Kündigungsschutz ist immer der Versuch von Einzelfallgerechtigkeit. Liegt ein personen-, verhaltens- oder betriebsbedingter Kündigungsgrund vor und ist auch ein anderer freier, zumutbarer Arbeitsplatz nicht vorhanden, bedarf dennoch die Beurteilung der sozialen Rechtfertigung einer umfassenden Interessenabwägung. Abzuwägen ist zwischen dem Interesse des Arbeitnehmers am Bestandsschutz seines Arbeitsverhältnisses und dem Interesse des Arbeitgebers an dessen Beendigung. Dabei sind alle wesentlichen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen und vernünftig gegeneinander abzuwägen. Daraus ergibt sich zugleich, dass es keine absoluten Kündigungsgründe gibt. Insbesondere können die Parteien nicht vereinbaren, dass bestimmte Umstände oder bestimmte Verhaltensweisen eine Kündigung automatisch rechtfertigen. Dadurch würde das Kündigungsschutzgesetz umgangen. In jedem Einzelfall muss die Interessenabwägung ergeben, dass der Kündigungsgrund so gewichtig ist, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auf Dauer für den Arbeitgeber nicht zumutbar ist. Dabei wird die Interessenabwägung vom Kündigungsgrund beeinflusst. Bei verhaltensbedingten Gründen steht das Arbeitgeberinteresse im Vordergrund, bei personen- und betriebsbedingten Gründen mehr das Arbeitnehmerinteresse.

Das Gebot der umfassenden Interessenabwägung schließt die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes aus. Hat jedoch der Arbeitgeber bei völlig gleichgelagerten Sachverhalten anderen Arbeitnehmern nicht gekündigt, ist dies ein Indiz dafür, dass er die Pflichtverstöße als solche nicht als Kündigungsgründe gewertet hat, die Gründe im jetzigen Fall also nur vorgeschoben sind und daher vom Arbeitgeber eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erwartet werden kann. Der Arbeitgeber hat in solchen Fällen darzulegen, warum die Interessenabwägung im jetzigen Fall anders als bei den früheren Fällen die Kündigung sozial rechtfertigt. Insbesondere können anders gelagerte Begleitumstände, wie z. B. Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Familienstand, das unterschiedliche Vorgehen rechtfertigen. Besonders pointiert stellt sich das Problem bei der sog. herausgreifenden Kündigung. Haben mehrere Arbeitnehmer gleichzeitig gleichartige Verstöße begangen und greift sich der Arbeitgeber einen heraus und kündigt ihm, hat er darzulegen und zu beweisen, warum gerade bei diesem Arbeitnehmer die Interessenabwägung die Kündigung rechtfertigt. Vermag er dies nicht, ist die Kündigung unwirksam.[1]

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