Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit. Wartezeitkündigung und Kündigungsanlass des Arbeitgebers

 

Leitsatz (redaktionell)

Auch wenn ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers besteht, so hat hier der Arbeitgeber den gegen ihn bestehenden Anscheinsbeweis dadurch entkräftet, dass auch schon in der Anhörung beim Betriebsrat ausschließlich die Kündigung während der Probezeit erfolgen sollte.

 

Normenkette

EFZG § 8 Abs. 1; KSchG § 1 Abs. 1; GG Art. 12 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Mainz (Entscheidung vom 20.01.2021; Aktenzeichen 4 Ca 1043/20)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 20. Januar 2021, Az. 4 Ca 1043/20, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
  2. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall aus übergegangenem Recht in Anspruch.

Die Beklagte ist ein Unternehmen der Nährmittelindustrie; sie beschäftigt in ihrem Werk O. über 400 Arbeitnehmer. Der bei der Klägerin gesetzlich krankenversicherte Arbeitnehmer P. (geb. 1997) wurde von der Beklagten mit Wirkung ab 01.06.2019 als Elektroniker eingestellt. Die ursprünglich vereinbarte Probezeit von drei Monaten wurde in einer Vereinbarung vom 15.08.2019 auf sechs Monate ab Tätigkeitsaufnahme verlängert. Der Arbeitnehmer war vom 28.10. bis zum 08.12.2019 arbeitsunfähig erkrankt. Mit Anhörungsbogen vom 30.10.2019, eingegangen am 04.11.2019, hörte die Beklagte ihren Betriebsrat zur beabsichtigten Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der tariflichen Kündigungsfrist von sieben Tagen in der Probezeit an und führte zur Begründung aus, der Arbeitnehmer habe "die in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllt". Der Betriebsrat widersprach der Kündigung am 07.11.2019 ohne Begründung und erklärte außerdem, er werde abschließend keine Stellungnahme abgeben. Mit Schreiben vom 11.11.2019 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 19.11.2019. Die Klägerin leistete an den Arbeitnehmer für die Zeit vom 20.11. bis zum 08.12.2019 Krankengeld in Höhe von € 1.341,78 (€ 70,62 x 19 Tage). Diesen Betrag fordert sie von der Beklagten aus übergangenem Recht mit der Begründung, die Kündigung sei iSd. § 8 Abs. 1 Satz 1 EFZG aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit erfolgt.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie € 1.341,78 zuzüglich Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basissatz seit dem 29.06.2020 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat im Schriftsatz vom 05.10.2020 vorgetragen, sie habe dem Arbeitnehmer in der gesetzlichen Wartezeit gekündigt, weil er die in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllt habe. Er sei den Anforderungen nicht gerecht geworden. In einem Gespräch am 23.07.2019 sei er auf die mangelnde Arbeitsqualität angesprochen worden; ihm sei aufgegeben worden, diese auf ein besseres Niveau zu bringen. In einer Schulung zum Thema Gefährdungsbeurteilung sei er während einer Besprechung zum wiederholten Male eingeschlafen. Im weiteren Verlauf des Arbeitsverhältnisses habe er einen Sicherheitsfehler begangen, indem er eine defekte Leitung blank auf dem Boden der Müllpresse liegen gelassen und nicht repariert habe. Die Leitung sei auch nicht abgeschaltet worden. Aufgrund dieser Vorkommnisse sei die vereinbarte Probezeit auf sechs Monate verlängert worden. Ende August 2019 habe der Arbeitnehmer jedoch einen weiteren schwerwiegenden technischen Fehler begangen, der zu enormen Kosten geführt hätte, wenn er nicht entdeckt worden wäre. Bei einer "Rinser-Wartung" sei das Netzteil der Ionisierungsstäbe zu Wartungszwecken abgesteckt, jedoch nicht mehr in Betrieb genommen worden. Nach diesem Vorfall Ende August 2019 sei mit dem Arbeitnehmer ein Kritikgespräch geführt worden. Der Fall sei von der Fachabteilung an die Personalabteilung weitergegeben worden, um die Kündigung einzuleiten. Im Schriftsatz vom 23.12.2020 hat die Beklagte weiter vorgetragen, nach dem Vorfall Ende August 2019 sei der Arbeitnehmer Ende September 2019 in einem Gespräch auf weitere Arbeitsmängel hingewiesen worden. So sei zum Beispiel trotz Wartungsarbeiten im Anlagenbereich kein LOTO-Schloss am Palettierer angebracht worden. Auch sei die Müllpresse trotz defekter Zuleitung nicht abgeschaltet worden. Diese Vorfälle im September 2019 hätten letztendlich den Ausschlag gegeben, das Arbeitsverhältnis nicht weiter führen zu wollen. Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils vom 20.01.2021 Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung - zusammengefasst - ausgeführt, die Klägerin sei dafür beweisfällig geblieben, dass die Beklagte das Arbeitsverhältnis aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit iSv. § 8 Abs. 1 Satz 1 EFZG gekündigt habe. Die Beklagte habe geltend gemacht...

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