BAG, Urteil v. 15.12.2016, 6 AZR 578/15

Im Arbeitsverhältnis hat jede Partei für die Wahrnehmung ihrer Interessen grundsätzlich selbst zu sorgen. Das gilt auch für die Wahrung der Ausschlussfrist. Ein Schadensersatzanspruch wegen fehlerhafter Auskunftserteilung kommt u. a. nur in Betracht, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf ausdrückliches Verlangen nach Informationen falsch informiert.

Sachverhalt

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand der TV-BA (Tarifvertrag für Arbeitnehmer der Bundesagentur für Arbeit) in der jeweils geltenden Fassung Anwendung. Nach diesem Tarifvertrag wird die Wahrnehmung zusätzlich übertragener Aufgaben bzw. Funktionen oder besondere Schwierigkeitsgrade der Tätigkeit durch Funktionsstufen abgegolten, welche Teile des Gehalts sind; ggf. können mehrere Funktionsstufen nebeneinander gezahlt werden. Im Januar 2006 wurde dem Kläger die Tätigkeit als "Geschäftsstellenleiter (weniger als 50 Plankräfte)" dauerhaft übertragen. Die Beklagte teilte ihm in diesem Zusammenhang mit, wie er in ihrem Intranet aktuelle Informationen über den TV-BA erhalten könne. In Erwartung einer Tarifänderung meldete der Kläger mit E-Mail vom 20.2.2007 vorsorglich den Anspruch auf die Zahlung einer Funktionsstufe 2 an. Nachdem es zu der Tarifänderung nicht gekommen war, lehnte die Beklagte diese Zahlung mit Schreiben vom 31.7.2008 ab. Während der weiteren Tarifverhandlungen informierte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 22.1. und 10.8.2010 – allerdings nur unvollständig bzw. falsch – über die Auswirkungen des 7. Änderungstarifvertrags zum TV-BA. Ab dem 1.1.2010 stand dem Kläger neben der Zahlung der Funktionsstufe für die "Stärkung der Führungsfähigkeit" eine (weitere) Funktionsstufe 1 für die "Leitung der Geschäftsstelle mit einem unterstellten Teamleiter" zu, welche jedoch von der Beklagten aus Versehen nicht bezahlt wurde. Mit E-Mail vom 16.1.2014 machte der Kläger die Nachzahlung dieser Funktionsstufe geltend. Die Beklagte zahlte diese Funktionsstufe, allerdings jedoch nur rückwirkend bis einschließlich 2013 und berief sich im Übrigen auf die tarifliche Ausschlussfrist, wonach Ansprüche verfallen, wenn sie nicht innerhalb von 6 Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden. Hiergegen erhob der Kläger Klage.

Die Entscheidung

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Nach Auffassung des BAG hatte der Kläger keinen Anspruch auf Zahlung einer weiteren Funktionsstufe für die Zeit von Januar 2010 bis einschließlich Juni 2013, da dieser verfallen sei. Auch hatte der Kläger keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen schuldhaft fehlerhafter Auskunftserteilung. Insbesondere genüge die E-Mail des Klägers vom Februar 2007 nicht der Geltendmachung der weiteren Funktionsstufe 1, da der Kläger lediglich den Anspruch auf die Zahlung einer Funktionsstufe 2 vorsorglich angemeldet habe. Den hier nun geltend gemachten Anspruch habe der Kläger stattdessen erst mit Schreiben vom 16.1.2014 geltend gemacht. Nach Auffassung des Gerichts sei es hierbei grundsätzlich Sache des Arbeitnehmers, sich über die Rechtslage hinsichtlich eines Anspruchs und der Wahrung der Ausschlussfrist zu informieren. Auch im öffentlichen Dienst gelte der allgemeine Grundsatz, wonach die fehlende Kenntnis von Existenz und Inhalt einer Ausschlussfrist den Verfall des Anspruchs unberührt lässt und ein Anspruch auch dann im Sinne einer tariflichen Ausschlussfrist fällig wird, wenn der Arbeitnehmer zwar die Tatsachen, die den Anspruch begründen, kennt, nicht aber die Rechtslage und darum den Anspruch nicht geltend macht. Der Arbeitgeber sei deshalb grundsätzlich nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer auf tarifliche Änderungen hinzuweisen. Nach Auffassung des BAG sei auch die falsche bzw. unvollständige Information der Beklagten unschädlich. Das Gericht begründete dies damit, dass wenn der Arbeitgeber schon nicht verpflichtet sei, den Mitarbeiter über die Tarifänderung zu informieren, dann könne darin, dass er dies gleichwohl getan hat und die erteilte Information unvollständig war, kein pflichtwidriges Unterlassen liegen. Insbesondere konnte im vorliegenden Fall der Kläger u. a. jederzeit Einsicht in den TV-BA nehmen.

Dem Kläger stand hier auch kein Anspruch auf Schadensersatz wegen falscher Auskunft zu. Zwar hafte der Arbeitgeber für Schäden, die durch eine von ihm schuldhaft erteilte fehlerhafte Auskunft mitverursacht wurden; denn auch wenn für Arbeitgeber keine allgemeine Pflicht besteht, die Vermögensinteressen des Arbeitnehmers wahrzunehmen, müssen von ihm erteilte Auskünfte richtig, eindeutig und vollständig sein. Im vorliegenden Fall hatte die Beklagte dem Kläger jedoch keine Auskunft in diesem Sinn erteilt; denn hierfür sei erforderlich, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer entweder auf dessen ausdrückliches Verlangen nach Informationen hin falsch informiert oder dass er ihn im Rahmen von Verhandlungen über Vertragsänderungen, die der Arbeitgeber initiiert hat, falsch berät. Zudem hätte der Kläger ein gesteigertes Informationsbedürfnis zu erken...

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