Schwangere bei Massenentlassung nicht vor Kündigung geschützt
Schwangere Arbeitnehmerinnen genießen einen besonderen Kündigungsschutz. Als zu groß wird die Gefahr, die eine mögliche Entlassung für die körperliche und psychische Verfassung der Betroffenen darstellt, angesehen. Die EU-Richtlinie zum Kündigungsschutz für Schwangere verbietet die Kündigung von Arbeitnehmerinnen in der Zeit vom Beginn der Schwangerschaft bis zum Ende des Mutterschaftsurlaubs. Sie sieht jedoch Ausnahmefälle vor, sofern diese nach nationalem Recht zulässig sind und die Kündigung "nicht mit dem Zustand in Zusammenhang steht“. Eine solche Ausnahme erkannte der EuGH im vorliegenden Fall.
Der Fall: Kündigung trotz Schwangerschaft
Eine spanische Arbeitnehmerin, die in der Provinz Katalonien bei einer Bank tätig war, wehrte sich vor dem Arbeitsgericht gegen die Kündigung, die der Arbeitgeber ihr gegenüber im Zusammenhang mit einem Massenentlassungsverfahren ausgesprochen hatte. Die maßgeblichen Kriterien dafür, welchen Arbeitnehmern gekündigt werden sollte und welche in dem Unternehmen weiter beschäftigt würden, hatte der Arbeitgeber zuvor mit der Arbeitnehmervertretung vereinbart und der Bankangestellten mitgeteilt.
Das zuständige spanische Gericht in wandte sich an den EuGH mit der Frage, wie in dem konkreten Fall die EU-Richtlinie zum Kündigungsschutz für Schwangere auszulegen ist.
EuGH: EU-Richtlinie lässt Ausnahmen vom Kündigungsverbot zu
Der Gerichtshof hat vorliegend entschieden, dass eine nationale Regelung nach der die Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin aufgrund einer Massenentlassung zulässig ist, der Richtlinie nicht entgegensteht. Die Richter machten in ihrem Urteil deutlich, dass es bei der Beurteilung wesentlich auf die Gründe, aus denen die Kündigung erfolgt, ankomme. So sei eine Kündigung, deren Gründe mit der Schwangerschaft der betroffenen Arbeitnehmerin zusammenhängen, europarechtlich verboten.
Kündigung bei Massenentlassung: europarechtlich zulässige Ausnahme
Aus anderen Gründen, die nichts mit der Schwangerschaft der Arbeitnehmerin zu tun haben, könne dagegen eine Kündigung erfolgen. Dies verstoße nicht gegen die EU-Richtlinie, betonten die Luxemburger Richter und nannten zusätzliche Voraussetzungen:
- Der Arbeitgeber führt schriftlich berechtigte Kündigungsgründe an und
- die Kündigung der schwangeren Arbeitnehmerin ist nach nationalem Recht zulässig.
Kündigungen aufgrund einer Massenentlassung, deren Kündigungsgrund nicht in der Person des Arbeitnehmer liegt, zählen somit laut EuGH zu den Ausnahmefällen der EU-Richtlinie. , deren Voraussetzung ist, dass sie „nicht mit dem Zustand der Arbeitnehmerinnen in Zusammenhang stehen“.
Kündigung schwangerer Arbeitnehmerinnen nach deutschen Recht
Auch nach geltendem deutschem Recht kann die Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin in bestimmten Ausnahmefällen zulässig sein. § 17 Mutterschutzgesetz (MuschG) nennt hier die Voraussetzungen:
- Insbesondere darf der Grund für die Kündigung nicht mit dem Zustand der Frau in der Schwangerschaft in Zusammenhang stehen.
- Zudem muss die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber unzumutbar sein.
- Die für den Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle muss zustimmen
- und die Kündigung schriftlich unter Angabe des Kündigungsgrundes erfolgen.
EuGH Urteil: Auswirkungen auf deutsches Recht
Diese Regelungen zum Kündigungsschutz von Schwangeren entsprechen also grundsätzlich den genannten und vom EuGH nun konkretisierten EU-Vorgaben.
Aktuell diskutiert wird das Thema Kündigungsschutz bei Massenentlassungen in Fachkreisen jedoch auch wegen eines anderen Urteils: Infolge einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, entschied das BAG, dass auch während Elternzeit Schutz vor Massenentlassung besteht. Nach Auffassung der Richter verstieß es gegen das Gleichheitsgebot des Grundgesetzes, die Arbeitnehmerin im Zusammenhang mit ihrer Elternzeit vom Massenentlassungsschutz auszuschließen.
Hinweis: EuGH, Urteil vom 22.01.2018 in der Rechtssache C-103/16
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