Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterhalt

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Gewährung nicht nur geringfügigen Unterhalts iS von § 138 Abs 1 Nr 2 Halbs 2 AFG.

 

Normenkette

AFG § 138 Abs. 1 Nr. 2 Hs. 2

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt im Anschluß an den Bezug von Arbeitslosengeld (Alg) höhere Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 30. September bis 26. Dezember 1985. Sie hat in dieser Zeit mit ihrem späteren Ehemann, mit dem sie seit dem 27. Dezember 1985 verheiratet ist, in einer eheähnlichen Gemeinschaft gelebt. Ihren Antrag auf Alhi lehnte die Beklagte zunächst mit Bescheid vom 30. Oktober 1985ab, weil das anzurechnende Einkommen ihres Partners ihren Alhi-Leistungssatz übersteige. Auf den Widerspruch der Klägerin bewilligte ihr die Beklagte mit Bescheid vom 24. Januar 1986 ab 30. September 1985 Alhi in Höhe von wöchentlich 12,80 DM. Wegen der Dynamisierung gemäß § 112a Arbeitsförderungsgesetz (AFG) erhöhte sie diesen Betrag mit Bescheid vom 28. Januar 1986 ab 1. Oktober,1985 auf 17,60 DM in der Woche. Hierbei ging sie davon aus, daß sich für die Klägerin auf der Grundlage eines Arbeitsentgelts von 580,-- DM bzw - ab 1. Oktober 1985 - von 595,-- DM ein Alhi-Leistungssatz von wöchentlich 233,40 DM bzw 238,20 DM ergehe. Im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung müsse sich die Klägerin von dem Einkommen ihres Partners, der 390,60 DM Alg in dem hier maßgeblichen Zeitraum in der Woche bezog, 220,60 DM anrechnen lassen. Ihr könne lediglich der Grundfreibetrag nach § 138 Abs. 1 Nr. 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) in Höhe von 115,-- DM wöchentlich zugute kommen. Dieser Betrag erhöhe sich um 55,-- DM wöchentlich, weil der Partner für das gemeinsame Kind Thomas Unterhalt leiste. - Daneben war der Partner der Klägerin aufgrund eines Urteils des Amtsgerichts W. vom 7. Dezember 1984 verpflichtet, an seine geschiedene Ehefrau, die ein eigenes Einkommen von monatlich 1.500,-- Dt,"3 hatte, monatlich Unterhalt in Höhe von 200,-- DM zu leisten. - Der Widerspruch, mit dem sich die Klägerin gegen die Anrechnung des Einkommens ihres Partners wandte, hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 15. April 1986).

Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 30. Oktober 1985 und Abänderung des Bescheides vom 24. Januar 1986 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. April 1986 verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 30. September bis 26. Dezember 1985 Alhi ohne Anrechnung des Einkommens ihres Partners zu bewilligen (Urteil vom 15. Mai 1987). Es hat die Berufung zugelassen.

Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Beklagten das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 30. September bis 26. Dezember 1985 eine um 55,-- DM höhere Alhi zu gewähren. Im übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Sein Urteil vom 15. November 1988 hat es im wesentlichen wie folgt begründet: Die Berufung der Beklagten sei hinsichtlich der Berücksichtigung von Einkommen des Partners begründet, hinsichtlich der Nichtberücksichtigung eines weiteren erhöhten Freibetrages von 55,-- DM gemäß § 138 Abs. 1 Nr. 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) unbegründet. Nach § 137 Abs. 2a AFG, eingefügt mit Wirkung vom 1. Januar 1986, seien Einkommen und Vermögen einer Person, die mit dem Arbeitslosen in eheähnlicher Gemeinschaft lebe, wie das Einkommen und das Vermögen eines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten zu berücksichtigen. Diese Gesetzesbestimmung sei entsprechend auch auf die 2eit vor ihrem Inkrafttreten anzuwenden. Da die Klägerin mit ihrem Ehemann in der streitbefangenen Zeit unstreitig in einer eheähnlichen Gemeinschaft gelebt habe, sei dessen Einkommen nach Maßgabe des § 138 Abs. 1 Nr. 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) zu berücksichtigen. Entgegen der Ansicht der Beklagten sei hierbei aus dem Einkommen des Partners nicht ein Betrag von 260,00 DM wöchentlich (390,060 DM abzüglich eines Freibetrages von 75,-- DM und eines weiteren Freibetrages von 55,-- DM wegen Unterhaltsgewährung für das Kind Thomas) zu berücksichtigen, sondern aufgrund eines weiteren Freibetrages von 55,-- DM wegen Unterhaltsgewährung an die geschiedene Ehefrau nur ein solcher von 205,60 DM. Die mit dem 5. AFG-Änderungsgesetz vom 23. Juli 1979 (BGBl I 1189) am 1. August 1979 in Kraft getretene Bestimmung des § 138 Abs. 1 Nr. 2 Halbsatz 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) besage, daß der Erhöhungsbeitrag für jede Person zustehe, der der Angehörige aufgrund einer rechtlichen oder sittlichen Pflicht nicht nur geringfügig Unterhalt gewähre. Unterhaltsgewährung aufgrund einer rechtlichen Pflicht setze voraus, daß die Leistung ihren Grund gerade in der Verantwortung für den Lebensbedarf des Dritten habe. Eine solche Verpflichtung des Partners der Klägerin sei aufgrund des Urteils des Amtsgerichts W. gegeben. Der in der Verantwortung für den Lebensbedarf seiner geschiedenen Ehefrau begründete Unterhalt des Partners in Höhe von monatlich 200,-- DM sei nicht nur geringfügig. Dabei könne dahingestellt bleiben, ob dies schon deswegen nicht der Fall sei, weil der Unterhalt 13,33 § des eigenen Einkommens der Unterhaltsberechtigten ausmache. Dem Sinn und Zweck der Neuregelung des 5. AFG-Änderungsgesetzes entspreche es, wenn nicht auf den konkreten Lebensbedarf des unterhaltsberechtigten Dritten abgestellt werde, sondern auf den objektiven Lebensbedarf, wie dies nach - der Rechtsprechung des BSG zu § 1265 Reichsversicherungsordnung Reichsversicherungsordnung (RVO) (Rente an die, frühere Ehefrau) der Fall sei. Hiernach sei Unterhalt ein Betrag, der ins Gewicht falle. Dies sei der Fall, wenn der zu zahlende oder gezahlte Unterhaltsbetrag mindestens 25 v.H. des Betrages ausmache, der unter den gegebenen zeitlichen und örtlichen Verhältnissen zur Deckung des notwendigen Mindestbedarfs nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) erforderlich sei. Der Mindestbedarf sei also nicht nach den individuellen Besonderheiten des Unterhaltsberechtigten festzustellen. Von der früheren Rechtsprechung, wonach zum Mindestbedarf neben dem Regelsatz der Sozialhilfe auch die Aufwendungen für Unterkunft gehörten, sei das Bundessozialgericht (BSG) abgegangen. Da der Regelsatz nach § 22 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) im Jahre 1985 (Stand 1. Juli 1985) allenfalls monatlich 389,-- DM betragen habe, sei die monatliche Unterhaltszahlung von 200,-- DM durch den Partner der Klägerin an seine frühere Ehefrau nicht nur geringfügig. Der Normzweck der erleichterten Anwendung rechtfertige es auch, daß im Einzelfall, wie hier, der weitere Erhöhungsfreibetrag (55,-- DM in der Woche) höher sei, als der Unterhaltsbetrag (46,15 DM in der Woche).

Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 138 Abs. 1 Nr. 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) (i.d.F. des 5. AFG-Änderungsgesetzes vom 23. Juli 1979, BGBl I 1189) i.V.m.. § 242f Abs. 11 Satz 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) (i.d.F. des 7. AFG-Änderungsgesetzes vom 20. Dezember 1985 - BGBl I 2484 -) .

