Die Schweigepflicht war im DRK-TV a. F. in § 8 Abs. 1-3 geregelt und wurde wortgleich in § 4 Abs. 4 übernommen. Ein Anliegen der in der Bundestarifgemeinschaft vertretenen Arbeitgeber war es, den DRK-TV mit 67 Paragrafen und 24 Sonderregelungen zu straffen; daher wurde auf Regelungen entweder ganz verzichtet, wenn sie materiell der Gesetzeslage entsprachen oder aber Regelungen wurden in weniger Paragrafen (und mehr Absätzen) zusammengefasst, – was der Übersichtlichkeit nicht gerade dienlich ist.

Die Schweigeverpflichtung ist im DRK-Reformtarifvertrag weiter gefasst als im TVöD, der sich nur auf die Geheimhaltung durch gesetzliche Vorschriften oder auf Weisung des Arbeitgebers bezieht. Die DRK-Schweigepflicht umfasst zunächst auch "außerhalb des Dienstes bekannt gewordene Angelegenheiten". Dies betrifft nicht nur die Kenntnisnahme während einer für das Rote Kreuz ehrenamtlich erbrachten Tätigkeit, sondern grundsätzlich jede, auch private, Kenntnisnahme.

Des Weiteren umfasst die Schweigepflicht nicht nur – wie im TVöD – die durch den Arbeitgeber ausdrücklich angeordneten Geheimhaltung, sondern auch die in der Natur der Sache liegende Vertraulichkeit bzw. Geheimhaltung.

Darüber hinaus ist der Mitarbeiter gem. § 4 Abs. 4 Satz 2 verpflichtet, zu allen Aussagen, die durch Anweisung des Arbeitgebers oder durch die Natur der Sache geheim oder vertraulich zu behandeln sind, die Zustimmung des Arbeitgebers einzuholen.

 
Praxis-Beispiel

Der Betriebselektriker des DRK-Kreisverbands verbringt die Mittagspause bei einer Kollegin in der Buchhaltung. Während die Kollegin kurz abwesend ist, sieht er auf deren Schreibtisch einen Überweisungsträger, aus dem hervorgeht, dass der Fabrikant X dem Roten Kreuz eine bedeutende Spende zukommen ließ. Der Mitarbeiter weiß aus der Presse, dass Fabrikant X gerade aus finanziellen Gründen mehrere Arbeiter entlassen hat. Daher teilt er sein Wissen seinem Schwager mit, der Mitglied des Betriebsrats in der Fabrik des X ist und der die Information an die Presse weitergibt.

Eine vertrauliche Behandlung von Spenden ist vom Arbeitgeber den Mitarbeitern im technischen Dienst nicht ausdrücklich angeordnet worden. Dennoch liegt ein Verstoß gegen § 4 Abs. 4 Satz 1 vor, da sich die vertrauliche Behandlung von Spenden aus der Natur der Sache ergibt und der Mitarbeiter darüber hinaus die gem. Abs. 4 Satz 2 erforderliche Zustimmung des Arbeitgebers nicht eingeholt hat. Auch wenn der Mitarbeiter von der Weitergabe an die Presse keine Kenntnis hatte, stellt die Mitteilung an den Schwager eine Pflichtverletzung mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen dar.

 
Praxis-Beispiel

Ein Mitarbeiter der Leitstelle erhält eine Abmahnung, weil er es unterlassen hatte, bei einem Notruf das erforderliche Rettungsmittel zum Einsatz zu bringen. Um seine Überforderung an dem fraglichen Tag darzulegen, schickt er seinem Anwalt die Ausdrucke der Anrufe diesen Tages. In diesen Ausdrucken sind nicht nur die persönlichen Daten der Anrufer bzw. der Patienten enthalten, sondern auch das (vermutete) Krankheitsbild.

Nach § 4 Abs. 4 Satz 3 darf der Mitarbeiter "zu außerdienstlichen Zwecken weder sich noch einem Dritten ohne Genehmigung des Arbeitgebers Kenntnis von dienstlichen Schriftstücken verschaffen". Der Mitarbeiter war hier nicht berechtigt, diese Anruf-Protokolle für sich selbst auszudrucken und schon gar nicht, sie seinem Anwalt zukommen zu lassen.

Die Verwendung der Schriftstücke als Verteidigungsmittel in einem Arbeitsgerichtsverfahren wegen Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte ist außerdienstlichen Zwecken zuzurechnen. Der Verstoß kann arbeitsrechtlich geahndet werden.

§ 4 Abs. 4 Satz 4 besagt, dass die Schweigepflicht und das Verbot der Verwendung von Schriftstücken zu außerdienstlichen Zwecken auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestehen bleibt.

 
Praxis-Beispiel

Die Pflegedienstleiterin eines ambulanten Dienstes des DRK-Kreisverbands, die das Arbeitsverhältnis gekündigt hat, nimmt die Adressenliste der Patienten mit sowie Kopien der mit den zu Betreuenden abgeschlossen Verträge. Sie macht sich mit einem eigenen Pflegedienst selbstständig und wirbt mit niedrigeren Betreuungskosten die bisher vom DRK Betreuten ab.

Da das Arbeitsverhältnis mit dem DRK nicht mehr besteht, kommen arbeitsrechtliche Schritte nicht in Betracht. Ob wegen eines Verstoßes gegen eine tarifliche Vorschrift (Mitnahme von dienstlichen Schriftstücken ohne Genehmigung des Arbeitgebers) dem DRK Schadensersatzansprüche zustehen, ist höchst fraglich. Diese Bestimmung ist daher eher ein zahnloser Tiger.

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