Entscheidungsstichwort (Thema)

Verschuldete Arbeitsunfähigkeit durch grob fahrlässige Inanspruchnahme nicht bestehenden Vorfahrtsrechts durch einen infolge Alkoholisierung relativ fahruntauglichen Radfahrer. Trunkenheitsfahrt eines Radfahrers. Straßenverkehrsgefährdung durch Radfahrer

 

Leitsatz (amtlich)

1) Der Grundsatz, wonach daß Vorfahrtsrecht unabhängig davon ist, ob sich der Vorfahrtsberechtigte verkehrsgerecht verhält oder nicht, greift nicht zugunsten eines (erwachsenen) Radfahrers ein, der verbotswidrig auf dem – an der bevorrechtigten Straße entlangführenden –Gehweg fährt.

2) Keine Berufung auf rechtmäßiges Alternativverhalten bei objektiv nicht bestehender Handlungsalternative (hier: zugeparkter Radweg)

 

Normenkette

EFZG § 3 Abs. 1 S. 1; StVO § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 5 S. 1, § 3 Abs. 1 S. 1, § 9 Abs. 2 S. 5, Abs. 3 S. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Bautzen (Aktenzeichen 7 Ca 7484/99)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bautzen vom 15. Dezember 1999 – 7 Ca 7484/99 –

abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfall.

Im streitgegenständlichen Zeitraum war der Kläger bei dem Beklagten als Gerüstbauer beschäftigt.

Am 11. April 1999 gegen 17.45 Uhr erlitt der Kläger in N. auf der G. Straße in Höhe der Einmündung der K. Straße als Radfahrer einen Verkehrsunfall durch Zusammenstoß mit einem von dem Zeugen N. geführten Pkw. In der Folge war der Kläger arbeitsunfähig aufgrund seiner dabei erlittenen Verletzungen.

Für die letzten 24 Stunden vor dem Unfall, und zwar für den Zeitraum von 13.00 bis 17.00 Uhr, ist vom Kläger ausweislich des Protokolls und Antrages des Polizeireviers in N. zur Feststellung des Alkohols im Blut eine Alkoholaufnahme in Form von vier Flaschen Bock-Bier á 0,5 l eingeräumt. Ein noch an der Unfallstelle durchgeführter Alkoholtest ergab eine Blutalkoholkonzentration in Höhe von 1,49 Promille. Der Befundbericht des Universitätsklinikums der TU D. vom 13. April 1999 kam für die Zeit der Blutentnahme am 11. April 1999 um 19.00 Uhr auf einen Wert in Höhe von 1,46 Promille. Allerdings sei dabei zu berücksichtigen, daß der Wert infolge Zugabe von Infusionsflüssigkeit in seiner Aussagefähigkeit eingeschränkt sei, was für eine weitergehende Beurteilung eine gutachterliche Stellungnahme erforderlich mache.

Bei seiner polizeilichen Vernehmung am 06. Mai 1999 hatte der Kläger noch ausgesagt, er sei zunächst auf der rechten Seite der G. Straße bis ca. in Höhe des Geschäfts „Sport-Vetter” gefahren. Dort habe er dann über die Fahrbahn gewechselt und sei auf dem dortigen Gehweg (sic.) bis zu dem Zusammenstoß mit dem Pkw weitergefahren.

Später hat der Kläger vorgetragen, nach dem Fahrbahnwechsel zunächst den gegenüberliegenden Radweg benutzt zu haben. Erst vor der Einmündung der K. Straße sei er durch ein parkendes Fahrzeug zum Wechsel auf den Gehweg gezwungen worden.

Aus Blickrichtung des Zeugen N. befand sich im Einmündungsbereich auf der rechten Seite eine Hecke, welche ihm die Sicht nahm.

Der Beklagte verweigert die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für den Zeitraum vom 12. April 1999 bis 23. Mai 1999 im Umfang von 30 %. Dies macht die ihrerHöhe nach nicht strittige Klageforderung über 1.188,00 DM netto aus.

DerKläger hat vorgetragen, daß der Beklagte ihm Entgeltfortzahlung für den Krankheitsfall in voller Höhe schulde. Denn er sei aufgrund des Verkehrsunfalls arbeitsunfähig infolge Krankheit geworden, ohne daß ihn ein Verschulden treffe. Schuld an dem Unfall sei einzig und allein der Zeuge N., der ihn – dem Kläger – seine Vorfahrt genommen habe. Aufgrund der Führung des Radweges hätte sich der Unfall auch dann ereignet, wenn er weiter diesen und nicht den Gehweg befahren hätte.

DerKläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 1.188,00 DM netto zu bezahlen.

DerBeklagte hat

Klageabweisung

beantragt.

DerBeklagte hat darauf hingewiesen, daß der Kläger seine Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit selbst verschuldet habe, weswegen er – der Beklagte – leistungsfrei sei. Der Zeuge N. habe sich mit Schrittgeschwindigkeit in den Einmündungsbereich hineingetastet. Ein Vorfahrtsrecht habe für den Kläger zum Zeitpunkt der Kollision nicht bestanden. Im Falle rechtmäßigen Verhaltens des Klägers wäre es zu dem Zusammenprall nicht gekommen.

Das Arbeitsgericht Bautzen hat nach Beiziehung der Akten der Staatsanwaltschaft Görlitz betreffend das Ermittlungsverfahren gegen den Zeugen N. wegen fahrlässiger Körperverletzung nach dem Klageantrag erkannt.

Der Beklagte hat gegen das ihm am 07. Januar 2000 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts am 04. Februar 2000 Berufung eingelegt und diese nach rechtzeitig beantragter Verlängerung der Frist für die Begründung der Berufung bis 06. April 2000 am nämlichen Tag auch begründet.

DerBeklagte verweist u. a. erneut auf die nicht gegebene Vorfahrtsberechtigung des Klägers sowie dessen Alkoholisierung zum Unfallzeitpunkt.

Er beantragt,

die Klage unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgeric...

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