Leitsatz (amtlich)

Nimmt ein Betriebsratamitglied während des Betriebsurlaubs an einer Schulungsveranstaltung nach § 37 Abs. 7 BetrVG teil, so ist der Urlaubsanspruch für diese Zeit nicht erfüllbar. Der Erholungsurlaub muß deshalb insoweit nachgewährt werden.

 

Verfahrensgang

ArbG Marburg (Urteil vom 13.01.1989; Aktenzeichen 2 Ca 537/88)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Marburg vom 13. Januar 1989 – 2 Ca 537/88 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die in die Zeit des Betriebsurlaubs fallende Betriebsräteschulung auf den Erholungsurlaub anzurechnen ist.

Der Kläger, der Mitglied des Betriebsrates ist, ist bei der Beklagten als Maschinenbediener mit einer Monatsvergütung von ca. 2.400,– DM brutto beschäftigt.

Durch Betriebsvereinbarung von 25. November 1987 wurde der Betriebsurlaub für 1988 auf die Zeit vom 1.–19. August 1988 festgelegt. An 6. Juli 1988 teilte der Betriebsratsvorsitzende der Beklagten mit, daß der Kläger in der Zeit vom 7. bis einschließlich 19. August 1988 an einer Schulungsveranstaltung der TG Metall nach § 37 Abs. 7 BetrVG mit dem Thema „Arbeitnehmer im Betrieb, Funktionsträger II” teilnehmen werde. Die Beklagte wies den Betriebsratsvorsitzenden und den Kläger darauf hin, daß es Privatsache des Klägers sei, während des Betriebsurlaubs Seminare zu besuchen. Die Zeit der vom Kläger wahrgenommenen Bildungsveranstaltung rechnete die Beklagte deshalb auf den Betriebsurlaub an. Mit seiner Klage verlangt der Kläger die „Nachgewährung” von 10 Urlaubstagen für das Jahr 1988.

Der Kläger hat geltend gemacht, beim Zusammentreffen von Erholungsurlaub und Bildungsurlaub nach § 37 Abs. 7 BetrVG dürfe mangels entsprechender Erholung während dieser Zeit eine Verrechnung nicht stattfinden. Der Betriebsrat sei berechtigt, auch während des Betriebsurlaubs Bildungsveranstaltungen festzulegen, soweit nicht betriebliche Belange entgegenstünden.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, den Kläger für das Jahr 1988 weitere 10 Tage Urlaub bis zum 31. März 1989 zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vornetragen, aufgrund der zwischen den Betriebspartnern vereinbarten Betriebsferien sei der Urlaubszeitpunkt und die Fälligkeit des Urlaubs für jeden Arbeitnehmer festgelegt worden. Dadurch sei für den Kläger eine Bindung eingetreten, die nicht einseitig beseitigt werden könne. Außerdem führe dies zur Begünstigung von Betriebsratsmitgliedern, weil durch Schulungsmaßnahmen während des Betriebsurlaubs die Möglichkeit eröffnet würde, über den Jahresurlaub frei verfügen zu können.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 13. Januar 1989 mit dem sich aus Bl. 34–38 d.A. ersichtlichen Gründen der Klage stattgegeben.

Gegen dieses ihr am 7. Februar 1989 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 6. März 1989 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 14. April 1989 am 11. April 1989 begründet. Die Beklagte trägt ergänzend zu ihrem erstinstanzlichen Vorbringen vor, Sinn des Feststellungsanspruchs nach § 37 Abs. 7 BetrVG sei es, dem Betriebsrat die Teilnahme an Schulungsveranstaltungen während der Arbeitszeit zu ermöglichen. Besuche der Arbeitnehmer während des Urlaubs eine Schulungsveranstaltung, so lasse dies den Anspruch auf. Freistellung unberührt. Dabei handele es sich um eine Freistellung von sonst zu erbringender Arbeitsleistung. Dies sei bei in diese Zeit fallenden Betriebsurlaub nicht möglich. Außerdem habe ein durch Betriebsvereinbarung einheitlich festgelegter Betriebsurlaub nur Sinn, wenn nicht einzelne Arbeitnehmer erreichen könnten, über den Erholungsurlaub anderweitig zu bestimmen. Der einmal beantragte Urlaub könne nicht von dem Kläger einseitig widerrufen werden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Marburg vom 13. Januar 1989 – Az.: 2 Ca 537/88 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dem Kläger für das Jahr 1988 weitere 10 Tage Urlaub zu gewähren.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die nach der Beschwer statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet.

I.

Die Klage ist zulässig. Der Kläger hat in der mündlicher Verhandlung vor der Berufungskammer klargestellt, daß er die Gewährung von 10 Urlaubstagen begehrt, und zwar nicht begrenzt auf die Zeit bis zum 31. März 1989. Damit ist die Klage nicht auf eine unmögliche Leistung gerichtet. Der Urlaubszeitpunkt ist nicht bestimmt, so daß die Urlaubsgewährung noch in Betracht kommt. Das Verfahrensziel des Klägers geht dahin, ihm noch 10 Tage Resturlaub aus dem Jahre 1988 nachträglich unabhängig von dem Urlaubsanspruch für die folgenden Jahre zu gewähren.

II.

Dem Kläger ...

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