Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitbestimmungsrecht bei Einführung technischer Einrichtungen zur Überwachung der Beschäftigten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Zur Frage der Mitbestimmungspflichtigkeit der Einführung eines Mitarbeiter-Berichtssystems mit anschließender Auswertung der von dem Beschäftigten laufend erstellten Tätigkeitsberichte durch eine Anlage der elektronischen Datenverarbeitung.

2. Das Mitbestimmungsrecht des Personalrats nach § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG erstreckt sich auch auf die Einführung und Anwendung solcher technischer Einrichtungen, die zur Überwachung von Verhalten oder Leistung der Beschäftigten objektiv "geeignet" sind, ohne daß der Dienststellenleiter die Absicht hat, sie zu diesem Zweck einzusetzen.

3. Der Beschäftigte wird auch dann durch die technische Einrichtung "überwacht", wenn die leistungs- und verhaltensbezogenen Daten nicht von der Einrichtung selbst erhoben werden, sondern ihr - auf Grund der von den Beschäftigten erstellten Tätigkeitsberichte - zur Speicherung und Verarbeitung eingegeben werden.

 

Normenkette

BPersVG § 104 S. 3; BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 6; BPersVG § 75 Abs. 3 Nrn. 8, 17

 

Verfahrensgang

Hessischer VGH (Beschluss vom 10.10.1984; Aktenzeichen BPV TK 29/83; ZBR 1985, 284)

VG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 21.11.1983; Aktenzeichen I/V - K 2181/83)

 

Tatbestand

Der Leiter der Organisationsabteilung der D. Bank teilte dem bei der Bank gebildeten Personalrat - dem Antragsteller - mit Schreiben vom 23. März 1983 mit, es sei beabsichtigt, ab April 1983 im Organisationsbereich ein Mitarbeiter-Berichtswesen einzuführen, das notwendig sei, um nach Übernahme der Software-Entwicklung in eigene Regie auch weiterhin über die Möglichkeit der Kontrolle und hausinternen Verrechnung von Entwicklungskosten zu verfügen. Kurz darauf erging eine interne Organisationsverfügung, durch die jeder Mitarbeiter des Organisationsbereichs verpflichtet wurde, täglich einen als "Tätigkeitsbericht" bezeichneten Vordruck auszufüllen. In diesen Tätigkeitsberichten ist die ausgeführte Arbeit unter Verwendung von Schlüsselzahlen, aufgegliedert nach Projekt, Problembezeichnung und Tätigkeit, zu kennzeichnen; daneben ist der Zeitaufwand nach Stunden und Minuten einzutragen. Zu erfassen sind auch dienstlich bedingte Abwesenheiten (Dienstreisen, Dienstgänge, Seminare), nicht dagegen Fehlzeiten wie Urlaub, Gleitzeit, Krankheit und persönlich bedingte Abwesenheiten während des Tages. Die mit Namen und Personalnummer versehenen Tätigkeitsberichte sind wöchentlich vorzulegen. Jeder Mitarbeiter soll monatlich eine maschinelle Auswertung über seine Tätigkeit erhalten.

Der Antragsteller hat daraufhin das personalvertretungsrechtliche Beschlußverfahren eingeleitet mit dem Antrag,

festzustellen, daß ihm hinsichtlich der Anordnung des Beteiligten vom 23.

März 1983 zur Einführung von Tätigkeitsberichten im Organisationsbereich

der D. Bank ein Mitbestimmungsrecht zustehe.