Entgegen der Auffassung des Landessozialgericht (LSG) könne für die Frage, ob eine nicht nur geringfügige Unterhaltsgewährung vorliege, nicht auf den sog. objektiven Lebensbedarf abgestellt werden, weil eine entsprechende Anwendung der Rechtsprechung des BSG zu der Vorschrift des § 1265 Reichsversicherungsordnung (RVO) weder vom Wortlaut der Vorschrift noch von deren Sinn her möglich und zulässig sei. Während § 138 Abs. 1 Nr. 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) eine nicht nur geringfügige Unterhaltsgewährung voraussetze, sei in § 1265 Abs. 1 Satz 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) nur ganz allgemein von einer Unterhaltsleistung die Rede. Als Unterhalt im Sinne dieser Vorschrift lasse das BSG nur einen Betrag gelten, der "nominell ins Gewicht falle", was dann der Fall sei, wenn der vom Versicherten zu zahlende oder gezahlte Betrag etwa 25 § des Betrages ausmache,der unter den gegebenen zeitlichen und örtlichen Verhältnissen zur Deckung des notwendigen Mindestbedarfs benötigt werde.

Auch die unterschiedliche Zweckbestimmung der hier in Rede stehenden Leistung verbiete es, § 1265 Reichsversicherungsordnung (RVO) in der oben angegeben, oben angeführt (o.a.) Auslegung auf § 138 Abs. 1 Nr. 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) zu übertragen. Die sog Geschiedenen Witwen- (Witwer-)rente sei nicht an eine Voraussetzung gebunden, die der der Bedürftigkeit im Alhi-Recht gleichkomme oder ähnele. Insbesondere gebiete es bei der Alhi der im Vordergrund stehende Grundsatz der Subsidiarität, bei der Bedürftigkeitsprüfung andere Maßstäbe anzuwenden. Selbst wenn man vorliegend von einer sog objektiven Betrachtungsweise unabhängig vom Einkommen des Unterhaltsberechtigten ausginge, könnte im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung nicht nur der BSHG-Regelsatz zugrunde gelegt werden. Die alleinige Berücksichtigung des Regelsatzes entspreche nicht dem objektiven Lebensbedarf. Das Landessozialgericht (LSG) verkenne, daß es sich bei der Vorschrift des § 138 Abs. 1 Nr. 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) einerseits um eine eigenständige Regelung handele, auf die Grundsätze aus anderen Rechtsbereichen nicht ohne weiteres übertragbar seien und diese sich andererseits an Unterhaltsregelungen des BGB zumindest anlehne. Die Feststellung eines Unterhaltsanspruchs nach bürgerlichem Recht erfolge nach den konkreten Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Betroffenen. Auch der Unterhaltsanspruch der vom jetzigen Ehemann der Klägerin geschiedenen Ehefrau sei auf diese Art und Weise ermittelt und festgesetzt worden. Es erscheine daher auch zweckmäßig, die Beurteilung des nicht nur geringfügigen Unterhalts ebenso an den konkreten Einkommens- und Lebensverhältnissen auszurichten. Eine Prüfung des nicht nur geringfügigen Unterhalts anhand eines sog. objektiven Lebensbedarfs wäre im Hinblick auf die Feststellung eines Unterhaltsanspruchs daher systemfremd.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 15. November 1988 insoweit aufzuheben, als es die Berufung der Beklagten zurückgewiesen hat, das Urteil des Sozialgerichts München in vollem Umfang aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - Sozialgerichtsgesetz (SGG) -) .

II.

Die Revision ist nicht begründet. Die Klägerin hat entgegen der Auffassung der Beklagten Anspruch auf eine um 55,- DM wöchentlich höhere Alhi, als sie ihr die Beklagte bewilligt hat.

Streitgegenstand sind die Bescheide vom ... (von der weiteren Darstellung wird abgesehen).

Prozessual ist hiergegen die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gegeben ... (wird ausgeführt).

