Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosenhilfe. Höhe der Arbeitslosenhilfe. Neubemessung. Drei-Jahres-Frist. Versäumung der Drei-Jahres-Frist. Übergangsvorschrift. erneute Bewilligung. Bewilligungsabschnitt. Bindungswirkung. Bemessungsstichtag. fiktive Bemessung

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für einen neuen Bewilligungsabschnitt (§ 13 9a AFG) darf das Arbeitsamt eine versäumte Neubemessung nach § 136 Abs. 2b AFG nachholen; hierbei ist für die Bemessung nach § 112 Abs. 7 AFG von dem eigentlich richtigen Neubemessungsstichtag auszugehen.

 

Normenkette

AFG § 136 Abs. 2b S. 1, §§ 139a, 242f Abs. 10; SGG § 77; SGB X § 45

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 15.09.1994; Aktenzeichen L 9 Ar 171/93)

SG Duisburg (Entscheidung vom 28.09.1993; Aktenzeichen S 8 Ar 39/93)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 15. September 1994 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I

Streitig ist die Höhe der dem Kläger ab 2. Januar 1993 zu zahlenden Arbeitslosenhilfe (Alhi).

Der Kläger, der bis zum 31. Dezember 1982 als Röstmeister in einer Kaffeerösterei versicherungspflichtig beschäftigt war, bezog ab 1. Januar 1983 Arbeitslosengeld (Alg) und anschließend Alhi. Ab 2. Januar 1993 bewilligte das Arbeitsamt (ArbA) mit Bescheid vom 15. Januar 1993 die Alhi neu, und zwar nach einem gerundeten wöchentlichen Arbeitsentgelt von 920,– DM. Bis dahin hatte das Bemessungsentgelt 1.110,– DM betragen. Bei der Neubemessung ging das ArbA davon aus, der Kläger könne als Abteilungsleiter im Einzelhandel ein monatliches Arbeitsentgelt von 4.001,– DM erzielen. Der Widerspruch hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 18. März 1993).

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage, mit der der Kläger höhere Alhi forderte, abgewiesen (Urteil vom 28. September 1993). Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) den Bescheid der Beklagten vom 15. Januar 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. März 1993 aufgehoben (Urteil vom 15. September 1994). Es hat ausgeführt, der Kläger beantrage zutreffend nur noch die Aufhebung des Neufestsetzungsbescheids, da er nicht mehr die Berücksichtigung eines höheren Bemessungsentgelts als 1.110,– DM begehre. Die angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig, da das ArbA zum 1. Januar 1993 keine Neubemessung habe vornehmen dürfen. Der Gesetzgeber habe mit § 136 Abs. 2b Arbeitsförderungsgesetz (AFG) einen festliegenden Zeitrhythmus geschaffen, der nur alle drei Jahre zur Überprüfung der Bemessung berechtige. Im Falle des Klägers ergebe sich ein gesetzlich festgelegter Rhythmus zum 1. Januar 1986, 1989, 1992 und 1995. Da der maßgebliche Termin 1992 verpaßt worden sei, könne eine Neubemessung erst wieder zum 1. Januar 1995 erfolgen. Etwas anderes folge auch nicht aus der Übergangsvorschrift des § 242f Abs. 10 AFG. Der Kläger genieße wegen Versäumung des maßgeblichen Termins bis zu einer gesetzmäßigen Neufestsetzung Vertrauensschutz. Eine Neufestsetzung unabhängig von dem Ablauf der Drei-Jahres-Frist – also zu einem beliebigen oder auch nur zufälligen Zeitpunkt mit Beginn eines neuen Bewilligungsabschnitts – sei rechtswidrig. Denn der Sinn des § 136 Abs. 2b AFG sei es, alle drei Jahre, und nur zu diesem Zeitpunkt, den Arbeitsmarktwert des Arbeitslosen festzustellen, während in der Zwischenzeit eine solche Überprüfung nicht stattfinde, sondern das Bemessungsentgelt gemäß § 112a AFG dynamisiert werden solle. Dabei würden die vielfältigen Aufgaben der Beklagten und der andernfalls erhebliche Verwaltungsaufwand ebenso berücksichtigt wie das Vertrauen des Arbeitslosen, für einen bestimmten Zeitabschnitt von einem Leistungssatz aufgrund eines gleichbleibenden bzw angepaßten Bemessungsentgelts ausgehen zu können. Dies bedeute gleichzeitig, daß die Bindungswirkung der Alhi-Bewilligung, die sich gemäß § 139a Abs. 1 AFG in der Regel auf einen Zeitraum von längstens einem Jahr beziehe, sich nicht nur auf diesen Bewilligungszeitraum beschränke, sondern sich auch auf die folgenden Bewilligungsabschnitte auswirke, solange nicht ein weiterer Drei-Jahres-Rhythmus gemäß § 136 Abs. 2b AFG verstrichen sei.