Zur Begründung hat er sich auf die Mitbestimmungstatbestände des § 75 Abs. 3 Nr. 8 BPersVG - Inhalt von Personalfragebögen - und § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG - Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Beschäftigten zu überwachen - berufen. Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Die Beschwerde des Beteiligten gegen diesen Beschluß hat der Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen, im wesentlichen aus folgenden Gründen:

Ob die Tätigkeitsberichte Personalfragebögen im Sinne des § 75 Abs. 3 Nr. 8 BPersVG seien, brauche nicht abschließend geklärt zu werden, da ein Mitbestimmungsrecht des Antragstellers jedenfalls aus § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG gegeben sei. Im Anschluß an die frühere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei bisher die Auffassung vertreten worden, daß dieser Tatbestand dann nicht erfüllt sei, wenn die Beschäftigten die von ihnen erledigten Aufgaben nebst Zeitaufwand selbst in Erhebungsbögen einzutragen hätten, und zwar auch dann nicht, wenn die einzelnen Daten anschließend von einer EDV-Anlage ausgewertet und jederzeit abrufbar gespeichert würden. Unter Aufgabe dieser Rechtsprechung schließe sich der Fachsenat nunmehr dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts vom 14. September 1984 - 1 ABR 23/82 - an, wonach auch die bloße technische Verarbeitung von Verhaltens- und Leistungsdaten, die die Beschäftigten selbst gefertigt hätten, der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliege, weil dieser Vorgang zu der gleichen Gefährdung des Persönlichkeitsrechts führe wie die technische Erhebung solcher Daten. Diese Auffassung entspreche dem Schutzzweck der Norm. Mit den vom Beteiligten angeführten Tätigkeitsberichten würden, soweit es um die Angabe von projektierten und nichtprojektierten Tätigkeiten nach Stunden und Minuten für einen bestimmten Berichtszeitraum gehe, leistungsbezogene Daten gefordert. Auch wenn diese Daten für sich allein noch kein vollständiges Bild über die Leistungsfähigkeit der einzelnen Beschäftigten vermitteln könnten, stellten sie doch im Bedarfsfalle einen wesentlichen Beurteilungsfaktor dar. Die Speicher- und Rechenkapazität der EDV-Anlage halte die Daten jederzeit bereit und gewährleiste damit eine ständige Überwachung der Beschäftigten. Dabei könne nicht unberücksichtigt bleiben, daß in einer EDV-Anlage nahezu unbegrenzt auch sonstige Elemente gespeichert werden könnten, die für die Leistungsbeurteilung von Bedeutung seien.

Gegen diesen Beschluß hat der Beteiligte die vom Verwaltungsgerichtshof zugelassene Rechtsbeschwerde eingelegt. Er beantragt,

den Beschluß des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs - Fachsenat für

Personalvertretungssachen (Bund) - vom 10. Oktober 1984 sowie den Beschluß

des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main - Fachkammer für

Personalvertretungssachen - vom 21. November 1983 zu ändern und den Antrag

des Antragstellers abzuweisen.

Der Beteiligte trägt vor: Der Mitbestimmungstatbestand des § 75 Abs. 3 Nr. 8 BPersVG sei deshalb nicht gegeben, weil eine Arbeitsplatzbeschreibung nicht dadurch zu einem Personalfragebogen werde, daß sie durch Personalangaben individualisierbar sei. Die gestellten Fragen hätten ausschließlich sachbezogenen Charakter.

Dem Antragsteller stehe aber auch kein Mitbestimmungsrecht nach § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG zu. Das Beschwerdegericht habe seine bisherige Rechtsprechung zu Unrecht aufgegeben. Das Bundesarbeitsgericht habe durch die unverhältnismäßige Ausdehnung des Überwachungsbegriffs die Grenze richterlicher Rechtsfortbildung überschritten. Wenn es nunmehr bereits ausreiche, daß in der Kette der zur Überwachung geeigneten Maßnahmen auch technische Einrichtungen vorkämen, seien Fälle einer nur mittelbaren, nicht mitbestimmungspflichtigen Überwachung gar nicht mehr denkbar. Eine derartige Ausdehnung der Mitbestimmung sei auch nicht durch den Schutzzweck der Norm geboten. Jedenfalls sei die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts nicht auf den Bereich des Personalvertretungsrechts zu übertragen. Da der Dienstherr dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und dem Rechtsstaatsprinzip unterworfen sei, seien die Gefahr eines Mißbrauchs und damit das Schutzbedürfnis der Beschäftigten entsprechend verringert. Außerdem könne durch die Ausdehnung des Schutzzwecks über den Wortlaut der Vorschrift hinaus eine Behinderung der öffentlichen Verwaltung bei der Erfüllung verfassungsmäßiger Aufgaben eintreten. Das Tätigkeitsberichtssystem diene nicht der Überwachung der Mitarbeiter, sondern es sei zur ordnungsgemäßen Erfüllung der öffentlichen Aufgaben der D. Bank erforderlich.