Der Senat hat nur darüber zu befinden, ob die Klägerin Anspruch auf eine um 55,- DM wöchentlich erhöhte Alhi für die Zeit vom 30. 9. bis 26. Dezember 1985 hat. In diesem Umfang ist die Beklagte verurteilt worden, und nur sie hat hiergegen Revision eingelegt. Wenn auch nicht ausdrücklich im Tenor, so doch erkennbar aus den Gründen hat das Landessozialgericht (LSG) die weitergehende Klage abgewiesen, ohne daß die Klägerin dies ihrerseits angefochten hat. Ob die Klägerin Anspruch auf eine um 55,- DM wöchentlich höhere Alhi hat, ist unter jedem rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkt zu prüfen, worauf der Senat bereits mehrfach hingewiesen hat (SozR 4100 § 138 Nr 14; § 136 Nr 5). Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch kann sowohl aufgrund einer geringeren oder gar keiner Berücksichtigung von Einkommen ihres Partners begründet sein, als auch auf dem Erhöhungsbetrag gemäß § 138 Abs 1 Nr 2 Halbs 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) beruhen.

Nach § 138 Abs 1 Nr 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) ist im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung das Einkommen des von dem Arbeitslosen nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten als Einkommen des Arbeitslosen zu berücksichtigen. Die Vorschrift ist, wie der erkennende Senat und ihm folgend der 11. Senat des BSG entschieden haben, in verfassungskonformer Auslegung dahin zu ergänzen, daß ihr Regelungsgehalt sich auch schon vor dem Inkrafttreten des § 137 Abs 2a Arbeitsförderungsgesetz (AFG) (1. Januar 1986) auf Partner von eheähnlichen Gemeinschaften erstreckt (BSG SozR 4100 § 138 Nrn 17 und 20). Dies hat zur Folge, daß sich die Klägerin das Einkommen, das ihr späterer Ehemann in der Zeit vom 30. 9. bis 26. Dezember 1985 hatte, anrechnen lassen muß, soweit es anrechenbar ist. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Landessozialgericht (LSG) hatte der Partner in dem hier maßgeblichen Zeitraum einen Alg-Anspruch von 390,60 DM wöchentlich. Alg ist als Einnahme in Geld gemäß § 138 Abs 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) Einkommen iS der Vorschriften über die Arbeitslosenhilfe (Alhi.) Es ist insoweit durch keine besondere Vorschrift privilegiert; dies ergibt sich auch aus § 138 Abs 3 Nr 7 AFG, wonach bestimmte Unterstützungen und Zuwendungen im Falle der Arbeitslosigkeit nicht als Einkommen gelten, das Alg jedoch hierunter nicht aufgeführt ist.

Im Rahmen der Bedüftigkeitsprüfung gemäß § 138 Abs 1 Nr 2 iVm § 242f Abs 11 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) ist das Alg zunächst zu berücksichtigen, soweit es 115,- DM in der Woche übersteigt, da die Entscheidung über den Anspruch auf Alhi am 1. Januar 1986 im vorliegenden Fall noch nicht unanfechtbar war. Daß der Klägerin bereits ein Anspruch auf Alhi für den 30. September 1985 in Höhe von 2,13 DM (Wochensatz: 12,80 DM) und für die Zeit vom 1. Oktober 1985 bis 26. Dezember 1985 in Höhe von 17,80 DM in der Woche zugebilligt worden ist und diese Entscheidungen insoweit unanfechtbar geworden sind, steht dem nicht entgegen. Der im übrigen streitige Alhi-Anspruch, über den noch nicht abschließend entschieden ist, war auf jeden Fall am 1. Januar 1986 noch anfechtbar. Dies hat auch zur Folge, daß gemäß § 242f Abs 11 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) der Erhöhungsbetrag des § 138 Abs 1 Nr 2 Halbs 2 AFG 55,- DM wöchentlich beträgt.

