Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf. Unmittelbare Diskriminierung aus Gründen der Religion. Nationale Regelung, nach der bestimmten Arbeitnehmern am Karfreitag ein Urlaubstag zusteht. Rechtfertigung. Verpflichtungen der privaten Arbeitgeber und der nationalen Gerichte, die sich aus einer Unvereinbarkeit des nationalen Rechts mit der Richtlinie 2000/78 ergeben

 

Normenkette

Charta der Grundrechte der Europäischen Union Art. 21; Richtlinie 2000/78/EG § Art. 2 Abs. 2 Buchst. a; Richtlinie 2000/78 § Art. 2 Abs. 5; Richtlinie 2000/78 § Art. 7 Abs. 1

 

Beteiligte

Cresco Investigation

Cresco Investigation GmbH

Markus Achatzi

 

Tenor

1. Art. 1 und Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf sind dahin auszulegen, dass eine nationale Regelung, nach der zum einen der Karfreitag ein Feiertag nur für die Arbeitnehmer ist, die bestimmten christlichen Kirchen angehören, und zum anderen nur diese Arbeitnehmer, wenn sie zur Arbeit an diesem Feiertag herangezogen werden, Anspruch auf ein Zusatzentgelt für die an diesem Tag erbrachte Arbeitsleistung haben, eine unmittelbare Diskriminierung der Religion wegen darstellt.

Die mit dieser nationalen Regelung vorgesehenen Maßnahmen können weder als zur Wahrung der Rechte und Freiheiten anderer notwendige Maßnahmen im Sinne des Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie 2000/78 noch als spezifische Maßnahmen zum Ausgleich von Benachteiligungen wegen der Religion im Sinne des Art. 7 Abs. 1 dieser Richtlinie angesehen werden.

2. Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist dahin auszulegen, dass, solange der betroffene Mitgliedstaat seine Regelung, nach der nur den Arbeitnehmern, die bestimmten christlichen Kirchen angehören, der Anspruch auf einen Feiertag am Karfreitag zusteht, nicht zur Wiederherstellung der Gleichbehandlung geändert hat, ein privater Arbeitgeber, der dieser Regelung unterliegt, verpflichtet ist, auch seinen anderen Arbeitnehmern das Recht auf einen Feiertag am Karfreitag zu gewähren, sofern diese zuvor mit dem Anliegen an ihn herangetreten sind, an diesem Tag nicht arbeiten zu müssen, und ihnen folglich, wenn er sie abschlägig beschieden hat, das Recht auf ein Zusatzentgelt für die an diesem Tag erbrachte Arbeitsleistung zuzuerkennen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Obersten Gerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 24. März 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 13. April 2017, in dem Verfahren

Cresco Investigation GmbH

gegen

Markus Achatzi

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, der Vizepräsidentin R. Silva de Lapuerta, der Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot und A. Arabadjiev, der Kammerpräsidentinnen A. Prechal und C. Toader, des Kammerpräsidenten C. Lycourgos (Berichterstatter) sowie der Richter A. Rosas, M. Ilešič, M. Safjan, D. Šváby, C. Vajda und S. Rodin,

Generalanwalt: M. Bobek,

Kanzler: R. Şereş, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 10. April 2018,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Cresco Investigation GmbH, vertreten durch Rechtsanwältin M. Zehetbauer,
  • von Herrn Achatzi, vertreten durch Rechtsanwalt A. Obereder,
  • der österreichischen Regierung, vertreten durch G. Hesse als Bevollmächtigten,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. Gentili und F. De Luca, avvocati dello Stato,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna, M. Szwarc und A. Siwek als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch B.-R. Killmann und D. Martin als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 25. Juli 2018

folgendes

 

Entscheidungsgründe

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) sowie von Art. 1, Art. 2 Abs. 2 Buchst. a, Art. 2 Abs. 5 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. 2000, L 303, S. 16).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Cresco Investigation GmbH (im Folgenden: Cresco) und Herrn Markus Achatzi über dessen Anspruch auf ein Zusatzentgelt für die an einem Karfreitag erbrachte Arbeitsleistung.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Im 24. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/78 wird ausgeführt:

„Die Europäische Union hat in ihrer der Schlussakte zum Vertrag von Amsterdam beigefügten Erklärung Nr. 11 zum Status der Kirchen und weltanschaulichen Gemeinschaften ausdrücklich anerkannt, dass sie den Status, den Kirchen und religiöse Vereinigungen oder Gemeinschaften in den Mitgliedstaaten nach deren Rechtsvorschriften g...

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