4.18.1 Urlaub und Quarantänemaßnahmen

Wenn der Beschäftigte in Kontakt mit einer Corona-infizierten Person gekommen ist und selbst keine Krankheitssymptome zeigt, muss er im Fall einer behördlichen Anweisung in häuslicher Quarantäne verbleiben. Überlappt sich nun die Zeit der häuslichen Quarantäne mit bereits zuvor gewährtem Urlaub, stellt sich die Frage, ob der Beschäftigte in analoger Anwendung des § 9 BUrlG beantragen kann, die Zeit der häuslichen Quarantäne nicht auf den Urlaub anzurechnen. Dies hätte zur Folge, dass dem Arbeitnehmer – im Falle des Vorliegens der weiteren Voraussetzungen – für die Zeit der Quarantäne nach § 56 Abs. 1 und Abs. 5 Infektionsschutzgesetz gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf Verdienstausfallentschädigung für die Dauer von bis zu 6 Wochen zusteht, die auf Antrag dem Arbeitgeber von der zuständigen Behörde erstattet wird.

In der Literatur hat diese Rechtsfrage zu erheblicher Diskussion geführt. Auch die Rechtsprechung der Instanzgerichte zeigte sich uneinheitlich. Bspw. entschieden die Landesarbeitsgerichte Düsseldorf,[1], Köln[2] und Schleswig-Holstein[3] eine analoge Anwendung der eng begrenzten Ausnahmevorschrift des § 9 BUrlG komme nicht in Betracht. Nach der Konzeption des Bundesurlaubsgesetzes fallen urlaubsstörende Ereignisse als Teil des persönlichen Lebensschicksals grundsätzlich in den Risikobereich des einzelnen Arbeitnehmers. Es erfolge also keine Nachgewährung des Urlaubs.

Anders entschied das Landesarbeitsgericht Hamm.[4] Danach besteht ein Anspruch auf Nachgewährung. Das BAG[5] hat die Rechtsfrage, ebenso wie das Arbeitsgericht Ludwigshafen[6]

dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt. Eine Entscheidung steht noch aus.

Die Rechtsfrage hat jedoch nur noch Bedeutung für die Vergangenheit, da der Gesetzgeber klärend tätig war. Seit dem 17.9.2022 ist in § 59 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz geregelt, dass die Tage einer Absonderung nach § 30 Infektionsschutzgesetz nicht auf den Jahresurlaub angerechnet werden.

4.18.2 Einseitige Zuweisung von Urlaub

Für den Arbeitgeber stellt sich auch die Frage, inwieweit er einseitig Urlaub für einzelne Beschäftigte anordnen kann, zur Überbrückung von Zeiten mit weniger Beschäftigungsbedarf, zur Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen oder zur Vermeidung von Kurzarbeit. Grundsätzlich kann der Arbeitgeber auch ohne Geltendmachung des Urlaubsanspruchs durch den Beschäftigten den Urlaub einseitig festsetzen. Äußert der Beschäftigte keine Wünsche, steht dem Arbeitgeber der Zeitpunkt der Festlegung frei. Hierbei besteht keine Pflicht des Arbeitgebers, Urlaubswünsche der Beschäftigten einzuholen.[1] Akzeptiert der Beschäftigte die einseitige Urlaubsfestlegung seitens des Arbeitgebers und tritt er den Urlaub an, ist der Urlaubsanspruch erfüllt.[2] Ist der Beschäftigte vor der Festlegung nicht gefragt worden, hat er das fehlende Einverständnis mit der einseitigen Festlegung durch den Arbeitgeber unverzüglich mitzuteilen. Der 5. Senat des BAG versteht dies als Annahmeverweigerungsrecht des Arbeitnehmers, das keiner Begründung bedarf.[3] Demgegenüber verlangt der für das Urlaubsrecht zuständige 9. Senat des BAG, dass der Beschäftigte zugleich seine eigenen Vorstellungen bezüglich des Urlaubszeitraums näher darzulegen hat.[4] Nach wohl zutreffender Ansicht dürfte es genügen, wenn der Beschäftigte geltend macht, dass der Urlaub in bestimmten Zeiträumen zu gewähren ist oder bestimmte Zeiträume ausschließt. Will der Arbeitgeber sich dann über diese Wünsche hinwegsetzen, so kann der Arbeitgeber den Urlaub in dem von ihm vorgesehenen Zeitraum nur dann festlegen, wenn dies aus dringenden betrieblichen Gründen oder im Hinblick auf die Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer notwendig ist. Je nach den konkreten Umständen dürfte in einer Situation wie der Corona-Krise das Vorliegen dringender betrieblicher Gründe zu bejahen sein. Allerdings wäre dieser kurzfristig festgelegte Zwangsurlaub auf den Resturlaub des Vorjahres oder den tariflichen Mehrurlaub zu beschränken.[5] Eine zwangsweise kurzfristige Zuweisung auch des unionsrechtlich verbürgten gesetzlichen Jahresurlaubs oder Teilen davon dürfte vom Direktionsrecht des Arbeitgebers nur in betrieblichen Ausnahmesituationen noch umfasst sein.

Möchte der Arbeitgeber von der Möglichkeit von Kurzarbeit Gebrauch machen, ist er nach § 96 Abs. 4 SGB III im Regelfall gehalten, vor Anordnung der Kurzarbeit den Alturlaub zuzuweisen, es sei denn, dass dem vorrangige Urlaubswünsche der Beschäftigten entgegenstehen, was nur selten der Fall sein dürfte. Im Übrigen wird diesbezüglich auf die weiteren Darlegungen unten unter Punkt 4.18.3 verwiesen.

Es stellt sich auch die Frage, ob der Arbeitgeber wegen Einschränkungen in seinen Betriebsabläufen und zur Abwehr oder Minderung wirtschaftlicher Sch...

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