Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweilige Verfügung im Arbeitskampf. Streik beim Blutspendendienst. Gemeinwohl. Notfallversorgung. Notfallregelung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Werden durch Maßnahmen des Arbeitskampfs Gemeinwohlbelange ernsthaft gefährdet (Beeinträchtigung der Notfallversorgung durch Streik beim Blutspendendienst), so können bei Fehlen einer Vereinbarung der Kampfparteien im Wege einer einstweiligen Verfügung streikbeschränkende Maßnahmen in Form einer gerichtlich angeordneten Notstandsregelung getroffen werden.

2. Als Gegenstand der gerichtlich verfügten Notstandsregelung kommt neben einer zeitlichen und/oder quantitativen Streikbeschränkung (Verbot des Vollstreiks) das Gebot an den bestreikten Arbeitgeber in Betracht, die unter dem Schutz der Notstandsregelung fortgeführte Produktion ausschließlich zur Notfallversorgung zu verwenden.

3. Um die Einhaltung des an den Arbeitgeber als Verfügungskläger und Vollstreckungsgläubiger gerichteten Gebots zu gewährleisten, kann die Vollziehung der gerichtlich angeordneten Streikbeschränkung davon abhängig gemacht werden, dass der Gläubiger – ähnlich den Regeln der Sicherheitsleistung – die Einhaltung des an ihn gerichteten Gebots durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft macht.

 

Normenkette

ZPO §§ 935, 940

 

Verfahrensgang

ArbG Münster (Urteil vom 09.01.2007; Aktenzeichen 3 Ga 2/07)

 

Tenor

Unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wird auf die Berufung der Verfügungsbeklagten das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 09.01.2007 – 3 Ga 2/07 – teilweise abgeändert:

1. Das vom Arbeitsgericht erlassene Streikverbot sowie die Verpflichtung zur Rücknahme des unbefristeten Streikaufrufs werden mit sofortiger Wirkung wie folgt eingeschränkt:

  1. Auf der Grundlage einer hiermit angeordneten Notstandsregelung bleiben Arbeitsniederlegungen im Bereich des Entnahmedienstes für die vom Arbeitsgericht festgelegte Dauer weiterhin untersagt, soweit hierdurch arbeitstäglich mehr als zwei der dienstplanmäßig für den Betrieb M2xxxxx vorgesehenen Blutspendensammeleinsätze betroffen sind.
  2. Soweit neben dem Entnahmedienst auch weitere Abteilungen/Bereiche des Betriebs M2xxxxx in den Arbeitskampf einbezogen werden, ist die aus der Anlage ersichtliche Notbesetzung zu gewährleisten. Zur Arbeit sind vorrangig arbeitswillige Arbeitnehmer heranzuziehen; soweit dies zur Aufrechterhaltung des Notdienstes nicht genügt, obliegt die Auswahl unter den streikwilligen Arbeitnehmern der Verfügungsbeklagten.
  3. Die Verwendung der aufgrund der Notstandsregelung gesammelten Blutspenden wird für die Geltungsdauer der Notstandsregelung wie folgt beschränkt: Die gesammelten Blutspenden dürfen allein zu Zwecken der Notfallversorgung sowie für solche ärztlichen Eingriffe abgegeben werden, von welchen auf der Grundlage der nachfolgenden Regelung davon auszugehen ist, dass sie nicht aufgeschoben werden können.

2. Zur Sicherung der vorstehenden Notstandsregelung und Verwendungsbeschränkung wird die Vollziehung der einstweiligen Verfügung davon abhängig gemacht, dass die Verfügungsklägerin durch eine – der Gegenseite zuzustellende – eidesstattliche Versicherung ihres gesetzlichen Vertreters glaubhaft macht, dass sie Blutkonserven für die Geltungsdauer der getroffenen Anordnung ausschließlich mit der Maßgabe abgibt, dass die Empfänger sich ihr gegenüber schriftlich verpflichten, die aktuell gelieferten Blutprodukte ausschließlich zu Zwecken der Notfallversorgung sowie für solche ärztlichen Eingriffe zu verwenden, welche aus medizinischen Gründen und/oder einzelfallbezogener Unzumutbarkeit für den Patienten nicht aufgeschoben werden können, solange die vorstehende Notstandsregelung Bestand hat.

3. Hinsichtlich der Kosten des ersten Rechtszuges bleibt es bei der arbeitsgerichtlichen Entscheidung. Die Kosten des zweiten Rechtszuges werden gegeneinander aufgehoben, auch soweit die Hauptsache für erledigt erklärt worden ist.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes über die Untersagung von Streikmaßnahmen.

Die Verfügungsklägerin betreibt in der Rechtsform einer gemeinnützigen GmbH einen Blutspendedienst mit Betrieben in M2xxxxx, H2xxx und R1xxxxxx/B7xxxxxxxxx. Sie deckt mit der Produktion von Blutpräparaten ca. 80% des von Krankenhäusern im Lande NRW benötigen Bedarfs an Blutkonserven ab.

Zwischen den Parteien des Rechtsstreits ist bisher kein Tarifvertrag abgeschlossen. Nach erfolgloser Aufforderung zu Tarifverhandlungen hatte die beklagte Gewerkschaft erstmals für den 05.07.2006 zu Warnstreiks an allen drei Standorten der Verfügungsklägerin mit dem Ziel aufgerufen, einen Haustarifvertrag abzuschließen. Durch Entscheidungen der Arbeitsgerichte Münster, Hagen und Düsseldorf wurde seinerzeit die Durchführung dieser Streiks mit der Begründung untersagt, durch den Streik werde die Versorgung der Krankenhäuser mit lebenswichtigen Blutpräparaten gefährdet. Nachdem die Parteien des Verfahrens Arbeitsgericht Münster 3 BVGa 03/06 im Rechtsmittelzuge die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt ...

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