Entscheidungsstichwort (Thema)

Soziale Sicherheit der Wandererwerbstätigen. Prüfung eines Anspruchs auf Altersrente. Berücksichtigung von in einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegten Kindererziehungszeiten. Anwendbarkeit. Freizügigkeit. Verordnung (EG) Nr. 987/2009 Art. 44 Abs. 2

 

Normenkette

AEUV Art. 21

 

Beteiligte

Reichel-Albert

Deutsche Rentenversicherung Nordbayern

Doris Reichel-Albert

 

Tenor

Art. 21 AEUV ist in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren fraglichen dahin auszulegen, dass er die zuständige Einrichtung eines ersten Mitgliedstaats dazu verpflichtet, im Hinblick auf die Gewährung einer Altersrente Kindererziehungszeiten, die in einem zweiten Mitgliedstaat von einer Person zurückgelegt wurden, welche nur in dem ersten Mitgliedstaat eine berufliche Tätigkeit ausgeübt hat und welche zur Zeit der Geburt ihrer Kinder ihre Berufstätigkeit vorübergehend eingestellt und ihren Wohnsitz aus rein familiären Gründen im Hoheitsgebiet des zweiten Mitgliedstaats begründet hatte, so zu berücksichtigen, als seien diese Kindererziehungszeiten im Inland zurückgelegt worden.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Sozialgericht Würzburg (Deutschland) mit Entscheidung vom 29. Oktober 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 9. November 2010, in dem Verfahren

Doris Reichel-Albert

gegen

Deutsche Rentenversicherung Nordbayern

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, des Richters J. Malenovský, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter G. Arestis und D. Šváby (Berichterstatter),

Generalanwalt: N. Jääskinen,

Kanzler: A. Impellizzeri, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 12. Januar 2012,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Frau Reichel-Albert, vertreten durch Rechtsanwalt J. Schwach,
  • der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern, vertreten durch Direktor W. Willeke,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und J. Möller als Bevollmächtigte,
  • der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch V. Kreuschitz und M. van Hoof als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 1. März 2012

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 44 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. L 284, S. 1).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Reichel-Albert und der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern (im Folgenden: DRN) wegen deren Weigerung, die „Kindererziehungszeiten” und „Berücksichtigungszeiten”, die Frau Reichel-Albert in Belgien zurückgelegt hat, für die Berechnung ihrer künftigen Altersrente anzuerkennen und anzurechnen.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71

Rz. 3

Art. 13 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (ABl. L 149, S. 2), enthält eine Reihe von Regeln zur Bestimmung der jeweils anzuwendenden Rechtsvorschriften. Er sieht vor, dass diese Regeln zur Anwendung kommen, soweit nicht die Art. 14 bis 17 dieser Verordnung, die verschiedene spezielle Regeln enthalten, etwas anderes bestimmen.

Rz. 4

Art. 13 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1408/71 lautet:

„ein Arbeitnehmer, der im Gebiet eines Mitgliedstaats beschäftigt ist, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Staates, und auch dann, wenn er im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt oder sein Arbeitgeber oder das Unternehmen, das ihn beschäftigt, seinen Wohnsitz oder Betriebssitz im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats hat”.

Rz. 5

Art. 13 Abs. 2 Buchst. f der Verordnung Nr. 1408/71, der mit Wirkung ab 29. Juli 1991 durch die Verordnung (EWG) Nr. 2195/91 des Rates vom 25. Juni 1991 zur Änderung der Verordnung Nr. 1408/71 und der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 über die Durchführung der Verordnung Nr. 1408/71 (ABl. L 206, S. 2) eingefügt wurde, bestimmt:

„eine Person, die den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht weiterhin unterliegt, ohne dass die Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats gemäß einer der Vorschriften in den vorhergehenden Buchstaben oder einer der Ausnahmen bzw. Sonderregelungen der Artikel 14 bis 17 auf sie anwendbar würden, unterliegt den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet sie wohnt, nach Maßgabe allein dieser Rechtsvorschriften”.

Die Verordnung (EG) Nr. 883/2004

Rz. 6

Die am 20. Mai 2004 in Kraft getretene Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (AB...

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