Leitsatz (amtlich)

Aus dem Wortlaut von § 4 Abs. 1 Ziff. 9 BBiG ergibt sich die Verpflichtung des Ausbildenden, auf einen auf das Berufsausbildungsverhältnis anzuwendenden allgemeinverbindlichen Tarifvertrag hinzuweisen.

Die normative gesetzesgleiche Wirkung einer Ausschlußfrist verbietet es, die Kenntnis der Parteien von der Existenz und dem Inhalt der Ausschlußfrist als Voraussetzung für deren Anwendung zu betrachten.

Die Anwendung einer Ausschlußfrist ist damit nicht davon abhängig, ob der Ausbildende auf einen auf das Berufsausbildungsverhältnis anzuwendenden allgemeinverbindlichen Tarifvertrag gemäß § 4 Abs. 1 Ziff. 8 BBiG hingewiesen hat.

Allein die Tatsachen, daß der Ausbildende seiner Verpflichtung nicht nachgekommen ist, auf einen auf das Berufsausbildungsverhältnis anzuwendenden allgemeinverbindlichen Tarifvertrag hinzuweisen (§ 4 Abs. 1 Ziff. 9 BBiG) und diesen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag im Betrieb auch nicht ausgelegt hat (§ 9 Abs. 2 DVO/TVG), rechtfertigen nicht den Einwand der Arglist oder des Verstoßes gegen Treu und Glauben, mit der Folge, die Ausschlußfrist nicht anzuwenden.

 

Verfahrensgang

ArbG Nordhausen (Urteil vom 19.05.1999; Aktenzeichen 2 Ca 586/98)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 24.10.2002; Aktenzeichen 6 AZR 743/00)

 

Tenor

Das Urteil des Arbeitsgerichts Nordhausen vom 19.05.1999 – Az.: 2 Ca 586/98 – wird abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 72,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 27.09.1998 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 98 % und der Beklagte zu 2 % zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger stand auf der Grundlage eines Ausbildungsvertrages vom 01.05.1995 (Bl. 6, 43 d. A.) bei dem Beklagten im Zeitraum vom 01.08.1995 bis zum 31.07.1998 in einem Ausbildungsverhältnis zum Bäcker.

Der Ausbildungsvertrag hat in dem hier interessierenden Teil folgenden Wortlaut:

D

Die Vergütung richtet sich nach der tarifvertraglichen Regelung bzw. den jeweils empfohlenen Sätzen der Fachverbände (Vertrag § 4 Nr. 1).

§ 4 Vergütung und sonstige Leistungen

1. Fälligkeit (Höhe siehe D):

Die Vergütung wird spätestens am letzten Arbeitstag des Monats gezahlt.

Der Kläger wurde ab Oktober 1997 nur noch in der Nachtschicht und zwar in der Zeit von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr eingesetzt.

Für die Monate Juli und August 1997 zahlte der Beklagte dem Kläger den betriebsüblichen Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 3,00 DM pro Arbeitsstunde. Für den Zeitraum Oktober 1997 bis Juli 1998 hat der Beklagte diesen Zuschlag dem Kläger nicht gezahlt. Der Kläger nahm im Zeitraum vom 17.11.1997 bis zum 16.01.1998 an insgesamt drei Lehrgängen der Handwerkskammer Nordhausen teil.

Der Kläger hat im ersten Rechtszug vorgetragen:

Der Beklagte schulde die Zahlung der Nachtarbeitszuschläge für die im Zeitraum Oktober 1997 bis Juli 1998 geleistete Nachtarbeit. Der Kläger habe wie folgt gearbeitet:

Oktober – 8 Tage × 24,00 DM = 192,00 DM

November – 20 Tage × 24,00 DM = 480,00DM

Dezember – 25 Tage × 24,00 DM = 600,00 DM

Januar – 8 Tage × 24,00 DM = 192,00 DM

März – 21 Tage × 24,00 DM = 504,00 DM

April – 18 Tage × 24,00 DM = 432,00 DM

Mai – 14 Tage × 24,00 DM = 336,00 DM

Juni – 24 Tage × 24,00 DM = 576,00 DM

Juli – 3 Tage × 24,00 DM = 72,00 DM

Dies ergibt eine Forderung in Höhe von 3.384,00 DM

Der Anspruch des Klägers ergebe sich aus betrieblicher Übung. So habe der Beklagte durchweg allen in der Nachtschicht beschäftigten Arbeitnehmern diesen Zuschlag bezahlt. Durch die unstreitig erfolgte mehrmalige Zahlung dieses Zuschlags an den Kläger sei dieser Nachtarbeitszuschlag auch Teil der individualvertraglichen Vergütungsabrede zwischen den Parteien geworden. Im übrigen sehe § 5 der Vereinbarung über Ausbildungsvergütungen für Auszubildende (Lehrlinge) des Bäckerhandwerks der Bundesrepublik Deutschland die Zahlung eines höheren Nachtarbeitszuschlages vor.

Demgegenüber könne § 6 der genannten Tarifvorschrift vorliegend nicht zur Anwendung kommen. Die Parteien seien nicht tarifgebunden. Auch eine einzelvertragliche Bezugnahme liege nicht vor. Zwar befinde sich am unteren Rand des Berufsausbildungsvertrages ein Zusatz, wonach tarifliche Regelungen gelten, soweit diese bestehen. Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 29.11.1995, Az.: 5 AZR 747/94, sei die tarifliche Ausschlußfrist damit jedoch nicht Vertragsbestandteil geworden. Es fehle nämlich an einem besonderen Hinweis auf diese Ausschlußfrist einschließlich einer drucktechnischen Hervorhebung der Klausel. Dies gelte um so mehr, als weder der Manteltarifvertrag für das Bäckerhandwerk in Thüringen noch die Vereinbarung über Ausbildungsvergütungen für Auszubildende des Bäckerhandwerkes der Bundesrepublik Deutschland im Betrieb des Beklagten ausgelegt oder auf sonstige Weise zur Kenntnis gebracht worden seien.

Unterstellt, die Ausschlußfrist sei wirksam, habe diese nicht zu laufen begonnen, weil der Beklagte über die aufgelaufenen Nachtarbeitszuschläge eine Abrechnung gerade nicht erteilt habe.

Der Anspruch des Kläg...

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