Gewerkschaften begehren bei Tarifverhandlungen oftmals einen sog. Gewerkschaftsbonus für ihre Mitglieder, d. h. Mitglieder einer konkreten Gewerkschaft hätten dann – anders als Beschäftigte, die nicht Mitglied dieser Gewerkschaft sind – Anspruch auf zusätzliche tarifliche Leistungen gegenüber dem Arbeitgeber. Eine solche Regelung wird als Differenzierungsklausel bezeichnet, da zwischen Mitgliedern dieser Gewerkschaft und nicht bzw. in einer anderen Gewerkschaft organisierten Beschäftigten differenziert wird. Ziel der Gewerkschaften ist es, durch diese zusätzlichen Zahlungen neue Mitglieder zu gewinnen und einem Mitgliederschwund entgegenzutreten. Der Große Senat des BAG hat im Jahr 1967 Differenzierungsklauseln für grundsätzlich unzulässig erklärt.[1]

Die neuere Rechtsprechung des BAG hat einfache Differenzierungsklauseln unter bestimmten Voraussetzungen als zulässig angesehen.[2] Eine einfache Differenzierungsklausel macht eine einzelne, anspruchsbegründende tarifliche Regelung ausdrücklich von der Mitgliedschaft in einer bestimmten Gewerkschaft (nämlich die am Tarifvertrag beteiligte) abhängig, d. h. wer nicht Mitglied dieser konkreten Gewerkschaft ist, bekommt die tarifliche Leistung nicht. Im konkreten vom BAG entschiedenen Fall ging es um eine jährliche Sonderzahlung in Höhe von 535 EUR. Diese Regelung begegnet nach Ansicht des BAG keinen grundsätzlichen tarifrechtlichen oder verfassungsrechtlichen Bedenken. Sie stellt kein Verstoß gegen die negative Koalitionsfreiheit dar, weil die Zahlung nur etwa ein Viertel Monatsentgelt bzw. nicht mehr als 2 Jahresbeiträge der Gewerkschaft ausmacht und daher noch kein mit Zwang vergleichbarer Druck auf die Beschäftigten besteht, in die Gewerkschaft einzutreten. Zudem soll die Differenzierungsklausel nicht an die Regelungen des Austauschverhältnisses von Leistung und Gegenleistung anknüpfen.[3] In der Literatur wird zum Teil für den öffentlichen Dienst die Zulässigkeit von einfachen Differenzierungsklauseln verneint, da dies mit den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit nicht vereinbar sei.[4]

 

Wichtig

Eine einfache Differenzierungsklausel verpflichtet nicht den Arbeitgeber, der den Tarifvertrag aufgrund einer arbeitsvertraglichen Bezugnahme anwendet, auch an Beschäftigte, die nicht Mitglieder dieser Gewerkschaft sind, die zusätzliche tarifliche Leistung zu erbringen, die nach dem Tarifvertrag nur für Mitglieder einer bestimmten Gewerkschaft vorgesehen ist. Für die zusätzliche Zahlung ist nämlich die Gewerkschaftszugehörigkeit konstitutive Voraussetzung.

Aus einer einfachen Differenzierungsklausel kann ein Beschäftigter, der nicht Gewerkschaftsmitglied ist, regelmäßig keine Ansprüche herleiten. Sofern eine einfache Differenzierungsklausel wirksam ist, erfüllt der Beschäftigte die Voraussetzungen nicht, und wenn die Klausel unwirksam ist, ist aus der Befolgung eines unwirksamen Normbefehls durch den Arbeitgeber keine Pflicht zur Gleichbehandlung zu entnehmen.[5]

Es bleibt dem Arbeitgeber aber unbenommen, auch an die Beschäftigten, die nicht Mitglied der Gewerkschaft sind, die zusätzliche Zahlung freiwillig übertariflich vorzunehmen. Dies kann durch arbeitsvertragliche Vereinbarung, eine Gesamtzusage oder eine betriebliche Übung (die es im unmittelbaren öffentlichen Dienst grundsätzlich nicht gibt) geschehen. Im Ergebnis führt dies dann dazu, dass alle Beschäftigten des Arbeitgebers, egal ob bzw. welcher Gewerkschaft sie angehören, diese zusätzliche Zahlung erhalten.

Die Vereinbarung von Zusatzleistungen für Gewerkschaftsmitglieder muss sich nicht am arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz messen. Seitens der Gerichte gibt es eine Angemessenheitsvermutung von Verträgen tariffähiger Vereinigungen und diese werden daher nicht anhand des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes überprüft. Dies gilt unabhängig davon, ob die Zusatzleistung für Gewerkschaftsmitglieder (hier Erholungsbeihilfe in Höhe von 200 EUR) in einem Tarifvertrag oder einer sonstigen schuldrechtlichen Koalitionsvereinbarung (z. B. Sanierungsvereinbarung) geregelt worden ist.[6]

Auch einfache Differenzierungsklauseln greifen in das Austauschverhältnis von Leistung und Gegenleistung ein und sollten einen Stichtag für den Zeitpunkt der Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft aufweisen, der in der Vergangenheit liegt. Dann kommt eine Rechtsunwirksamkeit wegen Verstoßes gegen die negative Koalitionsfreiheit nicht in Betracht.[7]

Das BVerfG hält eine unterschiedliche Behandlung von gewerkschaftlich organisierten und nicht gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten in einem Tarifvertrag für grundsätzlich zulässig. Nur wenn die Privilegierung der Gewerkschaftsmitglieder zu einem Zwang oder Druck zum Gewerkschaftsbeitritt führt, stellt dies eine Verletzung der negativen Koalitionsfreiheit dar.[8]

Unzulässig wäre eine qualifizierte tarifliche Differenzierungsklausel (sog. Spannensicherungsklausel oder auch Abstandsklausel). Mit einer solchen vertraglichen Regelung würden die Mitglieder der Gewerk...

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