Der Antragsteller beantragt,

die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

Er vertritt weiterhin die Auffassung, daß die Einführung der Tätigkeitsberichte den Mitbestimmungstatbestand des § 75 Abs. 3 Nr. 8 BPersVG erfülle. Im übrigen verteidigt er die angefochtenen Beschlüsse und die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Er hält der Argumentation des Beteiligten insbesondere entgegen, daß es sich bei der D. Bank um ein nach rein privatwirtschaftlichen Grundsätzen arbeitendes Institut handele. Die Erfüllung der ihr obliegenden öffentlichen Aufgaben werde durch das beanspruchte Mitbestimmungsrecht in keiner Weise behindert.

Der Oberbundesanwalt hat sich an dem Verfahren beteiligt und ausgeführt, daß der Mitbestimmungstatbestand des § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG auch dann eingreife, wenn eine datenverarbeitende Anlage die leistungs- oder verhaltensbezogenen Angaben nicht selbst ermittle, sondern nur speichere und auswerte. Der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu der gleichlautenden Vorschrift des Betriebsverfassungsgesetzes sei auch für den Bereich des Personalvertretungsrechts zuzustimmen, da die Vorschrift dem gleichen Schutzzweck diene. Es mache von daher gesehen auch keinen grundsätzlichen Unterschied, ob eine technische Datenerhebung oder eine technische Datenauswertung vorliege. Darüber hinaus sei fraglich, ob nicht die Datenauswertung einen größeren Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers darstelle, der gegenüber die bloße technische Datenerhebung als Vorstufe der Überwachung erscheine. Das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst sei nicht minder schutzwürdig als das der Beschäftigten in der Privatwirtschaft. Das gelte auch unter Berücksichtigung der Tatsache, daß der Dienstherr rechtsstaatlichen Grundsätzen unterworfen sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Der Verwaltungsgerichtshof hat zu Recht entschieden, daß die Einführung des Mitarbeiter-Berichtssystems im Organisationsbereich der D. Bank der Mitbestimmung des Antragstellers unterlag.

Das Bundespersonalvertretungsgesetz ist auf die D. Bank anzuwenden, da sie gemäß Art. 1 § 1 des Gesetzes über die Deutsche Genossenschaftsbank und zur Änderung des Gesetzes über die Landwirtschaftliche Rentenbank vom 22. Dezember 1975 (BGBl. I, S. 3171) eine bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts ist. Gemäß § 1 Satz 1 BPersVG ist daher in ihrer Verwaltung eine Personalvertretung zu bilden. Die Bank wird durch ihren Vorstand geleitet, so daß dieser als Dienststellenleiter im Sinne des § 7 BPersVG anzusehen ist.

1. Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist durch die Einführung der Tätigkeitsberichte allerdings nicht der Mitbestimmungstatbestand des § 75 Abs. 3 Nr. 8 BPersVG erfüllt, wonach der Personalrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, ggf. durch Abschluß von Dienstvereinbarungen über den "Inhalt von Personalfragebogen für Angestellte und Arbeiter" mitzubestimmen hat. Nach der Rechtsprechung des Senats (Beschlüsse vom 15. Februar 1980 - BVerwG 6 P 80.78 - ≪Buchholz 238.3 A § 75 BPersVG Nr. 15 = PersV 1981, 294 = ZBR 1981, 132≫ und vom 26. März 1985 - BVerwG 6 P 31.82 - ≪Buchholz 238.38 § 77 RP PersVG Nr. 1 = ZBR 1985, 174 = PersR 1986, 95≫) ist ein Personalfragebogen im Sinne dieser Vorschrift ein Erhebungsbogen, der Fragen nach der Person, den persönlichen Verhältnissen, dem beruflichen Werdegang, den fachlichen Kenntnissen und sonstigen Fähigkeiten eines Bewerbers oder Beschäftigten enthält. Er ist also seiner Natur nach personenbezogen und vorzugsweise ein Mittel, die Eignung des Bewerbers oder Beschäftigten für bestimmte Aufgaben festzustellen. Demgegenüber bezieht sich eine durch Erhebungsbogen eingeholte Arbeitsplatzbeschreibung nur auf Inhalt, Umfang und Bedeutung der auf einem bestimmten Arbeitsplatz zu verrichtenden Tätigkeiten ohne Rücksicht auf den jeweiligen Inhaber des Arbeitsplatzes. An dieser durchweg zur tariflichen Eingruppierung vorgenommenen Arbeitsplatzbeschreibung besteht kein Mitbestimmungsrecht des Personalrats. Stehen Erhebungsbogen zur Diskussion, die sowohl personen- als auch sachbezogene Fragen enthalten, ist im Einzelfall zu prüfen, ob die personenbezogenen Fragen überwiegen. Wenn dies der Fall ist, dann kommt solchen Erhebungsbogen der Charakter eines Personalfragebogens zu, da es für die rechtliche Einordnung nur auf den Inhalt des Fragebogens, nicht aber auf den damit verfolgten Zweck ankommt (vgl. Beschluß vom 15. Februar 1980 - BVerwG 6 P 80.78 - a. a. O.).

Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs sind die von den Angestellten der Bank laufend zu fertigenden Tätigkeitsberichte im wesentlichen Arbeitsplatzbeschreibungen. Das gilt jedenfalls insoweit, als in den Tätigkeitsberichten die auf dem einzelnen Arbeitsplatz verrichteten projektgebundenen oder nichtprojektgebundenen Tätigkeiten unter Angabe bestimmter Schlüsselzahlen zu vermerken sind. Die Tätigkeitsberichte werden nicht etwa dadurch zu Personalfragebogen im Sinne des § 75 Abs. 3 Nr. 8 BPersVG, daß sie mit Namen und Personalnummer des Beschäftigten zu versehen und damit individualisierbar sind und darüber hinaus die für eine bestimmte Tätigkeit benötigte Zeit nach Stunden und Minuten anzugeben ist. Sie können nicht unmittelbar als eine Grundlage für die Beurteilung der Eignung oder Befähigung der Beschäftigten herangezogen werden, weil sich aus ihnen nicht entnehmen läßt, wie schwierig das bearbeitete Projekt ist, welchen Zeitaufwand seine Bearbeitung normalerweise erfordert und mit welchem Ergebnis es beendet worden ist. Auch liefern die Berichte keinen Hinweis darauf, ob die Arbeit oberflächlich oder gründlich, ob sie richtig oder fehlerhaft erledigt worden ist. Da sich den Berichten unmittelbar nur die Zeitdauer entnehmen läßt, die ein bestimmter Beschäftigter für ein bestimmtes Projekt aufgewandt hat, läßt sich zwar im Wege der Datenauswertung unter Zusammenfassung des gesamten Zeitaufwandes aller mit der Aufgabe Beschäftigten eine kalkulatorische Grundlage für die Kostenabrechnung gewinnen; eine Beurteilungsgrundlage für die Eignung der Beschäftigten bieten die Erhebungsbogen jedoch genausowenig wie die monatliche Auswertung der Angaben, weil die damit erhobenen Daten, obwohl sie unter einzelnen Aspekten einen personalen Bezug haben, aus den dargelegten Gründen objektiv ungeeignet sind, auch nur als Grundlage für die Feststellung eines irgendwie gearteten individuellen "Eignungsprofils" des einzelnen Beschäftigten zu dienen. Damit ist ein sich aus § 75 Abs. 3 Nr. 8 BPersVG ergebendes Mitbestimmungsrecht des Personalrats zu verneinen.

