Rz. 686

Das Kündigungsschutzgesetz ist betriebsbezogen.[1] Für den Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit aufgrund der unternehmerischen Entscheidung sind daher die Verhältnisse im Betrieb entscheidend (BAG, Urteil v. 22.5.1986, 2 AZR 612/85[2]). Es kommt der allgemeine Betriebsbegriff zur Anwendung[3]. An die Stelle des Betriebsbegriffs tritt im öffentlichen Dienst der Begriff der personalvertretungsrechtlichen Dienststelle (BAG, Urteil v. 22.10.2015, 2 AZR 582/14[4]; BAG, Urteil v. 25.10.2012, 2 AZR 552/11[5]). Allerdings kann der im Kündigungsschutzgesetz verwandte Betriebsbegriff nicht immer gleichgesetzt werden mit dem Begriff der Dienststelle. So stellt das Bundesarbeitsgericht für den Anwendungsbereich der Kleinbetriebsklausel (§ 23 KSchG) nach Sinn und Zweck der Regelung nicht auf die Dienststelle, sondern bei einer mehrstufigen organisatorischen Einheit, in der verschiedene nachgeordnete Dienststellen zu einer administrativen Hierarchie zusammengefasst sind, auf die öffentliche Verwaltung insgesamt ab (BAG, Urteil v. 29.10.1998, 2 AZR 759/97[6]). Im Anwendungsbereich des § 1 KSchG ist jedoch maßgeblich auf die Dienststelle abzustellen.

 

Rz. 687

Zum Betrieb gehört auch der von unterschiedlichen Unternehmen gebildete Gemeinschaftsbetrieb. Ein gemeinsamer Betrieb ist anzunehmen, wenn sich mehrere Unternehmen – ausdrücklich oder konkludent – zur Führung eines Betriebs über die einheitliche Leitung der organisatorischen Einheit, die zur Erfüllung der arbeitstechnischen Zwecke gebildet ist, rechtlich verbunden haben. Eine lediglich unternehmerische Zusammenarbeit genügt jedoch nicht. Vielmehr müssen die Funktionen des Arbeitgebers in den sozialen und personellen Angelegenheiten des Betriebsverfassungsgesetzes institutionell einheitlich für die beteiligten Unternehmen wahrgenommen werden (BAG, Urteil v. 18.9.2003, 2 AZR 79/02[7]; BAG, Urteil v. 21.2.2001, 7 ABR 9/00[8]). Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn mehrere Unternehmen in einem Konzern verbunden sind. Aus der gesellschaftsrechtlichen Weisungsbefugnis der Konzernholding gegenüber Tochtergesellschaften in bestimmten Bereichen kann weder auf einen gemeinsamen Betrieb zwischen der Konzernholding und einer oder mehreren Tochtergesellschaften noch auf einen gemeinsamen Betrieb zwischen einzelnen Tochtergesellschaften geschlossen werden (BAG, Urteil v. 13.6.2002, 2 AZR 327/01[9]).

 

Rz. 688

In einem Gemeinschaftsbetrieb bedient sich ein Unternehmen zur Erreichung der gemeinsamen arbeitstechnischen Ziele auch der Arbeitnehmer eines anderen Unternehmens. Bei einer betriebsbedingten Kündigung sind daher auch die Beschäftigungsmöglichkeiten im Gemeinschaftsbetrieb und nicht nur die vom Vertragsarbeitgeber zu besetzenden Arbeitsplätze relevant. In diesen Fällen kommt daher ausnahmsweise ein arbeitgeberübergreifender Kündigungsschutz in Betracht (BAG, Urteil v. 29.4.1999, 2 AZR 352/98[10]). Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn mit der unternehmerischen Entscheidung, die der Kündigung zugrunde liegt, zugleich die Auflösung des Gemeinschaftsbetriebs, insbesondere der einheitlichen personellen Führung einhergeht. Das ist regelmäßig bei einer Teilbetriebsstilllegung anzunehmen (BAG, Urteil v. 24.2.2005, 2 AZR 214/04[11]; BAG, Urteil v. 27.11.2003, 2 AZR 48/03[12]). Denn dann ist der Unternehmer des stillzulegenden Betriebs rechtlich nicht mehr in der Lage, eine Weiterbeschäftigung im fortgeführten Betrieb des anderen Unternehmens durchzusetzen (BAG, Urteil v. 18.10.2012, 6 AZR 41/11[13]). Ein unternehmensübergreifender Kündigungsschutz entfällt bereits dann, wenn zwar einer der den Gemeinschaftsbetrieb bildenden Teile zum Zeitpunkt der Kündigung noch nicht stillgelegt ist, aufgrund der unternehmerischen Entscheidung aber feststeht, dass er bei Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr bestehen wird (BAG, Urteil v. 14.8.2007, 8 AZR 1043/06[14]). Allerdings ist in jedem Einzelfall konkret zu prüfen, ob durch die Organisationsentscheidung – etwa die Änderung des Betriebszwecks oder auch eine Stilllegung – die einheitliche personelle Leitung und damit die verbindende Klammer tatsächlich entfällt (BAG, Urteil v. 29.11.2007, 2 AZR 763/06[15]).

 

Rz. 689

Von der Betriebsbezogenheit des gesetzlichen Schutzes im Hinblick auf den Wegfall des Beschäftigungsbedarfs ist die Frage zu trennen, ob der Arbeitnehmer auf einem anderen freien Arbeitsplatz im Unternehmen weiterbeschäftigt werden kann[16] oder aufgrund besonderer Fallgestaltungen, insbesondere vertraglicher Absprachen, einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung im Konzern hat.[17]

[1] KPK/Schiefer/Meisel, 3. Aufl. 2004, § 1 KSchG, Rz. 932; KR/Griebeling/Rachor, 11. Aufl. 2016, § 1 KSchG, Rz. 537.
[2] AP KSchG 1969 § 1 Konzern Nr. 4, NZA 1987 S. 125.
[3] Vgl. Thüsing, § 23, Rz. 2 ff.
[4] NZA 2016 S. 33.
[5] NZA-RR 2013 S. 632,

KR/Griebeling/Rachor, 11. Aufl. 2016, § 1 KSchG, Rz. 537; Löwisch/Spinner/Wertheimer, KSchG, 10. Aufl. 2013, § 15 KSchG, Rz. 302.

[6] BeckRS 1198, 13917.
[7] AP KSchG 1969 § 17 Nr. 14, NZA 2004 S. 375.
[8] EzA BetrVG 1...

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