Sind keine anderweitigen zumutbaren Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten vorhanden, tritt die gleiche Rechtsfolge ein wie bei Vorliegen der vollen Erwerbsminderung des Arbeitnehmers. § 19 Abs. 2 Satz 2 entspricht insoweit § 19 Abs. 1 Satz 1 Buchst. d.

Die Tarifregelung beruht auf der Annahme der Tarifvertragsparteien, der Arbeitnehmer werde im Fall der Erwerbsminderung künftig die arbeitsvertraglich geschuldete Leistung nicht mehr erbringen können. Die an die teilweise Erwerbsminderung anknüpfende auflösende Bedingung des Absatzes 2 Satz 2 dient einerseits dem Schutz des Arbeitnehmers, der aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist, seine bisherige Tätigkeit zu verrichten, und bei dem bei einer Fortsetzung der Tätigkeit die Gefahr einer weiteren Verschlimmerung seines Gesundheitszustandes besteht. Andererseits soll dem berechtigten Interesse des Arbeitgebers Rechnung getragen werden, sich von einem Arbeitnehmer trennen zu können, der gesundheitsbedingt nicht mehr in der Lage ist, seine nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Leistung zu erbringen.[1]

In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass sich der sozialversicherungsrechtliche Begriff der Erwerbsminderung und der arbeitsrechtliche Begriff der Arbeitsunfähigkeit nicht decken.[2] Deshalb kann – abhängig von den tatsächlichen Verhältnissen am Arbeitsplatz – sogar ein voll erwerbsgeminderter Arbeitnehmer noch in der Lage sein, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung uneingeschränkt zu erbringen.

Das BAG[3] hat zu einer vergleichbaren Tarifregelung entschieden, der Arbeitnehmer habe keinen Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber einen dem Leistungsvermögen des Arbeitnehmers entsprechenden Arbeitsplatz einrichte. Die Vorschrift verpflichte den Arbeitgeber lediglich zur Weiterbeschäftigung auf einem geeigneten und freien, also bereits vorhandenen, unbesetzten Arbeitsplatz. Allerdings ist der Arbeitgeber gehalten, durch zumutbare Umsetzungen einen Arbeitsplatz frei zu machen.[4]

Anders ist die Rechtslage zu beurteilen, wenn der Arbeitnehmer schwerbehindert ist und sich auf § 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX) berufen kann. Nach dieser Vorschrift haben schwerbehinderte Menschen gegenüber ihrem Arbeitgeber Anspruch auf Beschäftigung, bei der sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können. Deshalb sind die vorliegenden Tarifregelungen nichtig, soweit dadurch der in § 164 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX normierte Anspruch auf behinderungsgerechte Beschäftigung vereitelt wird.[5]

 
Praxis-Tipp

Bei schwerbehinderten Menschen ist demzufolge eine besonders sorgfältige Prüfung der Frage der zumutbaren Beschäftigungsmöglichkeiten i. S. v. Absatz 2 Satz 1 erforderlich.

Im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses u. a. wegen teilweiser Erwerbsminderung ist darüber hinaus die vorherige Zustimmung des Integrationsamts einzuholen (§ 175 SGB IX; vgl. dazu die Erläuterungen zu Absatz 2 Satz 4).

[5] BAG, Urteil v. 17.3.2016, 6 AZR 221/25, zu den entsprechenden Regelungen in § 33 TVöD und zu § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung.

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