Entscheidungsstichwort (Thema)

Zurverfügungstellen von Arbeitnehmern an Dritten durch öffentlichen Arbeitgeber. Gestellung als dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung

 

Leitsatz (amtlich)

1) Gestellt ein (öffentlicher) Arbeitgeber gem. § 4 Abs. 3 TVöD seine bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer an einen Dritter zur dortigen dauerhaften Leistungserbringung, so betreibt er eine unzulässige dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung. Die mit dem Gestellungsvertrag einhergehende dauerhafte Übertragung des Direktionsrechts auf den Dritten ist in entsprechender Anwendung von § 9 Nr. 1 1. Alt. AÜG unwirksam.

2) Die Gestellung führt aber nicht dazu, dass zugleich auch der Arbeitsvertrag zwischen Vertragsarbeitgeber und Arbeitnehmer in entsprechender Anwendung von § 9 Nr. 1 2. Alt. AÜG unwirksam würde, wenn der Arbeitnehmer ursprünglich nicht zur Überlassung eingestellt wurde. Mangels Unwirksamkeit des Arbeitsvertrags gilt deshalb auch kein Arbeitsverhältnis mit dem Dritten gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1 AÜG als zustandegekommen.

3) Im Falle einer solchen unwirksamen dauerhaften Gestellung verbleiben die Mitbestimmungsrechte gem. § 87 BetrVG beim für den Betrieb des gestellenden Vertragsarbeitgebers gebildeten Betriebsrat. (Abweichung von OVG Nordrhein-Westfalen 23. März 2010 - 16 A 2423/08.PVL - PersV 2010, 389 Anschluss an LAG Baden-Württemberg 23. November 2012 - 11 Sa 84/12 - [...])

 

Normenkette

TVöD § 4 Abs. 3; AÜG § 9

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 04.10.2012; Aktenzeichen 23 BV 19/12)

 

Tenor

  • 1.

    Die Beschwerde der Beteiligten Ziff. 1 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 04.10.2012 (23 BV 19/12) wird zurückgewiesen.

  • 2.

    Die Rechtsbeschwerde zum BAG wird zugelassen.

 

Gründe

A.

Die Beteiligten streiten darüber, ob und in welchem Umfang dem Beteiligten Ziff. 2 Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 1, 2, 3 und 6 BetrVG zustehen im Zusammenhang mit der an die Beteiligte Ziff. 3 erfolgten Gestellung von Mitarbeitern der Bereiche Hauswirtschaft, Reinigungsdienst und Speisenversorgung.

Die antragstellende Beteiligte Ziff. 1 gehört dem Klinikverbund S. GmbH (Holding) an, in welchem 6 Kliniken in S., B., C., N., H. und L. zusammengefasst sind. Sie betreibt die Krankenhäuser in H. mit ca. 450 Beschäftigten und in L. mit ca. 600 Beschäftigten. Sie ist nicht im Besitz einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis.

Zum Klinikverbund S. GmbH gehört außerdem die Beteiligte Ziff. 3 mit ca. 470 Arbeitnehmern. Die Beteiligte Ziff. 3 erbringt für verschiedene Klinikgesellschaften im Klinikverbund Dienstleistungen, ua. in den Bereichen Hauswirtschaft, Reinigungsdienst und Speisenversorgung. Die Beteiligte Ziff. 2 ist im Besitz einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis.

Der Beteiligte Ziff. 2 ist der für das Krankenhaus L. zuständige Betriebsrat. Der Beteiligte Ziff. 4 ist der für den Betrieb der Beteiligten Ziff. 3 gebildete Betriebsrat.

Mit Kooperationsvertrag vom 16.12.2007 (Bl. 8-9 der arbeitsgerichtlichen Akte) zwischen der Beteiligten Ziff. 3 und dem Klinikverbund S. GmbH, letztere handelnd "im Namen und auf Rechnung ihrer Tochtergesellschaften", wurde ua. mit Wirkung ab 01.01.2008 folgendes geregelt:

"§ 1 Vertragsgegenstand

1. Die Krankenhaus-S. GmbH erbringt für die Tochtergesellschaften der Klinikverbund S. GmbH Leistungen in folgenden Bereichen:

a) Hauswirtschaft-Gebäudereinigung

b) Hauswirtschaft, mit den Bereichen

i. Hol- und Bringedienst

ii. Bettenreinigung

iii. Wäscheversorgung

c) Speisenversorgung (Produktion und Ausgabe)

d) Personaldienstleistungen, in den Bereichen

i. Ärztlicher Dienst

ii. Pflegedienst

iii. Funktionsdienst

iv. Medizinisch-technischer Dienstag

v. Klinisches Hauspersonal

vi. Wirtschafts- und Versorgungsdienst

vii. Verwaltungsdienst

viii. Technischer Diensttag

viv. Sonstiges Personal

...."

Die Aufgabenerfüllung aus diesem Kooperationsvertrag betreffend die Bereiche Hauswirtschaft, Reinigungsdienst und Speisenversorgung wurde von der Beteiligten Ziff. 3 so durchgeführt, dass sie ab dem Zeitpunkt der Aufgabenübertragung den Einsatz des Personals der Beteiligten Ziff. 1 aus diesen Bereichen steuerte. Dabei übte sie im Einverständnis mit der Beteiligten Ziff. 1 das fachliche und organisatorische Weisungsrecht über diese Mitarbeiter aus. Daneben setzt die Beteiligte Ziff. 3 im Krankenhaus L. auch eigenes Personal ein.

Diese faktische Übertragung des Direktionsrechts über die Beschäftigten der Beteiligten Ziff. 1 auf die Beteiligte Ziff. 3 wurde für die Bereiche Hauswirtschaft und Reinigungsdienst mit einem sogenannten Personalgestellungsvertrag vom 15.12.2011 zwischen der Beteiligten Ziff. 1 und der Beteiligten Ziff. 3 (Bl. 10-11 der arbeitsgerichtlichen Akte) schriftlich fixiert. Darin heißt es soweit vorliegend von Interesse wie folgt:

"§ 1 Vertragsgegenstand

Gegenstand des Vertrages ist die Gestellung von Personal aus dem Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgungsdienste (Reinigungsdienst/Bettenaufbereitung/Wäscheversorgung) vom Klinikum an die S. GmbH.

Die Personalgestellung basiert auf dem Kooperationsvertrag zwischen den Parteien vo...

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