Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankengeld. ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bei Entlassung aus stationärer Krankenhausbehandlung -Entstehen des Anspruchs auf Krankengeld. Gewährung von Prozesskostenhilfe im sozialgerichtlichen Verfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zu den Maßstäben für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

2. Bezugnahme auf L 9 KR 504/14 B ER:

a) Die Arbeitsunfähigkeit muss durch einen Arzt, aber nicht zwingend durch einen Vertragsarzt festgestellt werden; dieser muss für die Feststellung die dafür vorgesehenen Vordrucke nach § 5 Abs 1 oder § 6 Abs 1 Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie (juris: AURL) nicht verwenden.

b) Wenn ein Arzt einer stationären Einrichtung einem Versicherten bei der Entlassung aus stationärer Krankenhausbehandlung Arbeitsunfähigkeit ohne genaue Angabe des Endzeitpunkts bescheinigt und diese Bescheinigung der Krankenkasse übersendet, ist davon auszugehen, dass die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit jedenfalls den Zeitraum zwischen der Entlassung und dem Eingang bei der Krankenkasse umfassen soll.

3. Bezugnahme auf Bundessozialgericht vom 11.5.2017 - B 3 KR 22/15 R: Erweiterung der bislang in der Rechtsprechung anerkannten Ausnahmefälle zu § 46 S 1 Nr 2 SGB V namentlich für diejenigen Fälle, in denen keine Zweifel an der ärztlich festgestellten Arbeitsunfähigkeit im maßgeblichen Zeitraum vorliegen und keinerlei Anhaltspunkte für einen Leistungsmissbrauch ersichtlich sind.

 

Orientierungssatz

Zu Leitsatz 2 vgl LSG Berlin-Potsdam vom 2.4.2015 - L 9 KR 504/14 B ER

Zu Leitsatz 3 vgl BSG vom 11.5.2017 - B 3 KR 22/15 R.

 

Normenkette

SGB V § 46 Abs. 1 Nr. 2, § 192 Abs. 1 Nr. 2; SGG § 73a Abs. 1 S. 1; ZPO § 114

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 20. März 2017 aufgehoben.

Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe für den Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Potsdam unter Beiordnung seines o.g. Prozessbevollmächtigten ohne Festsetzung von Ratenzahlungen gewährt.

Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

 

Gründe

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 20. März 2017, mit dem dieses die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Klage abgelehnt hat, mit der er die Gewährung von Krankengeld über den 10. Juni 2016 hinaus verfolgt, ist gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) sowie §§ 172 und 173 SGG zulässig und begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten für den Rechtsstreit vor dem Sozialgericht.

Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG gelten für die Gewährung von Prozesskostenhilfe im sozialgerichtlichen Verfahren die Vorschriften der ZPO entsprechend. Danach ist einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf seinen Antrag Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 114 ZPO). Dabei hat das angerufene Gericht die Erfolgsaussicht regelmäßig ohne abschließende tatsächliche und rechtliche Würdigung des Streitstoffes zu beurteilen. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) soll die Prüfung der Erfolgsaussicht im Rahmen des § 114 ZPO nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern. Dieses darf nicht an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten, weil das Prozesskostenhilfeverfahren den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz fordert, nicht selbst bieten, sondern ihn erst zugänglich machen soll (BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. Februar 2008, 1 BvR 1807/07, zitiert nach juris, sowie BVerfGE 81, 347, 357). Im Hinblick auf die fehlende Aussicht auf Erfolg einer Klage oder eines Antrages im vorläufigen Rechtsschutzverfahren darf Prozesskostenhilfe nur verweigert werden, wenn die Klage bzw. der Antrag (bei summarischer Prüfung) völlig aussichtslos ist oder ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine Entfernte ist (BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2005, 1 BvR 175/05; LSG Berlin-Brandenburg, 1. Senat, Beschluss vom 10. März 2006, L 1 B 1150/05 KR PKH, jeweils zitiert nach juris).

Danach stand der Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch das Sozialgericht eine fehlende Erfolgsaussicht der Klage nicht entgegen.

Der Kläger befand sich bis einschließlich 10. Juni 2016 (Freitag) in teilstationärer Behandlung beim A Fachklinikum T, offenbar - das ist den Akten bislang nicht hinlänglich zu entnehmen - aufgrund einer psychiatrischen Erkrankung. Ein bei dem Verwaltungsvorgang der Beklagten befindlicher Datenbankauszug (Ausdruck vom 30. August 2016) verzeichnet insoweit, dass der Kläger am 10. Juni 2016 “als arbeitsunfähig„ entlassen wurde. E...

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