Mit der zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung der §§ 136 Abs. 2b und 139a Abs. 2 AFG. Sie teilt die Auffassung des LSG, wonach eine Neubemessung an sich zum 1. Januar 1992 hätte erfolgen müssen. Wenn die rechtzeitige Neubemessung versäumt worden sei, so könne sie jedenfalls für die Zukunft nachgeholt werden, wenn der Bewilligungsabschnitt nach § 139a AFG abgelaufen sei. Denn nach dieser Vorschrift seien vor einer Gewährung der Alhi für den nächsten Bewilligungsabschnitt alle Anspruchsvoraussetzungen zu prüfen, auch, ob der Arbeitslose nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarkts das bisher der Bemessung zugrundeliegende Arbeitsentgelt noch erzielen könne. Dies werde durch die Vorschrift des § 136 Abs. 2b AFG, die den Prüfungsumfang über die arbeitsmarktlichen Gesichtspunkte hinaus erweitere, nicht ausgeschlossen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt.

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Er hält das Urteil des LSG für zutreffend. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten sei auch nicht auf dem Weg über § 139a Abs. 2 AFG eine Neubemessung außerhalb des in § 136 Abs. 2b AFG festgelegten Zeitpunkts zulässig.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Beklagten ist im Sinne der Zurückverweisung begründet. Aufgrund der bisherigen Feststellungen LSG kann nicht abschließend darüber entschieden werden, ob der Kläger für die Zeit ab 2. Januar 1993 Anspruch auf höhere Alhi hat.

1. Zu entscheiden ist über eine verbundene Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG, nicht über eine reine Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG, wie das LSG angenommen hat. Durch den Bescheid vom 15. Januar 1993 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. März 1993) hat das ArbA über den Leistungsanspruch des Klägers ab 2. Januar 1993 und nicht nur – wie das LSG offenbar gemeint hat – über das neue Bemessungsentgelt entschieden. Denn die zuvor maßgebliche Alhi-Bewilligung war bis zum 1. Januar 1993 begrenzt. Durch die – vom LSG ausgesprochene – Aufhebung des Bewilligungsbescheides kann der Kläger das von ihm verfolgte Prozeßziel, nämlich ab 2. Januar 1993 Alhi nach einem höheren Bemessungsentgelt zu erhalten, nicht erreichen; die Aufhebung des Bewilligungsbescheides würde der Alhi-Zahlung für den streitigen Bewilligungszeitraum vielmehr die Grundlage entziehen.

Der Zulässigkeit der verbundenen Anfechtungs- und Leistungsklage steht nicht entgegen, daß der Kläger seinen ursprünglich verfolgten Leistungsantrag nicht mehr gestellt, sondern nur noch die Aufhebung des Bescheids beantragt hat. Denn nach § 123 SGG, der gemäß §§ 165, 153 Abs. 1 SGG auch für das Revisionsverfahren gilt, ist das Gericht an die Fassung der Anträge nicht gebunden. Es kommt vielmehr auf den vom Kläger erhobenen Anspruch an, dh auf das eigentliche sich aus dem Vorbringen ergebende Klagebegehren. Vorliegend sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß der Kläger sein ursprüngliches Klagebegehren, nämlich höhere als die von der Beklagten bewilligte Alhi zu erhalten, aufgegeben hat. Er hat sein Klagbegehren nur in zeitlicher Hinsicht beschränkt, nachdem sich die Beklagte bereiterklärt hat, die Anpassung der Alhi (§ 112a AFG) ab 2. Januar 1994 entsprechend dem rechtskräftigen Ausgang dieses Verfahrens vorzunehmen, und insoweit, als er nicht mehr die Zahlung von Alhi nach einem gerundeten wöchentlichen Arbeitsentgelt von 1.270,– DM begehrt (wie noch in der Berufungsbegründung beantragt), sondern nunmehr nur noch nach dem Bemessungsentgelt von 1.110,– DM.

