Nach nahezu einhelliger Auffassung ist ein völliger Ausschluss des Rechts zur außerordentlichen Kündigung unzulässig. Das in § 626 BGB verankerte Recht zur außerordentlichen Kündigung gehört zu den elementaren Grundsätzen des Schuldrechts. Damit wird das Selbstbestimmungsrecht des einzelnen gewahrt, indem es ihm einseitig die Lösung vom Vertrag erlaubt, wenn die Fortführung der Vertragsbeziehung für ihn unzumutbar ist. Unzumutbares kann von rechts wegen keiner Partei - auch dem Arbeitgeber nicht - zugemutet werden. Unstreitig kann daher das Recht zur außerordentlichen Kündigung weder einzelvertraglich noch durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarungvöllig ausgeschlossen werden.[1]

Die Regelung der §§ 53 Abs. 3, 55 BAT schließt jedoch die außerordentliche Kündigung nicht völlig aus, sondern enthält insofern eine Beschränkung des Rechts zur außerordentlichen Kündigung, als eine außerordentliche Kündigung aus in der Person oder im Verhalten des Angestellten liegenden wichtigen Grundes weiterhin möglich ist. Die Zulässigkeit einer solchen Beschränkung ist umstritten. Teilweise wird die Zulässigkeit jeder Einschränkung des außerordentlichen Kündigungsrechts für unzulässig gehalten, da das Recht zur außerordentlichen Kündigung zum unantastbaren Kernbereich derArbeitsvertragsfreiheit des Arbeitgebers gehöre.[2] Diese Auffassung erscheint jedoch zu pauschal. Sie berücksichtigt nicht hinreichend den der Regelung des § 626 BGB zentral innewohnenden Gedanken der Unzumutbarkeit. Jede Einschränkung des außerordentlichen Kündigungsrechts ist daher daran zu messen, ob sie ihrerseits unzumutbar ist. Bezogen auf die Regelung der §§ 53, 3, 55 BAT verneinen dies Hillebrecht[3] sowie Conze.[4] Begründet wird dies im Wesentlichen mit den Besonderheiten des Öffentlichen Dienstes sowie der beamtenähnlichen Stellung des Angestellten.[5] Diese Auffassungen vermögen jedoch nicht zu überzeugen. Der Hinweis auf die beamtenähnliche Stellung des Angestellten geht insofern fehl, als § 626 BGB auch für den Öffentlichen Dienst zwingendes Recht darstellt. Auch mag die allgemeine Erwägung, dass dem öffentlichen Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung zu veränderten Bedingungen zuzumuten ist, im Regelfall durchaus zutreffen. Die Entwicklung in den letzten Jahren zeigt jedoch hinreichend, dass auch im Bereich des Öffentlichen Dienstes Fallkonstellationen auftreten, bei denen eine Weiterbeschäftigung schlichtweg nicht mehr möglich ist. Man denke z.B. an die Schließung eines Kindergartens einer kleinen Gemeinde oder eines Krankenhauses oder aber an die sich häufenden Auslagerungen von Teilbereichen, bei denen "unkündbare" Mitarbeiter dem Übergang ihrer Arbeitsverhältnissewidersprechen.

 
Praxis-Beispiel

Die Gemeinde A überführt das städtische Alten- und Pflegeheim in eine GmbH. Der "unkündbare" Pfleger P widerspricht dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die GmbH. Er weigert sich auch, bei der GmbH seine Arbeitsleistung zu erbringen. Die Gemeinde hat hier rechtlich keine Möglichkeit, den P gegen seinen Willen auf Dauer bei der GmbH einzusetzen. Weder aus dem Arbeitsverhältnis noch aus dem Tarifvertrag ergibt sich eine Befugnis, den P auf Dauer dem Direktionsrecht eines anderen Arbeitgebers zu unterstellen. Eine anderweitige Beschäftigung des Pflegers ist der Gemeinde nicht möglich. Nach der Regelung des BAT müsste die Gemeinde dem P weiterhin Vergütung bezahlen, ohne ihn beschäftigen zu können. Ihr bliebe lediglich die Möglichkeit einer Änderungskündigung mit dem Ziel der Herabgruppierung um eine Vergütungsgruppe.

Maßgeblich für die Würdigung der Regelung des BAT ist der Umstand, dass für den Teilbereich der betrieblichen Gründe nicht nur eine Einschränkung des Kündigungsrechts gegeben ist, sondern deren völliger Ausschluss. Dies verstößt aber nach neuester Rechtsprechung des BAG gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Das BAG führt aus: "Zu den Freiheitsrechten privatautonomen Handelns gehört das der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG immanente Grundrecht des Arbeitgebers, Arbeitsverhältnisse privatautonom zu begründen, aber auch zu beenden. Da der Arbeitgeber prinzipiell dieMöglichkeit haben muss, sein Unternehmen aufzugeben, muss er wirksam kündigen können. Er muss auch das Recht haben, darüber zu entscheiden, welche Größenordnung sein Unternehmen haben soll . . . Art. 12 Abs. 1 GG schließt aus, vom Arbeitgeber zu verlangen, ein unzumutbares Arbeitsverhältnis aufrechtzuerhalten. Unverzichtbar sind danach z.B. Beendigungsmöglichkeiten, die der Anpassung des Arbeitnehmerbestandes an die Entwicklung des Unternehmens dienen. Eine Tarifnorm, die vom Arbeitgeber Unmögliches bzw. evident Unzumutbares verlangt und damit in dessen unternehmerische Freiheit eingreift, ist insoweit verfassungswidrig und schon im Wege der geltungserhaltenden Reduktion dahingehend einzuschränken, dass sie für derartige Ausnahmefälle nicht gilt."[6]

 
Praxis-Tipp

Trotz des Wortlauts des § 55 Abs. 2 BAT ist eine außerordentliche Kündigung aus betriebsbedingten Gründen möglich, wenn die Gesc...

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