Die Prüfung der sozialen Rechtfertigung einer verhaltensbedingten Kündigung ist auf 3 Stufen vorzunehmen:

  • Pflichtverletzung
  • negative Prognose/Abmahnung
  • Interessenabwägung

8.1 Stufe 1: Vorliegen einer Pflichtverletzung

Die Pflichtwidrigkeiten können bestehen in Verletzungen der arbeitsvertraglichen Leistungsverpflichtung, in Verstößen gegen die betriebliche Ordnung, in Störungen im personellen Vertrauensbereich, in Verletzungen von arbeitsvertraglichen Nebenpflichten sowie auch in Ausnahmefällen in einem Fehlverhalten im außerdienstlichen Bereich. Im letzteren Fall muss jedoch ein konkreter Bezug zum Arbeitsverhältnis bestehen und dieses konkret beeinträchtigen. Nicht erforderlich ist, dass die Pflichtverletzung zu Betriebsablaufstörungen oder sonstigen konkreten Störungen geführt hat. Zusätzliche Störungen sind vielmehr erst im Rahmen der Interessenabwägung zusätzlich für den Arbeitnehmer als belastend zu berücksichtigen.[1]

Die Vertrags- oder Dienstpflichtverletzungen müssen i. d. R. schuldhaft begangen worden sein. Das Verschulden kann auch darin liegen, dass sich der Arbeitnehmer über seine Rechte und Pflichten nicht sorgfältig genug erkundigt hat. Schuldloses Fehlverhalten kann in Ausnahmefällen eine Kündigung rechtfertigen, wenn hierdurch das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zerstört wurde oder die Kündigung zur Vermeidung erheblicher Nachteile oder Störungen geboten erscheint.

8.2 Stufe 2: Vorliegen einer Abmahnung

Die Kündigung kommt nur als letztes Mittel in Betracht. Vorher muss der Arbeitnehmer im Allgemeinen abgemahnt werden, um ihm hierdurch Gelegenheit zu geben, sein Verhalten zu ändern und so seinen Arbeitsplatz zu erhalten.

Die Erwartung, dass der Beschäftigte nach einer Abmahnung sein Verhalten ändert und zukünftig keine weiteren Pflichtverletzungen zu erwarten sind, ist der Maßstab für die Erforderlichkeit einer Abmahnung. Nur wenn eine Pflichtverletzung so schwer wiegt, dass sie nachhaltig und unwiederbringlich das Vertrauen in eine zukünftige pflichtgemäße Leistungserbringung zerstört, kann auf eine Abmahnung verzichtet werden. Dies sind aber in der Regel nur Fälle der außerordentlichen Kündigung.[1]

Eine Abmahnung kann auch dann entbehrlich sein, wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zu erwarten ist, dass sich das Verhalten des Beschäftigten für die Zukunft ändert. Der Arbeitgeber trägt dafür die Darlegungs- und Beweislast.[2]

Die Abmahnung hat mehrere Aufgaben:

  • Dokumentationsfunktion: Die Abmahnung sollte aus Beweissicherungsgründen stets schriftlich erteilt werden.
  • Erinnerungs- und Hinweisfunktion: Hierzu muss das vertragswidrige Verhalten im Einzelnen angeführt werden. Der Arbeitnehmer ist aufzufordern, das beanstandete Verhalten aufzugeben.
  • Ankündigungs- und Warnfunktion: Dem Arbeitnehmer ist unmissverständlich klarzumachen, dass bei weiteren Pflichtverstößen der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet ist.
  • Negative Prognose: Die erfolglose Abmahnung erbringt zugleich den Nachweis für eine Prognose, dass sich das Fehlverhalten des Arbeitnehmers wiederholen wird.
 
Wichtig

Eine Abmahnung ohne exakte und detaillierte Beschreibung des Fehlverhaltens oder ohne Androhung der arbeitsvertraglichen Konsequenzen bei einem weiteren Fehlverhalten ist unwirksam.

 
Wichtig

Viele Einzelverstöße, die jeweils allein eine Kündigung nicht rechtfertigen, können ohne Abmahnung nicht zu einem Gesamtverstoß von so erheblichem Ausmaß summiert werden, dass eine Abmahnung entbehrlich ist.[3]

Abmahnen kann jeder weisungsbefugte Vorgesetzte. Er braucht nicht auch zur Kündigung befugt sein.

 
Praxis-Tipp

Sie sollten zumindest in größeren Betrieben die Abmahnungsbefugnis innerbetrieblich auf bestimmte wenige Personen konzentrieren. Hierdurch erreichen Sie einen Überblick über die ausgesprochenen Abmahnungen und vermeiden zudem formale Fehler beim Ausspruch von Abmahnungen.

Die Abmahnung könnte wie folgt aussehen:

Muster einer Abmahnung

Zur Klarstellung sollte die Abmahnung auch mit Abmahnung überschrieben sein. Bezeichnungen wie Ermahnung, Rüge, Verweis etc. sind in diesem Zusammenhang zu vermeiden.

Ein häufiger Praxisfehler ist die mangelnde Beweissicherung. Der Arbeitnehmer kann zwar gegen eine schriftliche Abmahnung sogleich auf dem Klageweg vorgehen. Er kann auch eine Gegendarstellung zur Personalakte geben. Er muss dies jedoch nicht. Er ist nicht gehindert, die inhaltliche Richtigkeit der Abmahnung erst Jahre danach im Kündigungsrechtsstreit zu bestreiten. In diesem Fall steht der Arbeitgeber nach Jahren vor der Situation, die inhaltliche Richtigkeit der vor 2 oder 3 Jahren ausgesprochenen Abmahnung zu beweisen. Hat er nicht die Beweise gesichert, gelingt ihm dieser Beweis nicht mehr. Damit aber ist die Abmahnung hinfällig und zugleich auch der Kündigung der Boden entzogen. Den Beweis sichern können Sie z. B. durch ein zeitnahes detailliertes Protokoll des maßgeblichen Vorgesetzten von der Pflichtverletzung oder die Aufbewahrung von Urkundsbeweisen oder bei Sachbeschädigungen durch Fotografien etc. Sie können den Beweis...

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