2. Auch in der Sache kann dem LSG nicht gefolgt werden.

2.1 Nach den Feststellungen des LSG war dem Kläger zunächst Alhi nur bis zum 1. Januar 1993 bewilligt worden. Das entsprach der Regelung des § 139a Abs. 1 AFG, wonach die Alhi jeweils für längstens ein Jahr bewilligt werden soll. Das ArbA war daher gehalten, solange die Anspruchsvoraussetzungen weiterhin vorlagen, die Alhi für einen weiteren Bewilligungsabschnitt zu bewilligen, wie das durch den Bescheid vom 15. Januar 1993 geschehen ist. Dabei hatte das ArbA gemäß § 139a Abs. 2 AFG die Voraussetzungen des Anspruchs zu prüfen. Diese Prüfungspflicht beschränkt sich nicht auf „Grundvoraussetzungen” des Anspruchs. Zu prüfen ist vielmehr auch, in welcher Höhe der Anspruch auf Alhi besteht; denn wie sich von selbst versteht, darf das ArbA die Alhi nur in gesetzlicher Höhe bewilligen. Entsprechend hat das Bundessozialgericht (BSG) schon entschieden, daß bei der Alhi-Bewilligung für einen neuen Bewilligungsabschnitt zu prüfen ist, in welcher Höhe der Anspruch besteht; insbesondere ist das der Fall, wenn sich das Bemessungsentgelt nicht mehr nach § 136 Abs. 2 Satz 1 AFG, sondern nach §§ 136 Abs. 2b, 112 Abs. 7 AFG bestimmt (BSGE 68, 42, 43 = SozR 3-4100 § 139a Nr. 1).

2.2 Nach § 136 Abs. 2b Satz 1 AFG in der hier maßgebenden Fassung des 7. AFG-Änderungsgesetzes (7. AFG-ÄndG) vom 20. Dezember 1985 (BGBl I 2484) ist das für die Bemessung der Alhi maßgebende Arbeitsentgelt jeweils nach Ablauf von drei Jahren seit dem Ende des Bemessungszeitraums nach § 112 Abs. 7 AFG neu festzusetzen.

Der Bemessungszeitraum ist in Fällen vorliegender Art, in denen der Anspruch auf Alhi auf einem vorhergehenden Bezug von Alg beruht (sog Anschluß-Alhi, § 134 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4a AFG), identisch mit dem Bemessungszeitraum für den Anspruch auf Alg, da ein besonderer Bemessungszeitraum für die Anschluß-Alhi nicht vorgesehen ist (Urteil des BSG vom 14. September 1990 – 7 RAr 132/89 – DBlR 3757 AFG § 136). Nach den bindenden Feststellungen des LSG endete dieser Bemessungszeitraum am 31. Dezember 1982. Ausgehend von diesem Datum ergibt sich ein dreijähriger Zeitrhythmus zum 1. Januar 1986, 1989, 1992 und 1995. Insofern ist dem LSG darin zuzustimmen, daß im Zeitpunkt der Entscheidung des ArbA über eine erneute Bewilligung der Alhi ab 2. Januar 1993 eine Neubemessung nach § 136 Abs. 2b Satz 1 AFG an sich nicht „fällig” war, sondern eine Neubemessung bereits zum 1. Januar 1992 und sodann wieder zum 1. Januar 1995 vorzunehmen gewesen wäre.

Die ebenfalls durch das 7. AFG-ÄndG eingefügte Übergangsvorschrift des § 242f Abs. 10 Satz 1 AFG ändert an diesen beiden Terminen nichts, und zwar ungeachtet der Frage, ob nach ihr die erste Neubemessung am 1. Januar 1986 oder am 1. Januar 1987 hätte erfolgen müssen. Denn § 242f Abs. 10 Satz 1 AFG regelt, wie bereits dem Wortlaut der Bestimmung zu entnehmen ist, nur den Zeitpunkt der erstmaligen Neubemessung. Wie die Gesetzesmaterialien bestätigen, sollte diese Vorschrift regeln, wann § 136 Abs. 2b AFG nF erstmals anzuwenden ist, wenn die Drei-Jahres-Frist bereits vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung verstrichen war (BT-Drucks 10/3923 S 30). Die Übergangsbestimmung führt also nicht dazu, daß für die Zukunft – abweichend von § 136 Abs. 2b AFG – von der seit der erstmaligen Neubemessung verstrichenen Zeit auszugehen wäre. Vielmehr ist nach wie vor die seit dem Ende des Bemessungszeitraums verstrichene Zeit maßgebend. Es bleibt somit für spätere Neubemessungen bei dem in § 136 Abs. 2b AFG festgelegten Drei-Jahres-Rhythmus.