2. Die Maßnahme des Beteiligten unterlag jedoch der Mitbestimmung des Antragstellers gemäß § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG, wonach der Personalrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, ggf. durch Abschluß von Dienstvereinbarungen mitzubestimmen hat über die Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Beschäftigten zu überwachen. Insoweit ist der Antrag des Antragstellers sachgerecht dahin auszulegen, daß er ein Beteiligungsrecht nicht nur bei dem Ausfüllen der Tätigkeitsberichte beansprucht, sondern - da die Berichte durch eine EDV-Anlage ausgewertet werden - an dem Gesamtvorgang "manuelles Ausfüllen von Erhebungsbogen mit anschließender Bearbeitung durch eine EDV-Anlage".

Das Bundesarbeitsgericht hat sich bereits in zahlreichen Entscheidungen mit der Auslegung der nahezu gleichlautenden Mitbestimmungsvorschrift des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG befaßt und ist dabei insbesondere auch auf den Begriff der "Überwachung" von Verhalten oder Leistung der Arbeitnehmer sowie auf die Frage eingegangen, unter welchen Voraussetzungen eine technische Einrichtung zu dieser Überwachung "bestimmt" ist (vgl. insbesondere die Beschlüsse vom 9. September 1975 - 1 ABR 20/74 - ≪AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 - Überwachung -≫, vom 10. Juli 1979 - 1 ABR 50/78 - ≪AP Nr. 3 a. a. O.≫, vom 6. Dezember 1983 - 1 ABR 43/81 - ≪BAG 44, 285≫, vom 14. September 1984 - 1 ABR 23/82 - ≪BAG 46, 367≫, vom 23. April 1985 - 1 ABR 2/82 - ≪AP Nr. 12 a. a. O.≫ und vom 11. März 1986 - 1 ABR 12/84 - ≪AP Nr. 14 a. a. O.≫). Den in diesen Entscheidungen zum Gegenstand und Umfang des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats entwickelten Grundsätzen tritt der erkennende Senat für den Geltungsbereich des § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG jedenfalls insoweit bei, als sie für die Entscheidung dieser Rechtssache erheblich sind. Bei der Auslegung und Anwendung der Mitbestimmungstatbestände des Personalvertretungsrechts ist zwar jeweils zu berücksichtigen, daß es sich bei diesem um eine gegenüber dem Betriebsverfassungsrecht selbständige Gesetzesmaterie handelt, die auf die besonderen Verhältnisse im öffentlichen Dienst ausgerichtet ist. Dabei ist vor allem zu beachten, daß der öffentliche Dienst an gesetzliche Aufträge gebunden ist und in seinem Handeln der Kontrolle der Volksvertretung unterliegt. Die Regierungsverantwortlichkeit und die parlamentarische Kontrolle, die zum Wesenskern des demokratischen Rechtsstaats gehören, dürfen daher durch die Beteiligungsrechte der Verwaltungsangehörigen nicht beeinträchtigt werden (vgl. Bericht des Innenausschusses des Bundestages zum Entwurf eines Bundespersonalvertretungsgesetzes, BT-Drucks. 7/1373, S. 2). Soweit jedoch der Gesetzgeber in den Personalvertretungsgesetzen einen mit der betriebsverfassungsrechtlichen Regelung im wesentlichen gleichlautenden Mitbestimmungstatbestand geschaffen hat, muß - wenn nicht Anlaß für eine abweichende Auslegung gegeben ist - davon ausgegangen werden, daß er damit für die Personalvertretungen eine gleichartige Beteiligungsbefugnis begründen wollte (vgl. BVerwGE 75, 365 ≪371≫ zur Mitbestimmung in Fragen der Lohngestaltung). Für den Mitbestimmungstatbestand des § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG erfordern es aber die Unterschiede zwischen öffentlicher Verwaltung und Privatwirtschaft nicht, das Beteiligungsrecht der Personalvertretung grundsätzlich enger zu fassen, als dies im Betriebsverfassungsrecht angängig ist.

