Im Rahmen eines Arbeitskampfes sind die gegenseitigen Rechte und Pflichten suspendiert, d. h., dass die Zeit, in der ein Beschäftigter am Arbeitskampf teilnimmt, keine Arbeitszeit ist.

Praxis-Beispiel
  • Beschäftigte B kommt wegen Streikteilnahme an einem Werktag nicht zur Arbeit.
  • Beschäftigter C nimmt während seiner normalen Arbeitszeit an einer Urabstimmung im Betrieb teil.

Auch die Zeit, in der ein Beschäftigter nicht arbeitet, weil es aufgrund von rechtmäßigen Arbeitskampfmaßnahmen nicht möglich ist, ist keine Arbeitszeit. Für diese Zeiten gibt es keinen Entgeltanspruch. Der Entgeltanspruch ist dementsprechend nach den jeweils einschlägigen tariflichen Vorschriften zu kürzen (z. B. nach § 24 Abs. 3 TVöD) (→ Entgelt).

Praxis-Beispiel
  • Beschäftigter C würde an einem Streiktag arbeiten, kann aber nicht, weil der Betrieb stillgelegt wurde. Die gegenseitigen Rechte und Pflichten sind mit der Stilllegung suspendiert.
  • Beschäftigte D kommt eine Stunde zu spät (feste Arbeitszeiten) zum Arbeitsplatz in der Stadtverwaltung, da im Nahverkehr gestreikt wird[1]. Hier streikt D nicht, aber auch ihr Betrieb wird nicht bestreikt. Es realisiert sich nur das von ihr zu tragende Wegerisiko. Eine Suspendierung liegt nicht vor. D könnte aber wegen unentschuldigten Fernbleibens das Entgelt gekürzt werden.

Können Beschäftigte bei einem → Wellenstreik für den Rest einer laufenden Schicht nicht beschäftigt werden, so erhalten sie auch für die Zeiten kein Entgelt, die außerhalb der Kurzstreiks liegen, wenn dem Arbeitgeber eine andere Planung nicht zumutbar war. Der Arbeitgeber kann bei einem Wellenstreik seine Abwehrmaßnahmen nicht immer auf die Zeit der einzelnen Kurzstreiks begrenzen[2].

Ein Anspruch des Beschäftigten auf Nachholung der durch eine Arbeitskampfmaßnahme ausgefallenen Arbeitszeit besteht ebenfalls nicht.

Praxis-Beispiel

Beschäftigter K ist im Dienstplan für Arbeit von 8.00 Uhr bis 16.30 Uhr eingeteilt. Er nimmt an dem Tag am Streik teil und schlägt seinem Arbeitgeber vor, "stattdessen" an anderen Tagen länger zu arbeiten, um den Entgeltanspruch zu behalten. Darauf hat K keinen Anspruch. Der Arbeitgeber kann das Entgelt einbehalten.

Besteht im Betrieb ein System der Zeiterfassung, gilt nach unserer Rechtsauffassung Folgendes:

Nehmen Beschäftigte an einem flexiblen Arbeitszeitsystem (z. B. gleitende Arbeitszeit) teil, sind sie verpflichtet, Zeiten ohne Arbeitsleistung durch entsprechendes Betätigen des Zeiterfassungsgerätes zu dokumentieren.

Diese Verpflichtung besteht unabhängig davon, warum ein Beschäftigter die Arbeitsleistung in dieser Zeit nicht erbringt, d. h. die Verpflichtung besteht auch, wenn der Beschäftigte an einem Streik teilnehmen will.

Kommen Beschäftigte dieser Verpflichtung zum Aus-/Einstempeln nicht nach, wird über eine Arbeitsleistung getäuscht, die tatsächlich nicht erbracht worden ist. Hierin liegt eine arbeitsrechtliche Pflichtverletzung, die den Arbeitgeber zu arbeitsrechtlichen Maßnahmen berechtigt (→ Sanktionen).

Von Seiten der Gewerkschaften wird unter Berufung auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 26. Juli 2005[3] behauptet, dass Beschäftigte bei bestehenden Gleitzeitregelungen nicht ausstechen müssten, wenn sie sich am Streik beteiligen wollen. Diese Behauptung ist in dieser pauschalen Form rechtlich unzutreffend. Mit dieser Frage hat sich das Bundesarbeitsgerichts im entschiedenen Fall nämlich nicht auseinander gesetzt.

Zu entscheiden war vielmehr die Frage, welche Folgen sich aus dem Ausstechen ergeben. Die Folgen beurteilen sich nach dem jeweiligen Arbeitszeitmodell:

Der vom Bundesarbeitsgericht entschiedene Fall betrifft einen Sachverhalt, der in der Kommunalverwaltung äußerst selten vorkommt. Für den Kläger galt eine betriebliche Arbeitszeitregelung mit sog. Vertrauensarbeitszeit, die es ihm erlaubte, jederzeit ohne Angabe von Gründen auszustechen und den Betrieb zu verlassen. Der Kläger hatte von der Möglichkeit der Abmeldung aus dem Zeiterfassungssystem Gebrauch gemacht und befand sich deshalb nach der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts in Freizeit.

In der Regel werden Verwaltungen und kommunale Unternehmen aber während der Kernarbeitszeit bestreikt. Die Freizeitnahme in dieser Zeit ist nicht erlaubt. Das Ausstechen kann in diesem Zeitraum dementsprechend nicht zur Freizeitnahme führen, sondern nur die Teilnahme am Streik dokumentieren.

Für die Arbeitszeitberechnung und den Entgeltabzug gilt Folgendes:

Bei gleitender Arbeitszeit ist für die Arbeitszeitberechnung und für die Berechnung der Arbeitsentgeltkürzung bei ganztägigem Arbeitsausfall auf die Sollarbeitszeit abzustellen. Bei teilweisem Arbeitsausfall ist nur die tatsächliche Ausfallzeit zugrunde zu legen, die innerhalb der Kernarbeitszeit liegt.

Ist nach einer Dienst-/Betriebsvereinbarung über gleitende Arbeitszeit der Stand des Gleitzeitkontos auf der Grundlage der vom Beschäftigten geschuldeten Arbeitszeit zu berechnen, bleiben Zeiten außer Betracht, in denen das Arbeitsverhältnis wegen Teilnahme am Arbeitskampf geruht hat. A...

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