2.3 Daß bei der Bewilligung der Alhi für die Zeit ab 1. Januar 1992 versäumt worden ist, ein gemäß §§ 136 Abs. 2b, 112 Abs. 7 AFG bestimmtes Bemessungsentgelt zugrundezulegen, hat jedoch entgegen der Rechtsauffassung des LSG nicht zur Folge, daß der Kläger bis zum 31. Dezember 1994 die Zugrundelegung des bisherigen, gegebenenfalls gemäß § 112a AFG anzupassenden, Bemessungsentgelts beanspruchen könnte. Weder materielles noch formelles Recht gibt hierfür eine Grundlage ab.

2.3.1 Sinn und Zweck des § 136 Abs. 2b AFG verbieten die Annahme, mit dem Versäumen eines Anpassungstermins unterfalle bis zum nächsten Anpassungstermin der Anspruch auf Alhi nicht mehr der Bemessung nach den §§ 136 Abs. 2b, 112 Abs. 7 AFG. Der Zweck der Vorschrift ist in der Begründung des Gesetzentwurfs wie folgt umschrieben worden: „Nach jeweils drei Jahren soll die Alhi – alle positiven und negativen Entwicklungen berücksichtigend – neu nach dem Arbeitsentgelt der Beschäftigung bemessen werden, für die der Arbeitslose künftig in Betracht kommt” (BT-Drucks 10/3923 S 25). Die Vorschrift ist also ein Korrekturmittel, um nach Ablauf der genannten Zeit das Bemessungsentgelt des Arbeitslosen den aktuellen Verhältnissen anzupassen und sicherzustellen, daß der Arbeitslose den der Alhi-Berechnung zugrunde gelegten Verdienst auch tatsächlich erzielen kann (BSG SozR 4100 § 112 Nr. 53; BSGE 68, 42, 43 = SozR 3-4100 § 139a Nr. 1). Dieser Zielsetzung würde es zuwiderlaufen, wenn das Versäumen eines Neubemessungstermins dazu führen würde, daß die nunmehr „überfällige” Neubemessung erst nach Ablauf eines weiteren Drei-Jahres-Zeitraums, hier im Ergebnis also erst nach sechs Jahren (zum 1. Januar 1995), erfolgen dürfte. Damit würde entgegen dem Sinn und Zweck des § 136 Abs. 2b AFG ein nicht mehr an die aktuellen Verhältnisse anknüpfender Zustand für das Doppelte des Zeitraums festgeschrieben, den der Gesetzgeber als angemessen angesehen hat.

2.3.2 Soweit sich das LSG darauf berufen hat, die Bindungswirkung der Alhi für einen Bewilligungsabschnitt von in der Regel einem Jahr bewilligenden Bescheide beschränke sich nicht nur auf diesen Bewilligungszeitraum, sondern wirke sich auch auf die folgenden Bewilligungsabschnitte aus, solange nicht ein weiterer Drei-Jahres-Zyklus gemäß § 136 Abs. 2b AFG verstrichen sei, verkennt es die Bindungswirkung eines Bescheids.

Die Bindungswirkung von Bescheiden (§ 77 SGG) ist grundsätzlich auf den Verfügungssatz – dh die Entscheidung über Art, Dauer (Beginn und Ende) und Höhe einer Leistung – beschränkt (BSGE 72, 206, 207 mwN = SozR 3-4100 § 103a Nr. 1; vgl für Alg usw insbesondere SozR 4100 § 112 Nr. 23). Da die Bewilligung von Alhi gemäß § 139a Abs. 1 AFG jeweils nur für einen bestimmten Bewilligungsabschnitt erfolgt, und da diese zeitlich begrenzte Bewilligung den Anspruch ua nach seiner Dauer konkretisiert (vgl BSGE 68, 42, 44 = SozR 3-4100 § 139a Nr. 1), kann ein solcher Bewilligungsbescheid über den von ihm geregelten Bewilligungsabschnitt hinaus keine Bindungswirkung iS des § 77 SGG entfalten, und schon gar nicht hinsichtlich eines Begründungselements, nämlich des zugrunde gelegten Bemessungsentgelts.

