Anspruch auf Urlaubsgeld aus Gesamtzusage

Das Urlaubsgeld durfte ein Arbeitgeber seinen Beschäftigten nicht mit Hinweis auf die schwierige wirtschaftliche Lage streichen. Die Mitarbeitenden hätten einen Anspruch auf die Sonderzahlung - im konkreten Fall aufgrund einer Gesamtzusage, entschied das BAG. 

Einmalig, freiwillig und jederzeit widerrufbar: Unternehmen gewähren ihren Beschäftigten das jährliche Urlaubsgeld meist unter dem Vorbehalt, dass es sich um eine einmalige freiwillige Leistung handelt. Damit wollen sie sichergehen, dass kein Rechtsanspruch entsteht und sie sich den Mitarbeitenden keinesfalls auf Dauer zu einer jährlichen Leistung verpflichten. Wirklich rechtssicher sind diese Formulierungen oftmals nicht. Auch im vorliegenden Fall gelang es dem Arbeitgeber nicht, sich mit seinen "Infos aus der Personalabteilung" abzusichern.

Der Fall: Unternehmen zahlt für 2020 kein Urlaubsgeld

Der Arbeitgeber ist ein Unternehmen, das Windenergieanlagen wartet, errichtet und in Stand setzt. Seit den 1990er-Jahren zahlte er Beschäftigten im Juni ein jährliches Urlaubsgeld. In den Jahren 2008 bis 2013 wurde dies von Schreiben aus der Personalabteilung begleitet, in denen jedes Mal mitgeteilt wurde, dass es sich um eine freiwillige Sonderzahlung handele, ohne Anerkennung eines Rechtsanspruchs. Im Infoschreiben 2008 hieß es, dass die "Höhe einer vollen Urlaubszuwendung in Form einer ergänzenden Regelung jährlich entschieden und festgelegt wird". Stets fand sich im Schreiben der Dank für die Betriebstreue, in späteren Schreiben wurde auch darauf aufmerksam gemacht, dass die Gratifikation aufgrund der positiven wirtschaftlichen Lage erfolge. Im Juni 2020 wurden die Mitarbeitenden informiert, dass das Urlaubsgeld ausgesetzt werde.

Anspruch auf Urlaubsgeld aus Gesamtzusage?

Einige Mitarbeitende machten danach einen Anspruch auf Zahlung des Urlaubsgelds geltend. Dieser ergebe sich aus einer Gesamtzusage, die der Arbeitgeber den Mitarbeitenden gegenüber gemacht habe. Dem jeweiligen Anspruch stehe kein wirksamer Freiwilligkeitsvorbehalt entgegen. Die Kommunikation des Arbeitgebers aus den früheren Jahren enthielten eine Kombination von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt, die widersprüchlich sei und daher einer Inhaltskontrolle nicht standhalte. Zudem sei der Betriebsrat nicht beteiligt worden. Weiter sei die wirtschaftliche Lage des Unternehmens nicht so schlecht, dass es gerechtfertigt sei, das Urlaubsgeld komplett zu streichen.

Kürzung des Urlaubsgeldes auf "Null"?

Der Arbeitgeber berief sich darauf, einen Spielraum bei der Höhe zu haben und 2020 aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Gesamtlage und großen Unsicherheiten in Folge der Coronapandemie und Problemen bei den Lieferketten das Urlaubsgeld auf "Null" habe kürzen dürfen. Zudem bestünden keine Ansprüche, da in den jährlichen Mitteilungen ein wirksamer Freiwilligkeitsvorbehalt enthalten war, der Bestandteil der Arbeitsverhältnisse geworden sei und nicht gegen das Transparenzgebot verstoße. Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats seien nicht verletzt, weil die geltenden Entlohnungsgrundsätze zu einem Zeitpunkt eingeführt worden seien, als noch kein Betriebsrat bestanden habe.

BAG: Arbeitgeber muss Urlaubsgeld zahlen

Das Bundesarbeitsgericht war anderer Auffassung als der Arbeitgeber. Es entschied, dass die Arbeitnehmenden jeweils einen Anspruch auf ein Urlaubsgeld für das Jahr 2020 in der geltend gemachten Höhe haben. Die Ansprüche folgten nach Meinung des Gerichts aus einer Gesamtzusage, zu der sich der Arbeitgeber 2008 verpflichtet habe. In dieser Info fanden sich Formulierungen, die in Bezug auf das Urlaubsgeld klarstellten, dass der Arbeitgeber über die konkrete Höhe in jedem Jahr neu entscheide und unter welchen Voraussetzungen kein Anspruch bestehe. Die Auslegung der Info zum Urlaubsgeld ergab für das BAG, dass die Formulierungen dem Grunde nach voraussetzten, dass es einen Anspruch auf Urlaubsgeld gibt.

Betriebsratsbeteiligung fehlte

Nach Auffassung des BAG hatten die Beschäftigten folglich nach dieser Gesamtzusage einen Anspruch auf ein jährliches Urlaubsgeld, dessen Umfang nach billigem Ermessen festzulegen sei. Ohne die Beteiligung des im Jahr 2013 gebildeten Betriebsrats habe der Arbeitgeber die in der Info 2008 getroffene Gesamtzusage in den Folgejahren nicht zu Lasten der Beschäftigten inhaltlich umgestalten können. 

Die Festsetzung des Urlaubsgelds für das Jahr 2020 auf "Null" entsprach nicht billigem Ermessen, urteilte das BAG. Der Arbeitgeber habe dafür zu wenig über die tatsächliche wirtschaftliche Lage vorgetragen. Im Ergebnis sei das Urlaubsgeld der Mitarbeitenden auf die maximale Höhe festzusetzen.


Hinweis: BAG, Urteil vom 21. Februar 2024, Az: 10 AZR 345/22; Vorinstanz: LAG Hamm, Urteile vom 25. August 2022, Az.:  5 Sa 994/21, 5 Sa 1003/21 und 5 Sa 1004/21 


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