Damit steht zunächst einmal fest, daß sich die Klägerin das Einkommen ihres Partners anrechnen lassen muß, soweit es den Grundfreibetrag von 115,- DM in der Woche und einen Erhöhungsbetrag von 55,- DM wöchentlich, der wegen der Unterhaltsleistungen für das gemeinsame Kind anzusetzen ist, übersteigt. Hieraus folgt, daß auf die Alhi der Klägerin wöchentlich jedenfalls 220,60 DM anzurechnen sind. Wie das Landessozialgericht (LSG) zutreffend ausgeführt hat, hat die Klägerin am 30. September 1985 ohne anrechenbares Einkommen Anspruch auf Alhi in Höhe von wöchentlich 233,40 DM unter Zugrundelegung eines gerundeten wöchentlichen Arbeitsentgelts von 580,- DM nach der Leistungsgruppe B und einem Leistungssatz von 58 vH sowie der Tabelle der Anl 3 zur AFG-LeistungsVO 1985 vom 10. Januar 1985 (BGBl I 43). Nach Abzug des Anrechnungsbetrages von 220,60 DM ergibt sich ein Restbetrag von wöchentlich 12,80 DM. Geteilt durch sechs Wochentage führt dies zu einem täglichen Leistungssatz von 2,13 DM. Ab 1. Oktober 1985 war infolge der Dynamisierung gemäß § 112a Arbeitsförderungsgesetz (AFG) der Leistungsbemessung ein gerundetes wöchentliches Arbeitsentgelt von 595,- DM zugrunde zu legen. Damit stand der Klägerin an sich Alhi in Höhe von wöchentlich 238,20 DM zu. Zieht man hiervon das anzurechende Einkommen des Partners (220,60 DM) ab, ergibt sich eine wöchentliche Alhi von 17,60 DM.

Wenn das Landessozialgericht (LSG) in seinem Rechenwerk zu einem anderen Ergebnis gelangte, dann beruht dies darauf, daß es einen Freibetrag von 75,- DM bei der Einkommensanrechnung angesetzt hat und nicht einen von 115,- DM, wie es § 242f Abs 11 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) vorschreibt.

Nach allem steht der Klägerin eine um 55,- DM in der Woche höhere Alhi nur dann zu, wenn ihr bei der Anrechnung des Einkommens ihres Partners wegen dessen Unterhaltsleistung an seine geschiedene Ehefrau ein Erhöhungsbetrag gemäß § 138 Abs 1 Nr 2 Halbs 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) zuzubilligen ist. Dies ist der Fall. Der Partner der Klägerin hat seiner früheren Ehefrau aufgrund einer rechtlichen Pflicht nicht nur geringfügig Unterhalt gewährt. Er hat ihr 200,- DM monatlich Unterhalt gezahlt. Wie der Senat bereits entschieden hat (BSG SozR 4100 § 138 Nr 15), setzt die Unterhaltsgewährung aufgrund einer rechtlichen Pflicht voraus, daß die Leistung ihren Grund gerade in der (Mit-)Verantwortung für den Lebensbedarf des Dritten hat. Eine solche Verpflichtung des Partners der Klägerin ist hier schon, wie das Landessozialgericht (LSG) zutreffend erkannt hat, aufgrund des Urteils des Amtsgerichts W. gegeben.

Die Unterhaltsgewährung war auch nicht nur geringfügig. Was unter geringfügig zu verstehen ist, läßt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Dem Landessozialgericht (LSG) ist darin zuzustimmen, daß die durch das 5. AFG-ÄndG erfolgte Neuregelung des § 138 Abs 1 Nr 2 Halbs 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) nicht nur redaktioneller Natur ist. Im Gegensatz zu der vorher geltenden Fassung, nach der eine Freibetragserhöhung dann begründet war, wenn der Angehörige eine Person überwiegend unterhielt, ist nunmehr nur erforderlich, daß der Angehörige nicht nur geringfügig Unterhalt gewährt. Mit der Neufassung soll die Berücksichtigung von Einkommen bei der Bedürftigkeitsprüfung in der Alhi erleichtert werden. Die Vorschrift folgt gewandelten gesellschaftlichen Anschauungen im Verhältnis privatrechtlicher Unterhaltsansprüche zu öffentlich-rechtlichen Sozialleistungen (BT-Drucks 8/2624 S 30 Nr 46 zu a). Diesem Gesetzeszweck widerspricht die Auffassung der Beklagten, die Prüfung, ob nicht nur geringfügiger Unterhalt vorliege, müsse durch Vergleich des Anteils der Unterhaltsleistung am konkreten Bedarf der Unterhaltsberechtigten, ausgehend von den tatsächlichen Einkommens- und Lebensverhältnissen, vorgenommen werden.