Deshalb ist auch die vom LSG angeführte Vorschrift des § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch nicht einschlägig. Der Bescheid vom 15. Januar 1993 hebt die vorausgegangenen Alhi-Bewilligungen nicht auf, weil deren Regelungen nur den jeweiligen Bewilligungsabschnitt betrafen, nicht dagegen Regelungen für die hier streitige Zeit ab 2. Januar 1993.

2.3.3 Die vom LSG angenommene Rechtsfolge läßt sich auch nicht damit begründen, es sei das Vertrauen des Arbeitslosen zu berücksichtigen, für einen bestimmten Zeitabschnitt von einem Leistungssatz aufgrund eines (vorbehaltlich der Anpassung) gleichbleibenden Bemessungsentgelts ausgehen zu können. Im Hinblick auf die Regelung in § 139a Abs. 2 AFG kann nämlich der Arbeitslose über den jeweiligen Bewilligungsabschnitt hinaus nicht einmal darauf vertrauen, daß ihm Alhi überhaupt weiterhin bewilligt wird, weil die Beklagte vor einer erneuten Bewilligung die Voraussetzungen des Leistungsanspruchs von neuem zu prüfen hat. Ein Vertrauen des Arbeitslosen gerade auf die Höhe des Bemessungsentgelts könnte im übrigen unter Berücksichtigung des § 136 Abs. 2b AFG jedenfalls nur solange gerechtfertigt und schützenswert sein, wie nicht der Zeitraum von drei Jahren abgelaufen ist, den der Gesetzgeber als angemessen angesehen hat, um danach eine Anpassung an die aktuellen Gegebenheiten zu ermöglichen. Ebenfalls nicht zu überzeugen vermag das Argument des LSG, ein anderenfalls anfallender erheblicher Verwaltungsaufwand der Beklagten sei zu vermeiden. Da nach Ablauf eines Bewilligungsabschnitts ohnehin eine erneute Prüfung nach § 139a Abs. 2 AFG zu erfolgen hat, ist nicht ersichtlich, daß sich der Verwaltungsaufwand nennenswert erhöhen würde, wenn in diesem Zusammenhang eine (zu einem früheren Zeitpunkt unterbliebene und somit seinerzeit keinen Verwaltungsaufwand verursachende) Überprüfung des Bemessungsentgelts nachgeholt wird. Schließlich läßt sich auch aus der vom LSG für seine Rechtsauffassung herangezogenen Entscheidung des 9b-Senats des BSG vom 18. Oktober 1991 (SozR 3-4100 § 44 Nr. 7) nicht entnehmen, auch ein gegebenenfalls rechtswidriges Bemessungsentgelt bleibe bis zum Ablauf eines weiteren Drei-Jahres-Zeitraums verbindlich und sei nach § 112a AFG anzupassen. Das genannte Urteil befaßt sich mit einer anderen Regelung, nämlich § 44 Abs. 3 Nr. 1 AFG idF des 7. AFG-ÄndG, und seine Ausführungen lassen sich auf die vorliegende Fragestellung nicht übertragen.

