Entscheidungsstichwort (Thema)

Unternehmerentscheidung. Betriebsübergang durch Rechtsgeschäft

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Entscheidung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, ihren Betrieb zu schließen, wird rechtswirksam durch die Geschäftsführer getroffen und durchgeführt, nicht durch die Gesellschafter. Sie bedarf deshalb nicht der Form und der Mehrheitsverhältnisse, die durch den Gesellschaftsvertrag für Beschlüsse der Gesellschafterversammlung vorgeschrieben sind.

2. Sind zwei Unternehmen Gesellschafter eines dritten und kündigt eines von ihnen den Gesellschaftsvertrag mit der Folge, daß das dritte Unternehmen liquidiert wird und seinen Betrieb aufgibt, so liegt kein Übergang dieses Betriebes „durch Rechtsgeschäft” vor, wenn eines der beiden Unternehmen durch eine von ihm beherrschte Tochtergesellschaft gegen den Willen seines bisherigen Mitgesellschafters alleine einen Betrieb eröffnet, mit dem es denselben geschäftlichen Zweck verfolgt wie zuvor das liquidierte gemeinsame Unternehmen. Deshalb ist unter diesen Umständen ein Fall des Betriebsüberganges gemäß § 613 a BGB auch dann nicht gegeben, wenn für den neuen Betrieb aufgrund von neu abgeschlossenen Mietverträgen mit Dritten dieselben Geschäftsräume genutzt werden wie zuvor durch das gemeinsame Unternehmen, der weitaus größte Teil von dessen Arbeitnehmern beschäftigt wird und sich das neue Unternehmen an denselben Kundenkreis wendet.

 

Normenkette

KSchR § 1; BGB § 613a

 

Verfahrensgang

ArbG Ulm (Urteil vom 06.02.1996; Aktenzeichen 6 Ca 294/95 R)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 03.09.1998; Aktenzeichen 8 AZR 439/97)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ulm vom Seite 2 06.02.1996 (Az.: 6 Ca 294/95-R) abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits, einschließlich der Kosten der Nebenintervention.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte. Die Nebenintervenientin ist dem Rechtsstreit im Berufungsverfahren zur Unterstützung der Beklagten beigetreten.

Die Beklagte (Auszug aus dem Handelsregister Bl. 118 d. A.) gab bis zum 31.12.1995 ein Anzeigenblatt heraus, das unter dem Namen „Der … Anzeiger” im gesamten Landkreis B. und unter dem Namen „Der … KreisAnzeiger” im Landkreis S. sowie im Raum St. erschien. Gesellschafter der Beklagten waren die Firma Sch. KG. (L.), Herausgeberin der Tageszeitung „S. Zeitung”, einerseits und die Firma S. … GmbH, Herausgeberin der Tageszeitung „S.” (K.) andererseits. Die S. Zeitung erscheint im östlichen B. gebiet und der S. im westlichen. Ihre Herausgabegebiete überlagerten sich zunächst nicht. Die Erscheinungsgebiete des von der Beklagten herausgegebenen Anzeigenblattes überlappten sich zum Teil mit denjenigen beider Tageszeitungen.

Für den Vertrieb des Anzeigenblattes unterhielt die Beklagte zwei Geschäftsstellen in F. und S. In diesen beschäftigte sie insgesamt acht Arbeitnehmer/innen. Die Finanz- u. Lohnbuchhaltung, die Abrechnung der Honorare für freie Mitarbeiter und die Bilanzierung für die Ausgabe des Anzeigenblattes in Sigmaringen wurden gegen Honorar von der Firma Sch. KG. für die Beklagte aufgrund einer Vereinbarung zwischen den Gesellschaftern erledigt.

Die am 25.07.1952 geborene, geschiedene Klägerin, die zwei Kinder hat, wurde von der Beklagten am 01.04.1978 als Kontoristin eingestellt und in der Geschäftsstelle F. beschäftigt. Zuletzt verdiente sie monatlich DM 5.500,00 brutto.

Ab dem Jahre 1995 ließ die Firma S. GmbH die von ihr herausgegebene Tageszeitung mit einem entsprechenden Lokalteil auch in der Stadt F. erscheinen, also in dem Gebiet, in dem von den beiden Tageszeitungen zuvor allein die S. Zeitung verbreitet worden war. Zuvor hatte sie mit Schreiben vom 19.12.1994 (Bl. 24 d. A.) den Gesellschaftsvertrag, durch den die Beklagte begründet worden war, mit Wirkung zum 31.12.1995 gekündigt. Eine nach dem Gesellschaftsvertrag mögliche Fortführung der Gesellschaft durch eine der beiden Gesellschafterinnen erfolgte nicht. Die Geschäftsführer beschlossen am 08.06.1995 (siehe Protokoll Bl. 41 ff, d. A.) die letzte Ausgabe des von ihnen herausgegebenen Anzeigeblattes am 22.12.1995 erscheinen zu lassen und die Mitarbeiter auf „Informationsveranstaltungen”, die am 22.06.1995 in F. und S. stattfanden. „über die Liquidation zum 31.12.1995 und die dadurch notwendigen Kündigungen „zu unterrichten”. Die Arbeitsverhältnisse aller Mitarbeiter wurden sodann an verschiedenen Zeitpunkten –je nach Länge der einzuhaltenden Kündigungsfrist – zum 31.12.1995 gekündigt, das der Klägerin noch an diesem 22.06.1995 (siehe Kündigungsschreiben Bl. 18, d. A.). Mit Schreiben vom 13.07.1995 (Bl. 27 u. 40 d. A.) kündigte die Beklagte die Mietverträge über die Räume, in denen sie in F. und S. ihre Geschäftsstellen betrieb, zum 31. Januar bzw. zum 31. Dezember 1996. Telefonanschlüsse und Festverbindungen in F. und S. wurden am 23.11.1995 zum 31.12.1995 gekündigt (Bl. 76...

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