3.7.1 Grundsätzliches

Die auf die Betriebsvereinbarungen folgenden Rechtsquellen sind die Arbeitsverträge. Denn gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG gehen (kollektivrechtlich geltende) Tarifverträge und gem. § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG Betriebsvereinbarungen vor, es sei denn, einzelne arbeitsvertragliche Bestimmungen sind für den Arbeitnehmer günstiger (vgl. beim Tarifvertrag § 4 Abs. 3 TVG Günstigkeitsprinzip).

Der Arbeitsvertrag ist ein gegenseitiger Austauschvertrag, durch den sich der Arbeitnehmer zur Leistung von Arbeit im Dienst des Arbeitgebers und der Arbeitgeber zur Zahlung einer Vergütung verpflichtet. Er ist ein Unterfall des Dienstvertrags (§ 611ff. BGB). Nach dem Willen des Gesetzgebers stehen sich als Hauptpflichten (die Pflicht des Arbeitnehmers zur Arbeitsleistung und die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Vergütungszahlung) gegenüber. Die Arbeit ist über einen gewissen Zeitraum hin zu erbringen. Deshalb spricht man von einem Dauerschuldverhältnis.

Die Parteien müssen sich nur über die zu leistende Arbeit und die zu zahlende Vergütung geeinigt haben, wobei die Höhe der Vergütung nicht ausdrücklich geklärt zu werden braucht. Sie kann notfalls gem. § 612 BGB bestimmt werden.

Ein Arbeitsvertrag braucht zu seiner Wirksamkeit i. d. R. nicht schriftlich abgeschlossen werden. Die Schriftform kann jedoch durch Tarifvertrag oder durch Betriebsvereinbarung vorgeschrieben sein.

Wenn im Arbeitsvertrag ein Wettbewerbsverbot für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses vereinbart werden soll, muss dieses schriftlich geschehen (§ 74 HGB für kaufmännische Angestellte, der nach ständiger Rechtsprechung des BAG für die anderen Arbeitnehmer entsprechend anzuwenden ist). Das Gleiche gilt für eine Befristungsabrede (§ 14 Abs. 4 TzBfG)

Im Arbeitsvertrag werden in aller Regel die geschuldete Arbeitsleistung, die Zeit und der Ort der Arbeitsleistung einschließlich der geschuldeten Vergütung (bzw. Eingruppierung) festgelegt.

Der Arbeitnehmer schuldet

  • die richtige Tätigkeit
  • am richtigen Ort
  • zur richtigen Zeit

Der Arbeitgeber schuldet

  • die richtige Bezahlung
  • zur richtigen Zeit

Neben diesen vertraglich festgelegten Hauptpflichten gibt es auch noch zahlreiche Nebenpflichten im Arbeitsverhältnis, die oft nicht einzelvertraglich geregelt sind.

Kollektivrechtlich geltende Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen wirken gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG bzw. § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG unmittelbar und zwingend auf den Arbeitsvertrag ein und verdrängen entgegenstehende Regelungen, soweit sie nicht für den einzelnen Arbeitnehmer günstiger sind.

Gilt ein Tarifvertrag nicht, kann seine Geltung (oder die einzelner Bestimmungen des Tarifvertrags) einzelvertraglich vereinbart werden. Dann gelten die Regelungen des Tarifvertrags individualrechtlich.

Je genauer die geschuldete Tätigkeit im Arbeitsvertrag bezeichnet wird, desto geringer ist das Direktionsrecht des Arbeitgebers. Denn dies kann sich nur im Rahmen der geschuldeten Tätigkeit bewegen. Daher werden Arbeitgeber geneigt sein, die vertraglich geschuldete Tätigkeit im Arbeitsvertrag möglichst weit zu fassen. Die Ausweitung des Direktionsrechts führt jedoch bei einer betriebsbedingten Kündigung im Rahmen der dort vorzunehmenden Sozialauswahl zu einem wesentlich größeren Kreis der miteinander vergleichbaren Arbeitnehmer.[1]

3.7.2 Günstigkeitsprinzip

Das Günstigkeitsprinzip ist die Ausnahme des als Grundsatz geltenden Ordnungsprinzips:

Die dem Arbeitnehmer günstigere einzelvertragliche Regelung geht den höher stehenden Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen vor. Das ergibt sich für das Verhältnis Arbeitsvertrag/Tarifvertrag aus § 4 Abs. 3 TVG. Für das Verhältnis Arbeitsvertrag/Betriebsvereinbarung ist eine gesetzliche Regelung wie in § 4 Abs. 3 TVG zwar nicht in § 77 BetrVG enthalten. Dennoch gilt auch hier das Günstigkeitsprinzip, denn dieses ist Ausdruck des allgemeinen arbeitsrechtlichen Schutzprinzips.[1]

Das Günstigkeitsprinzip ist selbst zwingendes Rechtsprinzip und kann auch von den Tarifvertragsparteien nicht abbedungen werden. Seine Anwendung, die Prüfung, ob die Regelung im Einzelarbeitsvertrag für den Arbeitnehmer günstiger ist, ist individuell angelegt. Eine kollektive Betrachtungsweise ist dagegen dann anzustellen, wenn die Belegschaft als Ganzes betroffen ist. Das ist bei Gesamtzusagen, betrieblicher Übung und arbeitsvertraglicher Einheitsregelung der Fall.

 
Praxis-Beispiel

Im Arbeitsvertrag von A sind 35 Tage Urlaub im Jahr und 10 EUR zusätzliches Urlaubsgeld pro Urlaubstag vorgesehen. Im geltenden Tarifvertrag besteht ein Urlaubsanspruch von 30 Tagen mit zusätzlichem Urlaubsgeld von 11,50 EUR pro Urlaubstag. A will wegen des "Günstigkeitsprinzips" 35 Tage Urlaub im Jahr und wegen des "Ordnungsprinzips" 11,50 EUR zusätzliches Urlaubsgeld.

Hat er Recht?

Beim Günstigkeitsvergleich kann es schwierig sein, den Vergleichsgegenstand zu bestimmen. Einigkeit besteht aber darin, dass sachlich Zusammenhängendes auch zusammen betrachtet werden muss. Der Arbeitnehmer darf sich nicht von zusammenhängenden R...

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