Entscheidungsstichwort (Thema)

Gutschrift von Urlaubstagen bei fehlendem Widerspruch gegen mitbestimmungswidrige Urlaubsanordnung der Arbeitgeberin. Unwirksame Anordnung von Betriebsurlaub am Jahresende im Bereich der Bayerischen Metallindustrie

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bleibt der Arbeitnehmer auf Urlaubsgewährung hin von der Arbeit fern, ist in der Regel von einer "Akzeptanz" der Urlaubsgewährung auszugehen mit der Folge, dass der Urlaub als eingebracht gilt.

2. Dies gilt nur dann nicht, wenn die Urlaubsanordnung des Arbeitgebers - etwa wegen fehlender Zustimmung des Betriebsrats in Fällen kollektiven Bezugs (hier: Betriebsurlaub am 24.12. und 31.12.) - unwirksam ist und ein Widerspruch des Arbeitnehmers überflüssig erscheint.

3. Ein vom Betriebsratsvorsitzenden unterzeichneter Aushang des Arbeitgebers stellt nur dann eine förmliche Betriebsvereinbarung dar, wenn dieser Aushang gleichzeitig Vertragsqualität hat. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn mit dem Aushang lediglich auf eine vermeintlich bereits bestehende Rechtslage hingewiesen wird.

4. Eine gekündigte Regelungsabrede wirkt in der Regel nicht entsprechend § 77 Abs. 6 BetrVG nach. In jedem Fall ist die Nachwirkung ausgeschlossen, wenn die Kündigung bewirkt, dass zum "Normalzustand" zurückzukehren ist. In diesem Fall ist dem Arbeitgeber die einseitige Urlaubsanordnung in Fällen kollektiven Bezugs nicht mehr gestattet.

5. Nach den Bestimmungen des Manteltarifvertrages für die bayerische Metall- und Elektroindustrie ist die einseitige Festlegung von Betriebsurlaub für 24.12. und 31.12. im Hinblick auf die dort angeführten detaillierten Regelungen zu Vor- und Nacharbeit unzulässig.

 

Normenkette

BUrlG § 7 Abs. 1; BetrVG § 77 Abs. 6, § 87 Abs. 1 Nr. 5; MTV BayMetallindustrie § 2 Nr. 2; MTV Bayerische Metallindustrie § 2 Nr. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Weiden (Entscheidung vom 08.10.2013; Aktenzeichen 5 Ca 677/13)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Weiden, Kammer Schwandorf, vom 08.10.2013, Az. 5 Ca 677/13, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziff. 1 des arbeitsgerichtlichen Tenors lautet wie folgt:

"Die Beklagte wird verurteilt, der Klagepartei auf dem Urlaubskonto zwei Urlaubstage aus dem Kalenderjahr 2012 gutzuschreiben."

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

1. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Arbeitnehmerin zwei Urlaubstage gutzuschreiben sind, weil die Anordnung der Arbeitgeberin, Urlaub einzubringen, unwirksam gewesen ist.

Die Klägerin ist bei der Beklagten seit dem Jahr 2000 als Maschinenbedienerin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden die zwischen der IG Metall und dem Verein der Bayerischen Metallindustrie bzw. dem Gesamtverband der metallindustriellen Arbeitgeberverbände e.V. für die Bayerische Metallindustrie abgeschlossenen und gültigen Tarifverträge aufgrund eines Anerkennungstarifvertrages in ihrer jeweiligen Fassung Anwendung (Werktarifvertrag als Anlage zur Klageschrift, Bl. 5 ff. d.A.).

Im Manteltarifvertrag vom 23.06.2008, gültig ab 01.07.2008, finden sich, soweit vorliegend von Interesse, folgende Regelungen (TR 5/10 - 300 ab 145):

§ 2 Regelmäßige Arbeitszeit

Ziff. 1 ...

Ziff. 2 (I) Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit sowie die Pausen werden mit dem Betriebsrat unter Berücksichtigung der betrieblichen Verhältnisse vereinbart.

Im Nichteinigungsfall ist gem. § 23 Abschn. D zu verfahren.

(II) Die Arbeitszeit am 24. und 31. Dezember endet jeweils um 12 Uhr, es sei denn, dass bei Vorliegen besonderer betrieblicher Verhältnisse mit dem Betriebsrat eine andere Regelung vereinbart wird. Die ausfallende Arbeitszeit ist zu vergüten.

Im Nichteinigungsfall kann gem. § 23 Abschn. D verfahren werden.

Ziff. 3 (I) Nach Vereinbarung mit dem Betriebsrat kann an Werktagen vor und nach gesetzlichen Feiertagen, sowie aus besonderen Anlässen der Betrieb geschlossen werden.

Im Nichteinigungsfall kann gem. § 23 Abschn. D verfahren werden.

(II) Die an einzelnen Tagen ausfallenden Arbeitsstunden können nach Vereinbarung mit dem Betriebsrat innerhalb eines Zeitraumes von 10 Wochen vor- bzw. nachgearbeitet werden; Ausfallzeit im Zusammenhang mit einer Betriebsschließung in der Weihnachtszeit (24. Dezember bis 6. Januar) kann jedoch in der Zeit zwischen 1. Oktober bis 28. Februar des folgenden Jahres vor- bzw. nachgearbeitet werden. Die Vor- und Nacharbeit ist zuschlagsfrei.

Im Nichteinigungsfall kann gem. § 23 Abschn. D verfahren werden.

Einer Vereinbarung mit dem Betriebsrat bedarf es nicht, wenn einzelne Arbeitnehmer ausgefallene Arbeitsstunden in der laufenden bzw. der folgenden Woche vor- bzw. nacharbeiten.

...

Ziff. 7 Der Anspruch auf Urlaub erlischt drei Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres, es sei denn, dass erfolglos geltend gemacht wurde.

Anmerkung zu § 2 Ziff. 2 (II)

Grundsätzlich endet die Arbeit am 24. und 31. Dezember jeweils um 12 Uhr. Abweichende Regelungen sind nur durch Betriebsvereinbarung möglich. Die Abweichung kann sowohl einen frü...

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