In der Grafik über die Rangordnung der Rechtsgrundlagen[1] ist zwischen der Rubrik "Arbeitsvertrag" und den hier besprochenen Rechtsgrundlagen nur eine unterbrochene Trennungslinie. Dies liegt daran, dass betriebliche Übung, Gesamtzusagen und Einheitszusagen auch vertragliche Ansprüche sind, die aber den Arbeitnehmer als Teil der Belegschaft betreffen. Damit ist hier auch ein Günstigkeitsvergleich anzustellen, dieser muss aber kollektiv ausgerichtet sein.

[1] Vgl. Rechtsquellen des Arbeitsrechts Nr. 2 Grundsätzliches.

3.8.1 Grundsätzliches/kollektives Günstigkeitsprinzip

Ist für den Arbeitnehmer erkennbar, dass er nur als Teil der Belegschaft betroffen ist, dass also für ihn keine Sonderregelung gelten soll, kann er auch beim Günstigkeitsvergleich nur als Teil der Belegschaft berücksichtigt werden.

 
Praxis-Beispiel

Früher galt in der Firma A eine betriebliche Übung, wonach die Arbeitnehmer zu Weihnachten jeweils 500 EUR erhalten haben. Insgesamt kamen 50.000 EUR zur Auszahlung. Jetzt hat der AG mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen, wonach 75.000 EUR für die gleiche Anzahl Arbeitnehmer mit unterschiedlichem Verteilungsschlüssel ausgeschüttet werden. Otto bekam früher 500 EUR, jetzt sind es nur noch 400 EUR.

Grundsätzlich geht nach dem Ordnungsprinzip die Betriebsvereinbarung einer betrieblichen Übung vor, es sei denn, diese genießt nach dem Günstigkeitsprinzip Vorrang. Früher hat Otto zwar mehr erhalten. Er war aber nur als Mitglied der Belegschaft betroffen und konnte dies auch erkennen. Damit ist ein kollektiver Günstigkeitsvergleich anzustellen. Es ist zu fragen, ob die frühere betriebliche Übung für die Belegschaft als Ganzes günstiger ist als die neue Betriebsvereinbarung. Das wird man nicht annehmen können, da das Gesamtvolumen um immerhin 50 % aufgestockt wurde. Damit bleibt es beim Ordnungsprinzip.

3.8.2 Betriebliche Übung

Eine betriebliche Übung entsteht aus einem fortgesetzten, die Arbeitnehmer begünstigenden Verhalten des Arbeitgebers, das bei den begünstigten Arbeitnehmern unter Berücksichtigung von Treu und Glauben (§ 242 BGB) den verständlichen Eindruck vermittelt, der Arbeitgeber wolle sich durch diese günstigere und vorbehaltlose Verhaltensweise oder Leistung auch in Zukunft an ein derartiges Verhalten binden.[1]

Das BAG versteht unter einer betrieblichen Übung[2]: "die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus diesem als Willenserklärung, die von den Arbeitnehmern stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), zu wertenden Verhaltens des Arbeitgebers erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen…. Bei der Anspruchsentstehung entscheidend ist nicht der Verpflichtungswille des Arbeitgebers, sondern nur die Frage, wie die Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen durften… Will der Arbeitgeber verhindern, dass aus der Stetigkeit seines Verhaltens eine in die Zukunft wirkende Bindung entsteht, muss er einen entsprechenden Vorbehalt erklären. In welcher Form dies geschieht… ist nicht entscheidend. Erforderlich ist nur, dass der Vorbehalt klar und unmissverständlich kundgetan wird… Allerdings darf der Arbeitgeber, der sich den Widerruf oder die Kürzung freiwilliger Leistungen vorbehalten hat, diese Gestaltungsrechte nur nach billigem Ermessen gemäß § 315 BGB ausüben… Dies muss entsprechend gelten, wenn die Leistung durch betriebliche Übung Bestandteil des Arbeitsvertrags geworden ist …"

Kurz zusammengefasst wird man einen (arbeitsvertraglichen) Anspruch aus betrieblicher Übung annehmen können, wenn der Arbeitgeber aus der Sicht der Arbeitnehmer eine zusätzliche Zuwendung

  • freiwillig,
  • vorbehaltlos,
  • mehrmals hintereinander (wobei 3 normalerweise genügen) leistete und die Arbeitnehmer
  • deshalb darauf vertrauen konnten, diese Leistung auch künftig zu erhalten und
  • damit, wenn auch nur stillschweigend einverstanden waren, was man wegen der Entgegennahme der Leistungen unterstellt.

Problem: Betriebliche Übung im öffentlichen Dienst

Nach ständiger Rechtsprechung des BAG[3] muss der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes in aller Regel davon ausgehen, sein Arbeitgeber wolle nur die Leistungen gewähren, zu denen er rechtlich verpflichtet ist. Der Arbeitnehmer müsse bei Fehlen anderweitiger Anhaltspunkte davon ausgehen, der an die Grundsätze des Haushaltsrechts gebundene öffentliche Arbeitgeber wolle sich gesetzes- und tarifvertragsgemäß verhalten. Dies steht grundsätzlich der Annahme einer betrieblichen Übung entgegen.

Dabei hat das BAG[4] aber ausdrücklich klargestellt, das diese Grundsätze nicht für den privaten Arbeitgeber gelten, auch wenn sein Vergütungsgefüge am (damals geltenden) BAT ausgerichtet sei. Denn dieser unterliege nicht den gleichen strengen haushaltsrechtlichen Überwachungsbestimmungen.

[1] BAG, Urteil v. 18.7.1968, 5 AZR 400/67.

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