Die Auffassung der Beklagten entspricht bereits nicht der Absicht des Gesetzgebers, die dieser - wie ausgeführt - mit der Neuregelung verfolgt hat. Eine Erleichterung der Bedürftigkeitsprüfung würde damit keinesfalls erreicht werden. Die Prüfung der Qualität einer Unterhaltsleistung am konkreten Bedarf des Unterhaltsberechtigten dürfte sogar eine erschwerte Handhabung im Vergleich zu der früheren Gesetzesfassung, die auf den überwiegenden Unterhalt abgestellt hat, bedeuten. Hinzu kommt, daß § 138 Abs 1 Nr 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) nach seinem Konzept nicht auf individuelle (konkrete) Bedarfslagen abstellt, sondern mit Festbeträgen unabhängig von dem Bedarf im Einzelfall pauschal diejenigen Geldsummen festlegt, die dem Angehörigen des Arbeitslosen aus seinem Einkommen verbleiben sollen (Freibeträge), um dadurch seinen (vermuteten) Bedarf bzw den der von ihm weiter unterhaltenen Personen zu decken. An dem solcherart erkennbaren Zweck und Konzept des Gesetzes muß sich auch die Beantwortung der Frage ausrichten, auf welche Weise festzustellen ist, ob und wann der Angehörige des Arbeitslosen einer dritten Person iS von § 138 Abs 1 Nr 2 Halbs 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) nicht nur geringfügig Unterhalt gewährt. Es ist auf einen für alle gleichen (objektiven) Lebensbedarf abzustellen.

Im Grundsatz verfährt auch die Beklagte so. Nach ihren Verwaltungsvorschriften (Dienstbl-RdErl vom 20. Juli 1979 - DBl 193/79 und Dienstbl-RdErl vom 19. November 1985 - DBl 163/85) stellt sie selbst grundsätzlich nicht auf die konkreten Einkommensverhältnisse ab. Zunächst geht sie in ihrem Runderlaß (RdErl) vom 20. Juli 1979 unter Ziff 3.34. Abs 1 davon aus, daß die Unterhaltsgewährung nicht nur geringfügig ist, wenn der Angehörige den Unterhaltsbedarf des Unterhaltsberechtigten zu etwa 20 vH deckt. Sofern nichts Abweichendes bekannt sei, könne davon ausgegangen werden, daß der Gesamtbedarf des Unterhaltsberechtigten wöchentlich 75,- DM oder monatlich 325,- DM betrage und mithin eine Unterhaltsleistung von wöchentlich 15,- DM oder monatlich 65,- DM mehr als geringfügig sei. Die Beklagte hat sich mit diesen Werten, die sie im Runderlaß (RdErl) vom 19. November 1985 (aaO) der Gesetzesentwicklung angepaßt hat, grundsätzlich an dem Freibetrag des § 138 Abs 1 Nr 2 Halbs 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) orientiert und diesen auf den Monat hochgerechnet. Das ist nicht zu beanstanden, stimmt dies doch mit dem Grundsatz der pauschalen Festlegung von Bedarfslagen durch Freibeträge überein. Unverkennbar wird dadurch aber zugleich auf einen objektiven Lebensbedarf abgestellt. Nicht anders ist die Rechtspr in vergleichbaren Fällen vorgegangen, wie das Landessozialgericht (LSG) zutreffend unter Hinweis auf die Rechtspr des BSG bei der Feststellung des Unterhalts iS von § 1265 Reichsversicherungsordnung (RVO) aufgezeigt hat. Das BSG geht dort nach seiner neueren Rechtspr (BSGE 53, 256 = SozR 2200 § 1265 Nr 63; BSG SozR 2200 § 1265 Nr 87) davon aus, daß der Betrag, der als Unterhalt iS von § 1265 Reichsversicherungsordnung (RVO) anzusehen ist, wenigstens 25 vH des zeitlich und örtlich maßgebenden Regelsatzes der Sozialhilfe - ohne Aufwendungen für Unterkunft - betragen muß. Dies ist ein Maßstab, an dem man sich auch hier orientieren könnte. Der Senat ist jedoch der Auffassung, daß eine Heranziehung der Grundsätze, die die Beklagte aufgestellt hat, sofern diese Grundsätze mit dem Normzweck des § 138 Abs 1 Nr 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) vereinbar sind, den Belangen der Versicherten und der Beklagten mehr entspricht. Das ist schon deshalb der Fall, weil die Regelsätze, nach denen gemäß § 22 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) laufende Leistungen zum Lebensunterhalt gewährt werden, von den zuständigen Landesbehörden unter Berücksichtigung der tatsächlichen Lebenshaltungskosten und örtlicher Unterschiede zu berücksichtigen sind. Die Beklagte hätte daher einen erheblichen Verwaltungsaufwand, um den Bedarf der Unterhaltsberechtigten zu ermitteln. Hinzu kommt, daß die Unterhaltsberechtigten häufig nicht in demselben Arbeitsamtsbezirk wohnen wie der Angehörige.