Der Mitbestimmung des Personalrats gemäß § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG unterliegen demnach die Einführung und Anwendung aller technischer Einrichtungen, die ihrer Konstruktion oder konkreten Verwendungsweise nach eine Überwachung von Leistung oder Verhalten der Beschäftigten ermöglichen. Das Mitbestimmungsrecht erstreckt sich somit auch auf solche Einrichtungen, die zur Überwachung lediglich objektiv "geeignet" sind, ohne daß der Dienststellenleiter bei ihrer Einführung und Anwendung die Absicht hat, sie zu diesem Zweck einzusetzen (ebenso: Lorenzen/Haas/Schmitt, BPersVG, § 75 Rz 195 a; Dietz/Richardi, BPersVG, § 75 Rz 518; Grabendorff/Windscheid/Ilbertz/Widmaier, BPersVG, 6. Aufl., § 75 Rz 205; a. A. Fürst, GKÖD V, K § 75 Rz 114 a). Diese Auslegung des Mitbestimmungstatbestandes folgt zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Vorschrift, sie steht dazu aber auch nicht in Widerspruch. Denn das Tatbestandsmerkmal "die dazu bestimmt sind" knüpft unmittelbar an das Wort "Einrichtungen" an und zwingt daher nicht dazu, auf die Willensrichtung des Dienststellenleiters bei der Einführung und Anwendung der Einrichtung abzustellen. Entscheidend für die objektiv- finale Betrachtungsweise ist der Schutzzweck des § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG, der darauf gerichtet ist, den von der Technisierung der Verhaltens- und Leistungskontrolle, insbesondere vom Einsatz der elektronischen Datenverarbeitung, für den Persönlichkeitsschutz der Beschäftigten ausgehenden Gefahren durch gleichberechtigte Beteiligung der Personalvertretung zu begegnen. Die kontrollierende Beobachtung der Beschäftigten durch Verwendung anonymer technischer Kontrolleinrichtungen mit der Möglichkeit einer lückenlosen Erfassung von Verhaltens- und Leistungsdaten stellt schon für sich allein einen Eingriff in die Persönlichkeitssphäre dar, wie er bei der zweifelsfrei mitbestimmungsfreien Überwachung durch Vorgesetzte nicht gegeben und auch nicht möglich ist. Dieser Schutzzweck der Mitbestimmungsvorschrift gebietet eine Beteiligung der Personalvertretung nicht nur in den Fällen, in denen der Dienststellenleiter erklärtermaßen eine technische Einrichtung zur Überwachung einsetzt, sondern schon dann, wenn er überhaupt eine technische Einrichtung installieren läßt, die personenbezogene Daten der Beschäftigten speichert, die für die Beurteilung ihres Verhaltens oder ihrer Leistung von Bedeutung sind. Denn schon allein die Speicherung dieser Daten birgt die Gefahr in sich, daß sie auch ausgewertet werden und damit möglicherweise in die Persönlichkeitssphäre der Beschäftigten eingegriffen wird.

Gegen einen solchen Einsatz technischer Kontrolleinrichtungen gibt es - wie in der privaten Wirtschaft - auch in der öffentlichen Verwaltung für die Beschäftigten und die Personalvertretungen keine hinreichenden, rechtlich gesicherten Abwehrmöglichkeiten. Insbesondere kann es nicht genügen, daß der Dienststellenleiter versichert, er werde von den bestehenden, nicht beabsichtigten Überwachungsmöglichkeiten keinen Gebrauch machen. Eine solche Erklärung wäre gegenüber der Personalvertretung nur dann verbindlich, wenn sie Inhalt einer Dienstvereinbarung wäre, wie sie in § 75 Abs. 3 BPersVG vorgesehen ist. Der Abschluß einer solchen Vereinbarung setzt jedoch voraus, daß hinsichtlich der beabsichtigten Maßnahme überhaupt ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats gegeben ist. Wäre also bei der Anwendung des § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG auf die Überwachungsabsicht abzustellen, könnte eine Verwertung der Informationen, die durch eine zu Überwachungszwecken geeignete technische Einrichtung ermittelt worden sind, auch bei einer Verzichtserklärung des Dienststellenleiters nicht auf Dauer ausgeschlossen werden.

