Entscheidungsstichwort (Thema)

Freiwillige Krankenversicherung. Wirksamkeit der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler. keine ausreichende Rechtsgrundlage für die Heranziehung des Landesblindengeldes als beitragspflichtige Einnahme

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler sind wirksam, enthalten aber keine ausreichende Rechtsgrundlage für die Heranziehung des Landesblindengeldes als beitragspflichtige Einnahme. Insoweit ist eine konkretisierende Regelung erforderlich.

2. Der "Katalog von Einnahmen und deren beitragsrechtliche Bewertung nach § 240 SGB 5" entfaltet keine verbindliche Wirksamkeit im Hinblick auf die Verbeitragung von Landesblindengeld.

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 2. August 2011 aufgehoben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 9. Juni 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. September 2010 verurteilt, den Kläger in der Zeit vom 1. Januar 2009 bis 31. Dezember 2010 - ausgenommen die Zeiten vom 17. bis 18. Juni 2009 und vom 22. bis 23. Juni 2009 - unter Außerachtlassung des Landesblindengeldes zur gesetzlichen Krankenversicherung zu verbeitragen.

II. Die Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob das Landesblindengeld bei der Verbeitragung zur freiwilligen Krankenversicherung zu berücksichtigen ist.

Der am …1966 geborene Kläger war - mit Ausnahme der Zeiten vom 17. bis 18.06.2009 und vom 22. bis 23.06.2009 - vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 bei der Beklagten freiwillig krankenversichert.

Durch Bescheid vom 29.01.2009 setzte die Beklagte den Beitrag des Klägers zur Krankenversicherung ab 01.01.2009 auf 125,16 EUR monatlich fest.

Mit Bescheid vom 02.03.2009 legte die Beklagte den Beitrag des Klägers zur Krankenversicherung ab 01.02.2009 auf 125,16 EUR monatlich fest.

Durch Bescheid vom 24.08.2009 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sein Beitrag zur freiwilligen Krankenversicherung betrage ab 24.06.2009 133,68 EUR und ab 01.07.2009 128,89 EUR monatlich.

Mit Bescheid des Rentenversicherungsträgers vom 08.02.2010 wurde dem Kläger eine Rente mit einem Rentenbeginn am 01.02.2009 zuerkannt.

Durch Bescheid vom 25.01.2010 setzte die Beklagte den Beitrag des Klägers zur Krankenversicherung ab 24.06.2009 auf 263,43 EUR und ab 01.07.2009 auf 257,17 EUR monatlich fest.

Mit Bescheid vom 26.04.2010 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sein Beitrag zur Krankenversicherung betrage ab 24.06.2009 211,97 EUR monatlich, ab 01.07.2009 205,80 EUR, ab 01.11.2009 212,58 EUR und ab 01.10.2010 211,58 EUR.

Durch Bescheid vom 06.05.2010 legte die Beklagte den Beitrag des Klägers zur Krankenversicherung ab 01.01.2009 auf 144,59 EUR, ab 01.02.2009 auf 211,97 EUR, ab 24.06.2009 auf 211,97 EUR, ab 01.07.2009 auf 205,80 EUR, ab 01.11.2009 auf 212,58 EUR und ab 01.01.2010 auf 211,58 EUR monatlich fest.

Mit Bescheid vom 09.06.2010 setzte die Beklagte den Beitrag des Klägers zur freiwilligen Krankenversicherung hinsichtlich des zu Grunde gelegten Einkommens für die Zeit vom 01.01.2009 bis längstens 31.12.2010 - ab 01.01.2009: 125,16 EUR; ab 01.02.2009: 183,95 EUR; ab 01.05.2009: 184,18 EUR; ab 24.06.2009: 184,18 EUR; ab 01.07.2009: 179,13 EUR; 01.11.2009: 185,91 EUR; 01.01.2010: 184,91 EUR; 01.05.2010: 185,13 EUR - jeweils unter Berücksichtigung des Landesblindengeldes als Einnahme fest. Ihre Bescheide vom 29.01.2009, 02.03.2009, 24.08.2009, 25.01.2010, 26.04.2010 und 06.05.2010 hob sie auf.

Gegen den Bescheid vom 09.06.2010 legte der Kläger am 21.06.2010 Widerspruch ein, soweit die Beklagte auch das Landesblindengeld verbeitragt hatte.

Mit Widerspruchsbescheid vom 09.09.2010 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Im Rahmen der Beitragserhebung habe die Beklagte gemäß § 240 Abs. 1 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds zu berücksichtigen. Gemäß § 2 Abs. 1 der vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) erlassenen Einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge (Beitragverfahrensgrundsätze Selbstzahler) vom 27.10.2008 in der jeweils aktuellen Fassung würden die Beiträge nach den beitragspflichtigen Einnahmen des Mitglieds bemessen. Nach § 3 Abs. 1 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler gehörten zu den beitragspflichtigen Einnahmen freiwilliger Mitglieder alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht würden oder verbraucht werden könnten ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung bis zum kalendertäglichen Betrag der Beitragsbemessungsgrenze der Krankenversicherung. Welche Einnahmen im einzelnen hierunter fielen, sei im Gesetz nicht festgelegt. Auch in den Beitragverfahrensgrundsätzen Selbstzahler fän...

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