Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitwirkungspflicht des Versicherten bei Feststellung der Arbeitsunfähigkeit

 

Orientierungssatz

1. Prozesskostenhilfe darf nur verweigert werden, wenn die Klage völlig aussichtslos ist oder die Erfolgschance nur eine Entfernte ist.

2. Die Krankenkasse darf den Anspruch auf Krankengeld auf der Grundlage des § 66 Abs. 1 SGB 1 ablehnen, wenn der Versicherte an der Tatbestandsvoraussetzung "Arbeitsunfähigkeit" nicht mitwirkt.

3. Der Versicherte genügt seiner Mitwirkungspflicht mit dem Angebot gegenüber der Krankenkasse, sich durch den MDK untersuchen zu lassen.

 

Tenor

Der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 23. August 2005 wird aufgehoben.

Der Klägerin wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Berlin Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin M. K., I.straße, B. beigeordnet .

 

Gründe

I. Zum Sachverhalt verweist der Senat zunächst auf die Darstellung im Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 23. August 2005.

Der zuerst behandelnde Orthopädie, Dr. M, hatte auf den Auszahlungsscheinen für Krankengeld am 18. Oktober 2002 und am 06. November 2002 jeweils Arbeitsunfähigkeit “bis auf weiteres„ bescheinigt (“BAW„). Im nächsten Auszahlungsschein (mit Datum 14. November 2002) attestierte er zunächst am 21. November 2002 durch entsprechendes Ankreuzen eine noch bestehende Arbeitsunfähigkeit und beantwortete die Frage “ggf. voraussichtlich bis„ mit “baw„. Laut Eingangsstempel reichte die Klägerin diesen Auszahlungsschein am 02. Dezember 2002 bei der Beklagten ein. Wohl durch die Sachbearbeiterin der Beklagten ist daraufhin handschriftlich im Original “Bitte lassen Sie sich den letzten Tag Ihrer Arbeitsunfähigkeit bestätigen u. füllen Sie bitte die Erklärung des Leistungsberechtigten aus. Vielen Dank.„ eingefügt worden. Mit hellblauem Marker ist hierfür im Feld für den Arzt die Frage “Letzter Tag der Arbeitsunfähigkeit„ sowie für die Klägerin die auszufüllende Erklärung des Leistungsberechtigten markiert worden.

Mit blauem Kugelschreiber - im Gegensatz zu den anderen Buchstaben und Zeichen, welche mit schwarzem Kugelschreiber geschrieben wurden - ist in das Kästchen neben der Frage letzter Tag der Arbeitsunfähigkeit ebenfalls “baw„ eingefügt worden.

Die Beklagte akzeptierte diese Ergänzung.

Mit Schreiben vom 18. Dezember 2002 forderte sie die Klägerin erstmals auf, sich vom MDK untersuchen zu lassen. In dem Schreiben heißt es: “Bei unentschuldigtem Fernbleiben ist die Entgeltfortzahlung gefährdet; die Krankenkasse kann das Krankengeld ganz oder teilweise versagen oder entziehen, solange sie ohne wichtigen Grund der Einladung nicht nachkommen (§ 66 Sozialgesetzbuch I)„.

Auch beim nächsten Auszahlungsschein vom 06. Januar 2003 benannte Dr. M am 10- Januar 2003 kein Ende der Arbeitsunfähigkeit (“b.a.w„ bzw. “?„). Entsprechendes gilt für die Bescheinigungen vom 30. Januar 2003 und vom 21. Februar 2003.

Mit Schreiben vom 21. Februar 2003, welches an die alte Anschrift der Klägerin gerichtet war, lud die Beklagte die Klägerin zur Vorstellung beim MDK am 11. März 2003 ein. Die Klägerin erschien dort nicht. Mit Schreiben vom 12. März 2003 - jetzt gerichtet an die neue Anschrift - bat die Beklagte die Klägerin zur Vorstellung am 27. März 2003. In dem Schreiben heißt es, “Wir möchten Sie darauf hinweisen, dass Sie mit erneutem unbegründetem Nichterscheinen zur Untersuchung beim MDK Ihrer Mitwirkungspflicht nach § 62 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) nicht nachkommen würden. Als Folge würde Ihnen das Krankengeld mit Ablauf des 27. März 2003 versagt werden (§ 66 SGB I).„

Auch im Auszahlungsschein vom 24. Februar 2003 bescheinigte Dr. M am 14. März 2003 eine Arbeitsunfähigkeit “BAW„.

In ihren Widerspruchsschreiben vom 23. April 2003 erklärte die Klägerin, die Vorladungsschreiben nicht erhalten zu haben. Sie trägt in diesem Zusammenhang unbestritten vor, es habe sie eine Mitarbeiterin angerufen, ob sich die Adresse geändert habe, denn es sei Post zurückgekommen. Die Beklagte habe ihr mitgeteilt, sie solle kurzfristig vom MDK untersucht werden.

Ausweislich eines Gesprächsvermerkes der Beklagten telefonierte die Sachbearbeiterin am 8. Mai 2003 mit der Klägerin und forderte sie auf, eine Bescheinigung durchgehender Arbeitsunfähigkeit ab 14. März 2003einzuholen.

Ein weiteres Telefonat fand am 4. Juni 2003 statt, in welchem der Klägerin unter anderem erläutert wurde, dass sie kein Krankengeld mehr erhalte.

Im ärztlichen Attest vom 14. August 2003 des Dr. F heißt es, die Klägerin sei seit dem 08. August 2002 arbeitsunfähig.

Mit Beschluss vom 23. August 2005 hat das Sozialgericht Berlin den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung durch die Klägerin sei mutwillig, soweit die Beklagte den gegen sie geltend gemachten Anspruch anerkannt habe. Im Übrigen bestünde keine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 73 a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung (ZPO). Ein Anspruch auf Zahlung von Krankengeld nach § 44 Abs...

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