Der Hinweis des Beteiligten auf den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und das Rechtsstaatsprinzip geht in diesem Zusammenhang schon deshalb fehl, weil die Speicherung und Auswertung personenbezogener Daten durch technische Einrichtungen zur Überwachung des Verhaltens oder der Leistung der Beschäftigten nicht grundsätzlich rechtswidrig ist (zur datenschutzrechtlichen Beurteilung vgl. §§ 7 Abs. 3, 23 BDSG). Im übrigen verkennt diese Auffassung, daß der Mitbestimmungstatbestand des § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG nicht nur die Gefahren verhindern will, die sich aus der Verwendung rechtswidrig erhobener Daten ergeben, sondern den Persönlichkeitsschutz der Beschäftigten auch bei der Erfassung und Auswertung zulässig erhobener Daten gewährleisten will.

Bei der Auslegung des § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG ist dem Bundesarbeitsgericht weiter darin zu folgen, daß es für die Mitbestimmungspflichtigkeit der Maßnahme nicht darauf ankommt, ob die leistungs- und verhaltensbezogenen Daten unmittelbar auf technischem Weg, also durch die Einrichtung selbst, erhoben werden oder ob sie dem System zum Zwecke der Speicherung und Verarbeitung eingegeben werden müssen (mittelbare Datenerfassung). Der Mitbestimmung des Personalrats unterliegt demnach auch die Einführung eines elektronischen Informationssystems unter Verwendung schematisierter, mit Personalnummer zu versehender Erhebungsbogen. Das gilt jedenfalls dann, wenn das Ausfüllen der Erhebungsbogen durch die Beschäftigten mit der anschließenden Verarbeitung durch die EDV-Anlage einen Gesamtvorgang bildet, das Ausfüllen der Vordrucke also dazu bestimmt ist, die technische Auswertung der Daten zu ermöglichen. Der Begriff der "Überwachung" umfaßt nach seiner sprachlichen Bedeutung sowohl das Sammeln von Informationen als auch die Auswertung bereits vorliegender Informationen im Hinblick auf eine Beurteilung der Beschäftigten. Dies wird auch durch den Schutzzweck der Vorschrift bestätigt, da das Persönlichkeitsrecht der Beschäftigten durch die Auswertung der verhaltens- oder leistungsbezogenen Daten stärker gefährdet ist als durch die bloße Datenerhebung. Für die Anwendung der Mitbestimmungsregelung ist es somit nicht erheblich, ob die Beschäftigten allein durch technische Einrichtungen überwacht werden oder ob sie in Erfüllung ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtungen an der Überwachung durch regelmäßig zu erstellende Tätigkeitsberichte, die sodann durch Datenverarbeitungsgeräte ausgewertet werden, aktiv mitwirken.

