Entscheidungsstichwort (Thema)

Alkohol. Krankheit. Kündigung. Rückfall. Therapie. Versetzung. Zukunftsprognose. außerordentliche Kündigung wegen Alkoholsucht

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Arbeitgeber muss einer alkoholkranken Arbeitnehmerin, die ordentlich unkündbar ist, vor Ausspruch einer außerordentlichen personenbedingten Kündigung die Durchführung einer stationären Entziehungstherapie ermöglichen.

 

Normenkette

BGB § 626 Abs. 1; GewO § 106; TVöD § 34 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Kaiserslautern (Urteil vom 06.07.2010; Aktenzeichen 4 Ca 293/09)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern – Auswärtige Kammern Pirmasens – vom 6. Juli 2010, Az.: 4 Ca 293/09, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Änderungskündigung der Beklagten vom 16.03.2009 mit sozialer Auslauffrist zum 30.09.2009 sowie über die Wirksamkeit einer Versetzung.

Die Beklagte betreibt ein Krankenhaus mit ca. 920 Arbeitnehmern, darunter etwa 400 Mitarbeitern (nach Kopfzahl) im Pflegedienst. Die am 24.04.1953 geborene, verheiratete Klägerin ist von der Beklagten am 01.04.1990 als Kinderkrankenschwester eingestellt worden. Seit dem 30.11.1992 wird sie als stellvertretende Pflegedirektorin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) einschließlich des Besonderen Teils für Krankenhäuser (TVöD-K) Anwendung. Die Klägerin erhält nach Entgeltgruppe 11 TVöD-K eine monatliche Vergütung von ca. EUR 4.300,00 brutto.

Die Klägerin fehlte im Jahr 2006 an 183 Kalendertagen, im Jahr 2007 an 32 Kalendertagen und im Jahr 2008 an 54 Kalendertagen krankheitsbedingt. Im Jahr 2006 zog sie sich einen Bruch des Sprunggelenks, im Jahr 2008 einen Armbruch zu. Beide Brüche führt die Beklagte auf Stürze unter Alkoholeinfluss zurück. Am 08.10.2008 führte sie mit der Klägerin wegen des Verdachts einer Alkoholabhängigkeit ein Mitarbeitergespräch im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements. Die Klägerin räumte ihre Alkoholkrankheit ein und versicherte, sich in eine ambulante Suchttherapie zu begeben. Seit dem 15.10.2008 besuchte sie regelmäßig einmal wöchentlich die Fachstelle Sucht der Diakonie in Y-Stadt.

Am 06.03.2009 veranstaltete die Beklagte ein Betriebsfest. Die Klägerin trank Alkohol. Es ist zwischen den Parteien streitig, ob sie jede Kontrolle und Orientierung verloren hat. Seit dem 09.03.2009 ist die Klägerin ununterbrochen arbeitsunfähig erkrankt.

Nach Zustimmung des Betriebsrates entband die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 16.03.2009 (Bl. 19.d.A.) mit sofortiger Wirkung von ihrer Funktion als stellvertretende Pflegedirektorin und versetzte sie als Krankenschwester zur Pflegeeinheit 33. Auf dieser geburtshilflich-gynäkologischen Station sind gesunde Neugeborene und ihre Mütter sowie Frauen mit gynäkologischen Erkrankungen untergebracht.

Ebenfalls mit Schreiben vom 16.03.2009 (Bl. 14. d.A.) und nach Anhörung des Betriebsrates erklärte die Beklagte eine außerordentliche Änderungskündigung mit sozialer Auslauffrist zum 30.09.2009. Sie bot der Klägerin gleichzeitig an, sie ab dem 01.10.2009 als Krankenschwester mit einer Vergütung nach Entgeltgruppe 7a TVöD-K weiterzubeschäftigen. Die Entgeltdifferenz zwischen E 11 und E 7a beträgt EUR 1.379,95 brutto monatlich. Die Klägerin hat das Angebot rechtzeitig unter Vorbehalt angenommen und am 06.04.2009 Kündigungsschutzklage erhoben. Außerdem macht sie die Unwirksamkeit der Versetzung geltend.

In der Zeit vom 15.04.2009 bis zum 07.05.2009 wurde die Klägerin stationär in der psychosomatischen Abteilung des Evangelischen Krankenhauses E-Stadt behandelt. Vom 02.11.2009 bis zum 22.02.2010 unterzog sie sich einer stationären Entwöhnungsbehandlung in der Z. Klinik F-Stadt. Sie wurde arbeitsunfähig entlassen.

Von einer wiederholenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf die Zusammenfassung im Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern – Auswärtige Kammern Pirmasens – vom 06.07.2010 (dort Seite 3-8 = Bl. 140-147 d. A.) Bezug genommen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die außerordentliche Änderungskündigung vom 16.03.2009 sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist,

festzustellen, dass die Versetzung vom 16.03.2009 rechtswidrig ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 06.07.2010 der Klage stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Versetzung vom 16.03.2009 sei unwirksam. Der öffentliche Arbeitgeber könne einer Arbeitnehmerin im Rahmen seines Direktionsrechts nur solche Tätigkeiten zuweisen, die den Merkmalen ihrer im Arbeitsvertrag genannten Vergütungsgruppe entsprechen. Daher sei die Versetzung vom 16.03.2009 nicht vom Direktionsrecht der Beklagten gedeckt. Di...

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