Die Rechtmäßigkeit einer Aussperrung ist vom Bundesarbeitsgericht seit der Grundsatzentscheidung vom 28.01.1955[1] nicht mehr in Frage gestellt worden. Es handelt sich hierbei um einen eigenständigen Lösungsakt und es liegt im Ermessen des Unternehmers, ob er nach dem Ende des Arbeitskampfs die mit lösender Wirkung ausgesperrten Arbeitnehmer wieder einstellen will. Seine Ermessensfreiheit darf er nicht offensichtlich missbrauchen.[2] Bei Beendigung eines Arbeitskampfes klären die streikbeteiligten Parteien diese Frage regelmäßig durch eine Wiedereinstellungsklausel gesondert. Mitglieder des Personal- bzw. Betriebsrats können jedoch nur mit suspendierender Wirkung ausgesperrt werden.[3]

Spätere Entscheidungen, namentlich eine grundlegende des Bundesverfassungsgerichts, unterstellen dem Schutz der Koalitionsfreiheit ausdrücklich "Aussperrungen mit suspendierender Wirkung, die in Abwehr von Teil- und Schwerpunktstreiks der Herstellung der Verhandlungsparität dienen".[4] Erst wenn sich der Arbeitskampf, etwa durch längere Dauer und durch die Vernichtung von Arbeitsplätzen wegen schwerer Auftragsverluste verschärft, soll es dem Arbeitgeber freistehen, zur lösenden Aussperrung überzugehen.

Arbeitgeber dürfen nicht gezielt nur Gewerkschaftsmitglieder aussperren und nicht organisierte Arbeitnehmer von der Aussperrung verschonen, dies verletzt die positive Koalitionsfreiheit und ist gemäß Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG rechtswidrig.[5]

Es ist grundsätzlich zulässig, nur die streikenden Arbeitnehmer auszusperren. Dies ist keine sog. Selektivaussperrung, da nicht gezielt nur die gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer ausgesperrt bleiben. Auch stellt die Aussperrung nur der Streikenden keinen Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz oder das Maßregelungsverbot aus § 612 a BGB dar. Ferner liegt in der Aussperrung nur der streikenden Arbeitnehmer kein Verstoß gegen das tarifliche Maßregelungsverbot, das regelmäßig nach einem Arbeitskampf zwischen Arbeitgeberverband und Gewerkschaften vereinbart wird, denn regelmäßig sollen Lohnausfälle, die durch ein rechtlich zulässiges Arbeitskampfmittel entstanden sind, nicht ausgeglichen werden. Mit Maßregelungen sind insbesondere Abmahnungen, Kündigungen oder sonst aktive Eingriffe in Rechtspositionen der am Arbeitskampf beteiligten Arbeitnehmer gemeint.[6]

 
Praxis-Tipp

Es empfiehlt sich bei Vorlage eines Beschlusses des Arbeitgeberverbandes zu Aussperrungen, die Aussperrung schon vor Beginn des (Warn-)Streiks zu verfügen und den Arbeitnehmern bekannt zu machen. Den Arbeitnehmern sollte z. B. durch Aushang mitgeteilt werden, dass diejenigen, die am Streik teilnehmen, anschließend ausgesperrt werden. Dabei ist es verhältnismäßig, dass die nachfolgende Aussperrung doppelt so lange dauert wie der (Warn-)Streik. Diese bereits vorab angekündigte Aussperrung verfolgt das grundsätzlich zulässige Ziel, die Streikfolgen für den Betrieb zu mindern und die Wirksamkeit des Arbeitskampfmittels der Gegenseite zu schwächen.[7]

Schwerbehinderte[8] arbeitsunfähig erkrankte Arbeitnehmer[9] und werdende Mütter können ebenfalls ausgesperrt werden.

[1] BAG, Großer Senat, Beschl. v. 28.01.1955 – GS 1/54, AP Nr. 1 zu Art. 9 GG Arbeitskampf.
[2] BAG, Großer Senat, Beschl. v. 28.01.1955 – GS 1/54, AP Nr.-1 zu Art. 9 GG Arbeitskampf.
[6] LAG Hamm, Urt. v. 14.11.2001 – 18 Sa 530/01,

vgl. auch Paul Melot de Beauregard, Das Arbeitskampfrecht im Spiegel der jüngeren Rechtsprechung, NZA-RR 2003, 617, 619.

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