Mit der Beklagten ist der Senat aufgrund der Ausführungen in ihren RdErln vom 20. Juli 1979 und 19. November 1985 deshalb der Auffassung, daß eine Unterhaltsgewährung nicht nur geringfügig ist, wenn der Angehörige den Unterhaltsbedarf des Unterhaltsberechtigten zu etwa 20 vH oder mehr deckt. Das steht auch mit der Rechtspr des BSG bei der Feststellung des Unterhalts iS von § 1265 Reichsversicherungsordnung (RVO) im Einklang, obwohl in der gesetzlichen Rentenversicherung der Mindestbedarf stets wenigstens 25 vH der zeitlichen und örtlichen Regelsätze der Sozialhilfe beträgt. Hier besteht insoweit ein dies rechtfertigender Unterschied. Bei der Frage, ob die Unterhaltsgewährung nicht nur geringfügig ist, geht es nur um die Berücksichtigung eines Teils der Leistung (Alhi). Dagegen hat das Fehlen von 25 vH des notwendigen Mindestbedarfs den Ausschluß der gesamten Sozialleistung (Rente) zur Folge. Im übrigen sind die nominellen Werte beider Vergleichsmaßstäbe nicht weit voneinander entfernt.

Der Senat hat auch keine Bedenken, entsprechend den Ausführungen der Beklagten in den vorstehenden RdErln davon auszugehen, daß sich der Gesamtbedarf des Unterhaltsberechtigten grundsätzlich an der Höhe des Freibetrages gemäß § 138 Abs 1 Nr 2 Halbs 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) orientiert. Das entspricht einerseits dem gesetzgeberischen Anliegen, daß diese Vorschrift die Berücksichtigung von Einkommen bei der Bedürftigkeitsprüfung erleichtern soll (BT-Drucks 8/2624 S 30 Nr 46 zu a). Andererseits erscheint es sachgerecht, von dem Freibetrag nach § 138 Abs 1 Nr 2 Halbs 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) auszugehen, weil der daraus folgende objektive Monatswert den in der Wirklichkeit vorhandenen Bedarfslagen jedenfalls näher kommt, als der aus dem niedrigeren Freibetrag des § 138 Abs 1 Nr 2 Halbs 2 AFG. Der maßgebliche Freibetrag beträgt nach der Einfügung des § 242f Abs 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) durch das 7. AFG-ÄndG nunmehr 115,- DM wöchentlich oder rund 500,- DM monatlich.

