Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirtschaftsausschuß; Beschäftigungsgesellschaft; Arbeitnehmer

 

Leitsatz (amtlich)

Ein – ohne Absicht der Gewinnerzielung betriebenes – Unternehmen, dessen Zweck die berufliche Integration von Sozialhilfeempfängern als Träger der Hilfe zur Arbeit nach § 18 BSHG ist, ist ein karitativer Tendenzbetrieb nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, wenn Ziel ist, Personen mit besonderen Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt Hilfe zu bieten, indem sie die berufliche Qualifikation, soziale Integration und persönliche Stabilisierung dieser Personen fördert. Maßgeblich ist das Ziel der Integration.

Ein solcher Arbeitgeber kann auf den Tendenzschutz in einem Haustarifvertrag verzichten. Die Personen, die im Rahmen der Hilfe zur Arbeit (HzA) nach § 19 BSHG beschäftigt werden, sind nicht als Arbeitnehmer bei der Ermittlung der Beschäftigtenzahl nach § 106 BetrVG zu zählen, gleichgültig, ob sie das übliche Arbeitentgelt (§ 19 Abs. 2, 1. Alt BSHG) oder Hilfe zum Lebensunterhalt mit Mehraufwandsentschädigung (§ 19 Abs. 2, 2. Alt. BSHG) erhalten. Es handelt sich in beiden Fällen um eine Maßnahme der Eingliederung in das Arbeitsleben.

 

Normenkette

BetrVG §§ 106, 118 Abs. 1, § 3; BSHG § 19 Abs. 2; SGB III § 231; BBiG 1 Abs. 5, 1. Alt

 

Verfahrensgang

ArbG Kiel (Zwischenurteil vom 21.07.1999; Aktenzeichen 4 BV 24 b/99)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Kiel vom 21.7.1999 – 4 BV 24 b/99 – abgeändert und der Antrag abgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Einsetzung eines Wirtschaftsausschusses.

Die Antragsgegnerin führt als gemeinnützige Gesellschaft im Sinne der §§ 51 ff. Abgabenordnung (AO) Maßnahmen zur beruflichen Integration von Kieler Sozialhilfeempfängern durch. Sie ist im Zuständigkeitsbereich des Sozialamtes der Landeshauptstadt Kiel alleiniger Durchführungsträger der „Hilfe zur Arbeit” nach §§ 18 ff. BSHG. An ihr sind die Landeshauptstadt Kiel mit 80 %, das Bildungswerk der DAG e.V. sowie das Berufsfortbildungswerk der DGB GmbH zu jeweils 10 % beteiligt. Der Gesellschaftsvertrag vom 29.03.1994 bestimmt in § 3 zum Gegenstand folgendes:

Gegenstand des Unternehmens ist es, Personen mit besonderen Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt, Hilfen zu bieten.

Dieser Personenkreis setzt sich wie folgt zusammen:

  • • Empfängerinnen von Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) und Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) im Rahmen der Durchführung der „Hilfe zur Arbeit” nach den §§ 19, 20 BSHG
  • • sonstige Langzeitarbeitslose
  • • Personen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten
  • • Frauen, die an der (Wieder-)Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gehindert sind
  • • Schwerbehinderte
  • • Arbeitslose ohne angemessene Qualifikation
  • • Jugendliche mit besonderen Problemen
  • • Personen mit Erwerbsminderung

In § 4 heißt es unter anderem:

  1. Die Gesellschaft verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne des Abschnitts „Steuerbegünstigte Zwecke” der Abgabenordnung.
  2. Zweck des Unternehmens ist es, die berufliche Qualifikation, die soziale Integration und die persönliche Stabilisierung des in § 3 genannten Personenkreises zu fördern.

In der Rahmenvereinbarung zwischen der Landeshauptstadt Kiel und der Antragsgegnerin in der Fassung vom 28.05.1998/05.06.1998 heißt es unter § 2 (Bl. 34 d. A.):

Gegenstand und Zweck der K GmbH

Gegenstand des Unternehmens ist es, Personen mit besonderen Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt, Hilfen zu bieten.

Zweck des Unternehmens ist es, die berufliche Qualifikation, die soziale Integration und die persönliche Stabilisierung dieser Personen durch den Abschluß befristeter Arbeits- und Ausbildungsverhältnisse oder durch andere Hilfen zu fördern.”

Der Tarifvertrag der ÖTV mit der Antragsgegnerin gemäß § 3 BetrVG sieht in § 10 (Bl. 17 d. A.) vor, daß § 118 BetrVG nicht Anwendung finde.

Bei der Antragsgegnerin werden nach dem Stand Februar 1999 ca. 600 Personen geführt, und zwar wie folgt:

Mitarbeiter im sog. Stamm ohne Förderung

31

Mitarbeiter im sog. Stamm mit Förderung

26

ABM-Kräfte

22

Mitarbeiter über Lohnkostenzuschüsse vom Arbeitsamt

3

sog. HzA-Kräfte

361

darunter Auszubildende mit einem Ausbildungsvertrag nach dem BBiG ca.

80

Mitarbeiter über Mehraufwandsentschädigung gem. § 19 Abs. 2, 2. Alt. BSHG

53

Lohnkostenerstattungsfälle, die bei anderen Arbeitgebern beschäftigt werden und von der Antragsgegnerin die Erstattungsleistung im Auftrag der Landeshauptstadt Kiel erhalten, ca.

100

Die Mitarbeiter im Stamm mit Förderung werden projektfinanziert und sind nicht ausschließlich in anleitender Funktion tätig. Die sog. HzA-Kräfte (Hilfe zur Arbeit) sind der Antragsgegnerin nach §§ 18 ff. BSHG von der Landeshauptstadt Kiel zugewiesen. Für ihre Beschäftigung erhält die Antragsgegnerin Erstattung der Personal-, nicht aber der Sachkosten. Die ebenfalls als HzA-Kräfte geführten Auszubildenden haben einen bei der Handwerkskammer bzw. der IHK eingetragenen Ausbildungsvertrag abgeschlossen. Die Kammer bewertet die Ausbildung ...

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