Der gesetzliche Mindestlohn ist unabdingbar (§ 3 MiLoG). Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, sind insoweit unwirksam. Insbesondere ist auch die Verwirkung des Anspruchs ausgeschlossen. Das hat weitreichende praktische Konsequenzen auch für die Arbeitgeber, die eine Vergütung oberhalb des gesetzlichen Mindestlohns zahlen. Es besteht Einigkeit darüber, dass in jedem Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers der gesetzliche Mindestlohn enthalten ist. Daher finden auf jede Vergütungsvereinbarung die den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn flankierenden Regelungen wie z. B. die Unabdingbarkeit des gesetzlichen Mindestlohns oder auch die Fälligkeitsregelungen im Umfang des jeweiligen Mindestlohns pro Stunde auch dann Anwendung, wenn der Arbeitnehmer eine deutlich höhere Vergütung erhält.

3.5.1 Ausschlussfristen

Aus der gesetzlichen Regelung ergibt sich, dass eine Ausschlussfrist nicht den Mindestlohn erfassen darf. Auch der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall kann in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns einer Ausschlussfrist nicht unterworfen werden, obwohl er auf einer eigenen Anspruchsgrundlage beruht.[1]

Dies gilt sowohl für arbeitsvertraglich vereinbarte Ausschlussfristen (z. B. in nicht tarifgebundenen Tochtergesellschaften) als auch für tarifliche Ausschlussfristen. Das Mindestlohngesetz geht tariflichen Regelungen grundsätzlich vor, sodass die Unabdingbarkeit des Mindestlohns auch für tarifvertraglich geregelte Ausschlussfristen gilt.

 
Hinweis

Die tarifliche Ausschlussfrist von 6 Monaten nach § 37 TVöD kann ab 1.1.2015 der Forderung eines Arbeitnehmers auf Zahlung des Mindestlohns nicht entgegengehalten werden. Die tarifliche Ausschlussfrist erfasst nur noch über den gesetzlichen Mindestlohn hinausgehende Entgeltansprüche.

 
Praxis-Beispiel

Der Beschäftigte (EG 7, Stufe 3, Tabellenwert ab 1.3.2024 3.472,38 EUR) verlangt Arbeitsvergütung für angeblich erbrachte Mehrarbeit für 20 Std. i. H. v. 20,48 EUR/Std. Der TVöD findet Anwendung. Der Beschäftigte hat seine Entgeltansprüche nicht innerhalb der tariflichen Ausschlussfrist von 6 Monaten schriftlich geltend gemacht. I. H. v. 248,20 EUR (20 Std. × 12,41 EUR) kann dem geltend gemachten Anspruch die Ausschlussfrist nicht entgegengehalten werden, weil der Mindestlohn von der Ausschlussfrist nicht erfasst wird. Der Arbeitgeber muss diese 248,20 EUR bezahlen, soweit Verjährung noch nicht eingetreten ist. In Höhe der weitergehenden 161,35 EUR ist der Anspruch verfallen.

Allerdings könnte dem Arbeitnehmer entgegengehalten werden, dass er für den fraglichen Monat bereits den gesetzlichen Mindestlohn erhalten hat, indem er für die zu leistende tarifliche Arbeitszeit die geschuldete Vergütung von 3.472,38 EUR erhalten hat und damit selbst dann, wenn er nicht die tarifliche Arbeitszeit, sondern darüber hinaus weitere 20 Std. geleistet haben sollte, immer noch für jede tatsächlich geleistete Arbeitsstunde weit mehr als den gesetzlichen Mindestlohn erhalten hat. Allerdings wird der Arbeitnehmer dieses Argument möglicherweise mit einem Hinweis auf die Gehaltsabrechnung "auskontern", indem er darauf hinweist, dass für die Zahlung von 3.472,38 EUR die Gehaltsabrechnung bestimmt, dass das die Zahlung für die monatliche tarifliche Arbeitszeit ist und gerade nicht zur Abgeltung von Mehrarbeit bestimmt ist.

Der gesetzliche Mindestlohn unterliegt allerdings der gesetzlichen Verjährung nach den §§ 195, 199 BGB. Die Verjährungsfrist beträgt 3 Jahre ab Ende des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist.

3.5.2 Verzicht

Auch ein Verzicht auf den gesetzlichen Mindestlohn – aber nur auf diesen – ist unwirksam. Auf Vergütung, die über den gesetzlichen Mindestlohn hinausgeht, kann hingegen verzichtet werden.

Das ist dann von Bedeutung, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in einem Abwicklungsvertrag ihre Ansprüche abschließend regeln wollen. Soweit der Arbeitnehmer dabei auf bestehende oder zukünftige Ansprüche verzichtet, ist dieser Verzicht in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns unwirksam.

 
Praxis-Beispiel

In einem Abwicklungsvertrag im Jahr 2024 regeln Arbeitgeber und Arbeitnehmer neben der Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Zahlung einer Abfindung, dass ansonsten zwischen ihnen keinerlei Ansprüche mehr aus dem Arbeitsverhältnis bestehen. Nach der Auszahlung der Abfindung macht der Arbeitnehmer geltend, dass ihm noch Vergütung für 100 geleistete Mehrarbeitsstunden zusteht.

I. H. v. 12,41 EUR pro Stunde kann sich der Arbeitgeber nicht auf die Erledigungsklausel im Abwicklungsvertrag berufen, weil der Arbeitnehmer auf die Vergütung in diesem Umfang nicht verzichten konnte.

Zulässig dürfte es jedoch sein, einen Tatsachenvergleich zu schließen, etwa des Inhalts, dass sich die Parteien darüber einig sind, dass die Mehrarbeitsstunden des Arbeitnehmers sämtlich vergütet worden sind.

Im Zweifelsfall ist jedoch Vorsicht geboten, offene Ve...

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