2.4 Als Ergebnis ist somit festzuhalten, daß § 136 Abs. 2b AFG nicht so verstanden werden kann, daß er schlechthin nur zu den jeweils maßgeblichen Terminen eine Neubemessung zuläßt. Das nach §§ 136 Abs. 2b, 112 Abs. 7 AFG maßgebende Bemessungsentgelt ist einer Bewilligung von Alhi vielmehr jedenfalls dann zugrundezulegen, wenn – wie hier – seit dem Ende des Bemessungszeitraums mehr als drei, sechs, neun usw Jahre verstrichen sind und das ArbA wegen des Ende des Bewilligungsabschnitts ohnehin erneut über die Alhi entscheiden muß. Allerdings ist der Arbeitslose dabei für die Zukunft so zu stellen, wie wenn die Neubemessung zu dem richtigen, sich aus § 136 Abs. 2b AFG ergebenden Termin vorgenommen wäre. Es ist also eine Neubemessung auf den richtigen Stichtag vorzunehmen und das so ermittelte Bemessungsentgelt für den streitigen Bewilligungszeitraum gegebenenfalls gemäß § 112a AFG anzupassen (so auch Ebsen in Gagel, AFG, Stand Mai 1993, § 136 RdNr. 186 für den Fall einer zwischenzeitlichen Herabbemessung nach § 136 Abs. 2 Satz 2 AFG). Insofern ist der festgelegte Drei-Jahres-Zyklus immer zu beachten. Hiergegen spricht nicht die Überlegung, die Neubemessung zum richtigen Stichtag bringe dem Arbeitslosen keine Vorteile und sei im Vergleich zu einer aktuellen Neubemessung zu verwaltungsaufwendig. Denn abgesehen davon, daß die korrekte Umsetzung des § 136 Abs. 2b AFG eine Bemessung auf den richtigen Termin erfordert, dürfte diese Bemessung im Regelfall auch für den Arbeitslosen günstiger sein. Denn bei der Bemessung auf einen zurückliegenden Zeitpunkt ist im Vergleich zu einer aktuellen Bemessung eine kürzere Dauer der Arbeitslosigkeit zu berücksichtigen, aus der gegebenenfalls eine geringere Entwertung der Arbeitskraft folgt. Bei einer solchen Bemessung dürfte im übrigen auch der Verwaltungsaufwand nicht nennenswert höher sein, da das ArbA ohnehin eine Prüfung der Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alhi vorzunehmen hat.

2.5 Entgegen der Annahme des LSG ist demnach nicht zu beanstanden, daß das ArbA der Alhi-Bewilligung ab 2. Januar 1993 ein Bemessungsentgelt nach den §§ 136 Abs. 2b, 112 Abs. 7 AFG zugrundegelegt hat. Ob das zugrundegelegte Bemessungsentgelt allerdings zutreffend ist, kann in Ermangelung entsprechender tatsächlicher Feststellungen nicht entschieden werden. Nach den obigen Ausführungen kommt es zunächst darauf an, welches Arbeitsentgelt der Kläger auf dem für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarkt nach näherer Maßgabe des § 112 Abs. 7 AFG zum 1. Januar 1992 hätte erzielen können; dabei sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Danach ist das so ermittelte Arbeitsentgelt gemäß § 112a AFG anzupassen. Feststellungen zum erzielbaren Arbeitsentgelt hat das LSG nicht getroffen, was von seinem Rechtsstandpunkt aus nicht zu beanstanden ist. Ob der Kläger für die Zeit ab 2. Januar 1993 daher Anspruch auf Alhi nach einem höheren Bemessungsentgelt als 920,– DM wöchentlich hat, kann daher nicht entschieden werden.

3. Die Revision führt daher gemäß § 170 Abs. 2 Satz 2 SGG zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das LSG. Da sich das LSG nur mit der Frage befaßt hat, ob § 136 Abs. 2b AFG Anwendung findet, besteht Veranlassung, für die erneute Entscheidung darauf hinzuweisen, daß es gehalten ist, den geltend gemachten Anspruch unter jeglichen rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkten zu prüfen und seine Prüfung nicht auf das Vorbringen der Beteiligten beschränken darf, wenn weitere Anspruchsmerkmale von Bedeutung sind (BSG SozR 4100 § 136 Nr. 5; SozR 4100 § 138 Nrn 14 und 24; BSGE 67, 20, 21 = SozR 3-4100 § 138 Nr. 3).

Für § 112 Abs. 7 AFG wird darauf hingewiesen, daß insoweit einerseits in Betracht kommen kann, daß wegen langandauernder Arbeitslosigkeit und der Erfolglosigkeit bisheriger Vermittlungsbemühungen von einem Absinken des Marktwerts der Arbeitskraft des Klägers auf dem erreichbaren Arbeitsmarkt auszugehen ist. Andererseits kann zu berücksichtigen sein, ob der Kläger inzwischen, etwa durch Teilnahme an beruflichen Fortbildungsmaßnahmen, zusätzliche Qualifikationen erworben hat.

Bei seiner erneuten Entscheidung wird das LSG auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1049493

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