Entscheidungsstichwort (Thema)

Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts eines auf das Erreichen der Regelaltersgrenze befristeten Arbeitsvertrages. Zulässigkeit des einmaligen sachgrundlosen Hinausschiebens der Altersgrenze um sechs Monate

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts eines auf das Erreichen der Regelaltersgrenze befristeten Arbeitsvertrages nach § 41 Satz 3 SGB VI erfordert, dass sich die Laufzeit des Verlängerungsvertrages nahtlos anschließt.

2. Jedenfalls eine Änderung der Vertragsbedingungen, die erst im Laufe des Verlängerungszeitraums erfolgt, ist für die Wirksamkeit der Befristungsabrede unschädlich.

3. Zumindest das einmalige sachgrundlose Hinausschieben der Altersgrenze um sechs Monate aufgrund von § 41 Satz 3 SGB VI ist durch Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG gedeckt.

 

Normenkette

BGB § 611; EGRL 78/2000 Art. 6 Abs. 1; SGB VI § 41 S. 3; TV L § 44 Nr. 4; TzBfG § 14 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Göttingen (Entscheidung vom 13.01.2016; Aktenzeichen 3 Ca 395/15 Ö)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 19.12.2018; Aktenzeichen 7 AZR 70/17)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Göttingen vom 13. Januar 2016 - 3 Ca 395/15 Ö - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Befristung ihres Arbeitsverhältnisses.

Hinsichtlich des erstinstanzlichen Vorbringens nebst Anträgen und der Würdigung, die jenes Vorbringen dort erfahren hat, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Göttingen vom 13. Januar 2016 - 3 Ca 395/15 Ö - (Bl. 68 bis 74 d. A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt: Das Arbeitsverhältnis der Parteien sei zunächst wirksam auf das Erreichen der Regelaltersgrenze zum 31. Januar 2015 befristet worden. Auch die am 20. Januar 2015 vereinbarte befristete Verlängerung bis zum 31. Juli 2015 sei rechtlich nicht zu beanstanden; sie halte die Voraussetzungen für das Hinausschieben des Beendigungszeitpunktes gemäß § 41 Satz 3 SGB VI ein. Die Verlängerungsvereinbarung sei vor dem eigentlichen Ende des Arbeitsverhältnisses geschlossen worden. Die Erhöhung der Arbeitszeit während des Verlängerungszeitraums sei unschädlich, weil zum einen § 41 Satz 3 SGB VI eine Abänderung der Arbeitsbedingungen nicht verbiete und zum anderen die Erhöhung der Wochenarbeitszeit erst später, nämlich am 4. März 2015, vereinbart worden sei. Die Vorschrift des § 41 Satz 3 SGB VI sei auch unionsrechtskonform. Das zeitlich befristete Hinausschieben des Beendigungszeitpunktes sei für die betroffenen Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse anderenfalls bereits mit Erreichen des Rentenalters geendet hätten, ausschließlich vorteilhaft und stelle keine Benachteiligung wegen des Lebensalters dar. Der Rentenanspruch rechtfertige es, die Verlängerung für einen befristeten Zeitraum auch ohne Sachgrund zu erlauben. Daher könne vorliegend dahingestellt bleiben, ob dem beklagten Land für die Befristung daneben der Sachgrund des § 14 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 6 TzBfG zur Seite stehe.

Gegen das ihm am 3. Februar 2016 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger am 1. März 2016 Berufung eingelegt und diese innerhalb der verlängerten Frist am 4. Mai 2016 begründet.

Die Berufung führt aus: Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht die Voraussetzungen des § 41 Satz 3 SGB VI für gegeben erachtet. Der Kläger habe ab Beginn des Verlängerungszeitraums ausnahmslos die höhere Stundenzahl erbracht. Die darin liegende Inhaltsänderung des Arbeitsverhältnisses sei als Neuabschluss zu betrachten, was dem sachgrundlosen Hinausschieben der Beendigung entgegenstehe. Es habe sich nicht um die bloße Anordnung von Überstunden gehandelt, zumal eine solche gegenüber dem schwerbehinderten Kläger rechtswidrig gewesen wäre. Die weitere Befristung sei auch nicht auf dessen Wunsch erfolgt; wäre ihm die Wahl geblieben, so hätte er sich für die unbefristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses entschieden. Die Vorschrift des § 41 Satz 3 SGB VI verstoße zudem gegen Unionsrecht. Die in der Norm vorgesehene beliebig lange und häufige Befristung sei zur Erreichung der mit ihr angestrebten Ziele nicht angemessen und erforderlich. Auch bei Altersrentenbezug seien Arbeitnehmer auf Planungssicherheit angewiesen, zumal die Altersrenten zunehmend gekürzt würden. Die Befristung sei schließlich nicht durch einen Sachgrund gerechtfertigt, insbesondere nicht durch eine konkrete Personalplanung des beklagten Landes.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern und festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristungsvereinbarung vom 20. Januar 2016 mit Ablauf des 31. Juli 2015 geendet hat.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Es macht geltend, die Verlängerung sei dem Kläger erst auf dessen mehrfach und drängend vorgetragenen Wunsch gewährt worden; er selbst habe mit der durch § 41 Satz 3 SGB VI eröffneten Möglichkeit argumentie...

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