Die Mitbestimmungspflichtigkeit auch solcher technischer Einrichtungen, die - unabhängig von der Absicht des Dienststellenleiters - lediglich objektiv zur Verhaltens- oder Leistungskontrolle geeignet sind, führt entgegen der in Fürst, GKÖD V, K § 75 Rz 114 a ff. vertretenen Auffassung nicht notwendig dazu, daß die öffentliche Verwaltung in der Erfüllung ihrer Aufgaben und damit in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich beeinträchtigt wird. Verfassungsrechtliche Gründe schließen es grundsätzlich nicht aus, daß neben technischen Einrichtungen, die vom Dienststellenleiter ausdrücklich zum Zwecke der Überwachung der Beschäftigten eingesetzt werden, auch solche der Mitbestimmung der Personalvertretung unterworfen werden, bei denen diese Absicht zwar nicht besteht, bei denen aber aufgrund der objektiven Gegebenheiten der Anlage Beschäftigtendaten anfallen, von denen der Dienststellenleiter - möglicherweise ohne Kenntnis der Beschäftigten und ohne daß sie sich darauf einstellen können - bei der Beurteilung ihres Verhaltens oder ihrer Leistung Gebrauch machen kann. Das gilt jedenfalls dann, wenn - worauf der Hessische Staatsgerichtshof in Abschnitt IV Nr. 8 b seines Urteils vom 30. April 1986 - P. St. 1023 - (PersV 1986, 227) zu dem Mitbestimmungstatbestand des § 61 Abs. 1 Nr. 17, zweiter Spiegelstrich, des Hessischen Personalvertretungsgesetzes in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 11. Juli 1984 (GVBl. 1984 I S. 181) zu Recht hingewiesen hat - bei der Auslegung und Anwendung des Mitbestimmungstatbestandes des § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG der dem Dienstherrn in organisatorischen Angelegenheiten zustehende Regelungsspielraum, in den die Mitbestimmung nicht eindringen darf, als Schranke des Mitbestimmungsrechts beachtet wird (vgl. § 104 Satz 3 BPersVG). Demnach kommt ein Mitbestimmungsrecht der Personalvertretung - und damit ein Letztentscheidungsrecht der Einigungsstelle - nur bei solchen technischen Einrichtungen in Betracht, die eine Aussage unmittelbar über Verhalten oder Leistung der Beschäftigten liefern. Anlagen der elektronischen Datenverarbeitung sind nur dann zur Überwachung geeignet, wenn sie mit einem entsprechenden Programm versehen sind oder werden können. Unter diesen Voraussetzungen kann es dem Dienststellenleiter zugemutet werden, mit dem Personalrat eine Dienstvereinbarung zu schließen und darin die Modalitäten der Speicherung und weiteren Verwendung der - nach Angaben der Dienststelle für die Verhaltens- und Leistungskontrolle nicht benötigten - Daten verbindlich festzulegen. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß das Mitbestimmungsrecht des Personalrats auch in diesem Falle auf die Wahrung der vom Schutzzweck der Norm angesprochenen Belange der Beschäftigten beschränkt ist. Die Personalvertretung ist somit nicht in der Lage, eine aus sachlichen Gründen erforderliche oder sogar gesetzlich gebotene Einführung und Anwendung technischer Kontrolleinrichtungen überhaupt zu verhindern.

Nach alledem bedurfte die Einführung des Mitarbeiter-Berichtssystems durch den Beteiligten gemäß § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG der Zustimmung des Antragstellers. Denn die von den Angestellten im Organisationsbereich zu erstellenden Tätigkeitsberichte sind von vornherein auf die Auswertung durch eine Anlage der elektronischen Datenverarbeitung konzipiert und nur für eine solche Auswertung verwendbar. Das handschriftliche Ausfüllen der Formulare dient ausschließlich der Vorbereitung ihrer Auswertung durch die EDV-Anlage, die nach Angaben des Beteiligten zwar zur Kontrolle und hausinternen Verrechnung der entstehenden Entwicklungskosten eingerichtet worden ist, außerdem aber auch eine Beurteilung des Verhaltens oder der Leistung der Bankangestellten bei der Bearbeitung der ihnen übertragenen Projekte ermöglicht. Das Mitarbeiter-Berichtssystem stellt somit in Verbindung mit der vorgesehenen Verwendung der mit ihm erhobenen Daten im Hinblick auf deren objektive Personenbezogenheit eine technische Einrichtung dar, die im Sinne des § 75 Abs. 3 Nr. 17 BPersVG dazu bestimmt ist, das Verhalten und die Leistung der Beschäftigten zu überwachen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 543814

DB 1988, 2002 (S1-2)

NJW 1988, 1750-1750 (L1-3)

Buchholz 250 § 75 BPersVG, Nr 53 (S,LT)

DokBer B 1988, 78-79 (L1-3)

BWVPr 1988, 208 (L)

CR 1988, 1036 (LT)

NZA 1988, 513-515 (LT1-3)

DVBl 1988, 355-358

Jur-PC 1989, 30-34 (LT)

PersV 1989, 68-71 (LT)

RDV 1988, 200-203 (KT)

RiA 1988, 184-187 (LT1-3)

DVBl. 1988, 355

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