Unerheblich ist entgegen der Ansicht der Beklagten, ob sich der unterhaltsrechtliche Gesamtbedarf der früheren Ehefrau des Partners tatsächlich auf 1.700,- DM beläuft, nämlich 200,- DM Unterhalt von dem Partner und 1.500,- DM eigenes Einkommen. Dieser Betrag überschreitet zwar die Grenze, die durch die oa Freibeträge gesetzt ist. Indes hat dies nicht zur Folge, wie die Beklagte meint, daß bei nachgewiesenem höheren Gesamtbedarf von diesem ausgegangen werden müsse und deshalb im vorliegenden Fall bei einer Unterhaltsleistung von 200,- DM im Vergleich zu einem Gesamtbedarf von 1.700,- DM die Unterhaltsleistung weniger als 20 vH des Gesamtbedarfs ausmacht und somit geringfügig sei.

Diese Auffassung der Beklagten ist systemwidrig. Sie verletzt das Prinzip, wonach sich der Gesamtbedarf des Unterhaltsberechtigten an der Höhe des Freibetrages gemäß § 138 Abs 1 Nr 2 Halbs 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) orientiert. Ohne hierfür einen verständigen Grund zu haben, wechselt die Beklagte von der auf einen allgemeinen Gesamtbedarf abstellenden Betrachtung auf eine individuelle Bestimmung des Gesamtbedarfs des Unterhaltsberechtigten. Dies hat zur Folge, daß einerseits bereits ein relativ geringer individueller Gesamtbedarf zum Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung eines Erhöhungsbetrages führen kann, während andererseits erhebliche Unterhaltsleistungen bei einem hohen individuellen Gesamtbedarf des Unterhaltsberechtigten als nur geringfügig anzusehen sind. Dieses Ergebnis läßt sich nicht mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz in Einklang bringen. Darüber hinaus erfordert eine solche Auffassung einen größeren Verwaltungsaufwand. Die Beklagte müßte nicht nur von Fall zu Fall ermitteln und entscheiden, ob die Bedarfslage pauschal oder individuell zu beurteilen ist. Bei einer individuellen Beurteilung müßte sie auch alle Umstände des Einzelfalls für den individuellen Bedarf feststellen und werten. Entgegen der von der Beklagten in ihren vorstehenden RdErln vertretenen Auffassung kann diese Unterscheidung nicht davon abhängig gemacht werden, ob nichts Abweichendes bekannt ist. Das würde zu nicht hinnehmbaren Zufallsentscheidungen führen, die mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz und dem Rechtsstaatsprinzip nicht im Einklang stünden. Um dies zu vermeiden, ist bei der Ermittlung des Gesamtbedarfs für die Frage, ob nicht nur geringfügiger Unterhalt gewährt wird, davon auszugehen, daß der aufgrund der Freibetragsregelung des § 138 Abs 1 Nr 2 Halbs 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) anzurechnende Gesamtbedarf des Unterhaltsberechtigten auch dann nicht höher angesetzt werden darf, wenn er tatsächlich - nachgewiesen oder nicht - höher ist.

Hiernach hat der Partner der Klägerin nicht nur geringfügig Unterhalt an seine frühere Ehefrau gezahlt. Einer Unterhaltsleistung von 200,- DM steht ein Bedarf von rund 500,- DM monatlich gegenüber. Damit hat der Angehörige den Unterhaltsbedarf des Unterhaltsberechtigten mit mehr als 20 vH gedeckt. Dies hat zur Folge, daß die Klägerin Anspruch auf einen weiteren Erhöhungsbetrag von 55,- DM hat. Entsprechend muß sich daher, wie das Landessozialgericht (LSG) im Ergebnis zutreffend entschieden hat, die Alhi der Klägerin erhöhen.

 

Fundstellen

BSGE, 20

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