmensberatungs- oder IT-Branche in Optimierungs-, Entwicklungs- und IT-Einführungsprojekten anzutreffen seien. Auch für solche Einsätze und für die Tätigkeit von Beratern sollen die allgemeinen Grundsätze zur Abgrenzung zwischen Dienst- und Werkleistungen auf der einen und Arbeitnehmerüberlassung auf der anderen Seite weiterhin zur Anwendung kommen. Dabei solle zum Beispiel eine für die Tätigkeit eines Beraters typische Bindung hinsichtlich des Arbeitsorts an eine Tätigkeit im Betrieb des beratenen Unternehmens allein regelmäßig keine persönliche Abhängigkeit gegenüber letzterem begründen (vgl. Bundesarbeitsgericht, 11.08.2015 - 9 AZR 98/14). Vielmehr solle nach dem Verständnis der Ausschussmehrheit entsprechend der bisherigen Praxis eine wertende Gesamtbetrachtung vorgenommen werden, ob unter Berücksichtigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalls eine Eingliederung in den Betrieb des Auftraggebers erfolge“ (BT-Drucks. 18/10064, S. 14).

Arbeitnehmerstatus: Gesetzgeber stützt BAG-Rechtsprechung

Die Beschluss­empfehlung gehört – als letzte Äußerung des Bundestags im Gesetzgebungsverfahren – zu den Materialien, die bei der Ermittlung des Willens des Gesetzes zwingend heranzuziehen sind.
Der Gesetzgeber erkennt, dass auch in der Personalarbeit Augenmaß gefragt ist. Wer selbständig ist, darf also auch so behandelt werden, gerade die Bezugnahme auf die Artistenentscheidung des Bundesarbeitsgerichts zeigt dies. Hier hatte das BAG die Selbständigkeit einer Artistengruppe bestätigt, obwohl die Tätigkeit vollständig im (Zirkus-)Betrieb des Auftraggebers ausgeführt wurde – in Zusammenarbeit mit anderen Artisten und ohne jeden Entscheidungsspielraum hinsichtlich Inhalt und Zeitpunkt der Diensterbringung. Diese Rechtsprechung hat nun den gesetzgeberischen Ritterschlag erfahren. Und was für Artisten Recht ist, kann für Berater und IT-Ingenieure nur billig sein.

Wer Arbeitnehmer ist, entscheidet der konkrete Einzelfall

Es bleibt also dabei: Maßgeblich ist die persönliche Abhängigkeit, die typologisch anhand von Hilfsindizien begründet werden muss. Es gibt keine notwendigen und keine hinreichenden Kriterien. Und: Die Sichtung des Einzelfalls ist erforderlich. Schon Alfred Hueck stellte in seinem Lehrbuch von 1928 zum Kriterium der persönlichen Abhängigkeit fest, es sei zuzugeben, „dass dieses Merkmal nicht ein ganz scharfes ist“, doch sei an ihm festzuhalten, weil „ein besseres Kriterium bisher nicht nachgewiesen ist“. Das gilt noch heute, wo das neue Recht nun Anker für die Entwicklung der Rechtsprechung sein kann.