EuGH: Kündigung Schwangerer bei Massenentlassungen

Zuletzt hat der EuGH entschieden, dass sich aus der EU-Mutterschutzrichtlinie kein Kündigungsverbot für schwangere Frauen aufgrund einer Massenentlassung ergibt. Wie dieses Urteil unter Berücksichtigung des deutschen Rechts einzuordnen ist, erläutern die Anwälte Anne Dziuba und Kathrin Bürger.

Der EuGH hat auf Vorlage des Obersten Gerichts von Katalonien (Tribunal Superior de Justicia de Cataluña) am 22. Februar 2018 (Az. C-103/16) entschieden, dass sich aus der Richtlinie 92/85/EWG (Mutterschutzrichtlinie) kein Kündigungsverbot für schwangere Frauen aufgrund einer Massenentlassung ergibt. Auch eine vorrangige Weiterbeschäftigung von Schwangeren sehe die Richtlinie nicht vor. Unzulässig sei nur eine Kündigung, die aufgrund der Schwangerschaft ausgesprochen wurde. Eine Kündigung könne jedoch aus anderen Gründen ausgesprochen werden, sofern der Arbeitgeber die Kündigungsgründe schriftlich in der Kündigung aufführt und die Kündigung nach dem Recht des jeweiligen Mitgliedsstaats grundsätzlich zulässig ist.

Kündigungsverbot für Schwangere

Die Mutterschutzrichtlinie enthält in Artikel 10 ein "Verbot der Kündigung". Dementsprechend müssen die Mitgliedstaaten Maßnahmen treffen, um die Kündigung Schwangerer vom Beginn der Schwangerschaft an bis zum Ende des Mutterschaftsurlaubs zu verbieten. Die Kündigung ist nur dann zulässig, wenn ein nicht mit der Schwangerschaft in Zusammenhang stehender Ausnahmefall eintritt, für den die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften beziehungsweise Gepflogenheiten heranzuziehen sind und gegebenenfalls eine zuständige Behörde ihre Zustimmung erteilen muss.

Mutterschutzgesetz: Die Anforderungen an die Kündigung

Auch der deutsche Gesetzgeber hat die Mutterschutzrichtlinie umgesetzt und dabei (umfassend) das Mutterschutzgesetz (MuSchG) überarbeitet. Dieses sieht in § 17 Abs. 1 ein umfassendes Kündigungsverbot für den gesamten Zeitraum der Schwangerschaft vor. Die Möglichkeit zur Kündigung besteht nur bei vorheriger Zustimmung einer für den Arbeitsschutz zuständigen obersten Landesbehörde, wobei diese auch nur dann erteilt wird, wenn die Kündigung keinen Bezug zur Schwangerschaft aufweist. Gleichwohl muss die Schriftform gewahrt sein und es muss - wie in dem durch den EuGH entschiedenen Fall - der Kündigungsgrund angegeben sein (§ 17 Abs. 2 Satz 2 MuSchG, § 623 BGB).

Kündigung Schwangerer: Auch vorbereitende Handlungen unzulässig

Erfasst ist in der Neufassung des § 17 Abs. 1 Satz 3 MuSchG aber auch, dass vorbereitende Handlungen im Hinblick auf die Kündigung einer Schwangeren unzulässig sind. Eingefügt wurde dieses Verbot ausweislich der Gesetzesbegründung aufgrund des EuGH-Urteils vom 11. November 2007 (Az. C-460/06; Paquay-Urteil). Danach liege dann ein Verstoß gegen Art. 10 der Mutterschutzrichtlinie vor, wenn – vor Ablauf des Kündigungsschutzes – in Vorbereitung einer Kündigung beispielsweise die Suche und Planung eines endgültigen Ersatzes für die betroffene Angestellte in Angriff genommen worden sind.

Denn es soll nicht nur die Kündigung selbst, sondern auch die Vorbereitung der Kündigung ausgeschlossen sein. Werden derartige Maßnahmen getroffen, ist die Kündigung gemäß § 134 BGB nichtig.

Massenentlassung: Anzeige immer eine vorbereitende Maßnahme?

Zum Inkrafttreten des neuen MuSchG wurde aufgrund der vorgenannten Regelung vertreten, dass auch die Aufnahme einer schwangeren Mitarbeiterin in eine Massenentlassungszeige nicht zulässig sei, da es sich um eine die Kündigung vorbereitende Maßnahme handelt.

Damit wird allerdings die Regelung des § 17 Abs. 2 MuSchG konterkariert, wonach eine Kündigung – nachdem diese für zulässig erklärt wurde –  auch während der Schwangerschaft ausgesprochen werden kann. Denknotwendig sind daher die vorherige Antragstellung sowie die Aufnahme in eine Massenentlassungsanzeige. Bereits aus diesem Grund muss auch die Aufnahme in eine Massenentlassungsanzeige sowie ein vorheriges Konsultationsverfahren zulässig sein.

EuGH: Keine Vorrangstellung der schwangerer Frauen

Diese Schlussfolgerung bestätigt nun auch der EuGH in seiner Entscheidung vom 22. Februar 2018. Gleichzeitig wird deutlich, dass eine Vorrangstellung der schwangeren Frau bei Vorliegen betriebsbedingter Gründe nicht besteht. Lediglich die Anforderungen an die Wirksamkeit sind höher. Einen absoluten Kündigungsschutz gibt es daher nicht – auch nicht in der Schwangerschaft.


Über die Autoren:

Dr. Anne Dziuba ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht bei Beiten Burkhardt Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in München.

Dr. Kathrin Bürger ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht bei Beiten Burkhardt Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in München.


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Schlagworte zum Thema:  Kündigung, EuGH