BAG: Angemessene Probezeit im befristeten Arbeitsverhältnis

Das Bundesarbeitsgericht nahm kürzlich zu zwei Fragestellungen in Zusammenhang mit Probezeitenvereinbarungen in befristeten Arbeitsverträgen Stellung. Zum einen ging es um die zulässige Höchstdauer einer Probezeit und zum anderen um die Rechtsfolge einer unzulässig langen Probezeit.

Der Arbeitsvertrag der klagenden Arbeitnehmerin sah eine Befristung auf zwölf Monate vor. Dabei sollten die ersten vier Monate eine Probezeit darstellen, innerhalb derer die Arbeitsvertragsparteien den Vertrag mit einer 14-Tage-Frist kündigen können. Im Anschluss sollten die gesetzlichen Fristen für Kündigungen gelten. Die beklagte Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis im Dezember 2022 unter Beachtung der zweiwöchigen Frist innerhalb der vereinbarten Probezeit.

Kündigung wegen zu langer Probezeit unwirksam?

Die Klägerin erhob Kündigungsschutzklage und behauptete, die Probezeit sei zu lang. Es läge eine Verletzung von § 15 Abs. 3 TzBfG vor, wonach die Probezeit im Verhältnis zu der erwarteten Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit stehen muss. Die Kündigung wirke infolgedessen nicht lediglich zu einem späteren Zeitpunkt unter Beachtung der gesetzlichen Regelkündigungsfrist, sondern sei insgesamt unwirksam. Rechtsfolge einer unzulässig langen Probezeit sei, dass damit auch die generelle Kündigungsmöglichkeit des befristeten Vertrages entfalle und die Wartezeit für das Eingreifen des allgemeinen Kündigungsschutzes gemäß § 1 Abs. 1 KSchG ebenfalls auf die Dauer einer zulässigen Probezeit abzukürzen sei. Folglich genieße die Arbeitnehmerin Kündigungsschutz. Gegen die Wirksamkeit der Befristung ging die Arbeitnehmerin nicht vor.

Vorinstanz LAG Berlin-Brandenburg: Regelwert 25 Prozent

Das LAG Berlin-Brandenburg bestätigte das erstinstanzliche Urteil des Arbeitsgerichts Berlin und entschied, dass die Probezeit zu lang gewesen sei. Es nahm einen Regelwert von 25 Prozent der Befristungsdauer an. Das wären hier drei Monate. Wolle der Arbeitgeber hiervon abweichen, müsse er darlegen und beweisen, dass insbesondere aufgrund der Art der Tätigkeit ein angemessenes Verhältnis zur Befristungsdauer vorläge. Das sei nicht ausreichend erfolgt.

Das LAG sah die Kündigung jedoch nicht insgesamt als unwirksam an. Vielmehr habe das Arbeitsverhältnis unter Beachtung der längeren Regelkündigungsfrist geendet. Der Arbeitsvertrag enthalte eine ausreichende Kündigungsregelung, die einem "Blue Pencil Test" standhalte. Aus der Richtline (EU) 2019/1152 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union (nachfolgend AB-RL) ergebe sich auch keine Einschränkung der Kündigungsmöglichkeit. § 1 Abs. 1 KSchG bedürfe daher keiner richtlinienkonformen Auslegung.

Aufgrund der entsprechenden Zulassung legte die Arbeitnehmerin Revision und die Arbeitgeberin Anschlussrevision ein. Die Arbeitnehmerin begehrte weiterhin die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung. Die beklagte Arbeitgeberin wandte sich gegen die Sichtweise des LAG, die Probezeit wäre zu lang, und gegen die Annahme eines Regelwertes von 25 Prozent der Befristungsdauer.

BAG: Einzelfallbetrachtung notwendig

Das BAG gab der Anschlussberufung statt und wies die Revision zurück. Das Gericht sah keinen Ansatzpunkt für einen Regelwert von 25 Prozent der Dauer der Befristung für eine verhältnismäßige Probezeit.

Inwieweit § 15 Abs. 3 TzBfG beachtet wurde, die Probezeit also in einem angemessenen Verhältnis zur Vertragsdauer steht, sei Gegenstand einer Einzelfallbetrachtung unter Berücksichtigung der erwarteten Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit. Die beklagte Arbeitgeberin habe überzeugend zu den Gründen für die Länge der Probezeit vorgetragen. Der von der Arbeitgeberin aufgestellte detaillierte Einarbeitungsplan mit drei verschiedenen Phasen von insgesamt 16 Wochen Dauer, nach denen die Mitarbeiter produktiv einsatzfähig sein sollen, rechtfertige eine Probezeitdauer von vier Monaten.

Auch wenn es damit nicht mehr auf die Rechtsfolge einer unzulässig langen Probezeit ankam, nahm das Gericht auch hierzu Stellung. Selbst bei Annahme einer unverhältnismäßig langen und daher unzulässigen Probezeitdauer trete eine Verkürzung der gesetzlichen Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG nicht ein. Die Kündigungsmöglichkeit besteht weiterhin, wenn sich dafür im Arbeitsvertrag hinreichende Anhaltspunkte finden. Die AB-RL stehe dem nicht entgegen.

Die Parteien des Kündigungsschutzrechtstreits haben schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung zahlreiche rechtliche Erwägungen ausgetauscht, etwa zur Heranziehung der Erwägungsgründe zur AB-RL. Die bislang lediglich vorliegende Pressemitteilung des BAG enthält hierzu keine Hinweise. Die Urteilsgründe stehen noch aus.

Fazit: Keine allerletzte Sicherheit bei der Probezeitfestlegung

Das Urteil ist erfreulich. Allerdings wird es nun auf die durch die Rechtsprechung zu entscheidende Einzelfälle ankommen, um eine gewisse Sicherheit bei der Bestimmung der zulässigen Probezeitdauer herbeizuführen. Vielleicht werden aber auch bereits die Urteilsgründe im vorliegenden Fall eine gewisse Richtschnur sein können.

Hinweis: BAG, Urteil vom 30. Oktober 2025, Az. 2 AZR 160/24


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