Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 16.02.1990)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 16. Februar 1990 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten darum, ob sich die Rücknahme der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) auf den anschließenden Anspruch auf Unterhaltsgeld (Uhg) und den daran anschließenden Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) auswirkt.

Dem Kläger wurde für die hier noch streitige Zeit vom 17. Februar 1986 bis zum 16. Februar 1987 nach § 46 Abs 1 Satz 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) Uhg bewilligt. Die Anwartschaft war nur unter Berücksichtigung der Zeit erfüllt, in der der Kläger vorher Alhi bezogen hatte. Im November 1986 räumte der Kläger ein, Alhi zu Unrecht bezogen zu haben, weil er Einkünfte verschwiegen habe, die den Anspruch auf Alhi ausgeschlossen hätten. Mit Bescheid vom 29. Juni 1987 (Widerspruchsbescheid vom 3. November 1987) hob die Beklagte die Bewilligung von Alhi und die Bewilligung von Uhg auf und verlangte die Erstattung dieser Leistungen. – Angefochten ist dieser Bescheid nur, soweit er Uhg betrifft.

Mit Bescheid vom 29. Mai 1987 (Widerspruchsbescheid vom 12. November 1987) lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung von Alg für die Zeit nach der Beendigung des Bezugs von Uhg ab. – Im vorliegenden Verfahren ist auch dieser Bescheid angefochten.

Die Beklagte ist der Auffassung, der Kläger habe weder die Anwartschaft für Uhg (§ 46 Abs 1 Satz 1 AFG) noch die Anwartschaft für Alg (§ 104 iVm § 107 Satz 1 Nr 5 Buchst d AFG) erfüllt. § 46 Abs 1 Satz 1 AFG setze den rechtmäßigen Bezug von Alhi voraus. Hier sei aber unstreitig, daß der Kläger Alhi rechtswidrig bezogen habe. § 107 Satz 1 Nr 5 Buchst d AFG setze den rechtmäßigen Bezug von Uhg voraus. Mit der Rücknahme des Bescheids über die Bewilligung von Uhg stehe aber fest, daß diese Voraussetzung nicht vorliege. Der Kläger meint, gegen diese Auffassung spreche der Wortlaut beider Vorschriften, wonach nur der Bezug der genannten Sozialleistungen, nicht aber der rechtmäßige Bezug für die jeweils weitere Sozialleistung vorausgesetzt werde.

Die Klage hatte im bisherigen Verfahren keinen Erfolg (Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ Mainz vom 30. Januar 1989, Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ Rheinland-Pfalz vom 16. Februar 1990).

Der Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Er trägt vor, das LSG habe verkannt, daß die falschen Angaben zur Alhi für die Bewilligung von Uhg nicht ursächlich gewesen seien. Ihm sei deshalb das Uhg zu belassen und anschließend Alg oder Alhi zu gewähren.

Er beantragt,

die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 16. Februar 1990 und des Sozialgerichts Mainz vom 30. Januar 1989 sowie die Bescheide der Beklagten vom 29. Juni 1987 und vom 3. November 1987 aufzuheben,

ferner,

die Bescheide der Beklagten vom 29. Mai 1987 und vom 12. November 1987 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld bzw Arbeitslosenhilfe ab 31. März 1987 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision ist nicht begründet.

Die Vorinstanzen haben zutreffend entschieden, daß die angefochtenen Bescheide rechtmäßig sind. Die Beklagte hat zu Recht die Bewilligung von Uhg zurückgenommen und das gewährte Uhg zurückgefordert; ferner hat sie zu Recht den Antrag auf Alg oder Alhi abgelehnt.

Voraussetzung für den Anspruch auf Uhg ist hier – unstreitig –, daß der Kläger vorher „Arbeitslosenhilfe bezogen” hat (§ 46 Abs 1 Satz 1 AFG). Voraussetzung für den Anspruch auf Alg ist hier – ebenfalls unstreitig –, daß dem Kläger eine Zeit des „Bezugs von Unterhaltsgeld” zugerechnet werden kann (§ 107 Satz 1 Nr 5 Buchst d AFG). Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht dadurch, daß es ihm gelungen ist, die Beklagte zur Bewilligung und Zahlung von Alhi und von Uhg zu veranlassen. Der tatsächliche Bezug dieser Leistungen genügt nicht, wenn, wie hier, die diese Leistungen bewilligenden Bescheide wirksam zurückgenommen worden sind.

Der Senat hat wiederholt deutlich gemacht, daß der Hinweis des Gesetzes auf den tatsächlichen Bezug einer Sozialleistung (vgl SozR 3-4100 § 59c Nr 1) oder die tatsächliche Zugrundelegung eines bestimmten Arbeitsentgelts (vgl SozR 3-4100 § 44 Nr 7) den Sinn hat, die Verwaltung von der Verpflichtung freizustellen, nachzuprüfen, ob die frühere Verwaltungsentscheidung, die zur Zahlung einer Sozialleistung geführt hatte, zu Recht ergangen ist. Der tatsächliche Bezug einer Sozialleistung ist somit nur deshalb und nur insoweit maßgebend, wie er auf einer bindenden Verwaltungsentscheidung beruht (BSGE 61, 286). Da Sozialleistungen immer auf einer Verwaltungsentscheidung beruhen müssen, kann davon ausgegangen werden, daß der tatsächliche Bezug auf einer bindend gewordenen rechtlichen Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen beruht. Bei dem tatsächlichen Bezug einer Sozialleistung kann deshalb nur solange unterstellt werden, daß er auch rechtmäßig ist, wie die bindende Verwaltungsentscheidung besteht.

Da die Bewilligung von Alhi durch Bescheid vom 29. Juni 1987 bindend zurückgenommen worden ist, steht fest, daß der tatsächliche Bezug von Alhi nicht dazu beitragen konnte, die Anwartschaft für Uhg zu erfüllen.

Zurückgenommen worden ist durch diesen Bescheid auch die Bewilligung von Uhg. Insoweit hat der Kläger diesen Bescheid nicht bindend werden lassen. Er ist im vorliegenden Verfahren angefochten. Der Senat bestätigt jedoch den Bescheid auch insoweit. In Übereinstimmung mit den Vorinstanzen kann der Senat keine Rechtsfehler feststellen.

Der Kläger hat im Revisionsverfahren keine durchgreifenden neuen Gesichtspunkte vorgetragen. Seine Behauptung, der das Uhg bewilligende Bescheid, der durch den angefochtenen Bescheid aufgehoben worden ist, habe noch an einem weiteren Rechtsfehler gelitten, ist nicht nachvollziehbar. Denn die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für das Uhg sind nicht erst erfüllt, wenn für zwei Jahre Leistungen bezogen worden sind. Es genügt, daß im Dreijahreszeitraum für einen Tag Alhi im Anschluß an einen Alg-Anspruch von wenigstens 156 Tagen bezogen worden ist (BSG SozR 4100 § 46 Nr 6). So war es hier; die Anschluß-Alhi folgte einem Alg-Anspruch von 231 Tagen. Deshalb waren die falschen Angaben des Klägers über seine Einkommensverhältnisse ursächlich dafür, daß dieser Bewilligungsbescheid ergangen ist.

Klarzustellen ist allerdings, daß die falschen Angaben des Klägers zu den Voraussetzungen der Alhi nicht nur für den Erlaß des Bescheides über die Bewilligung von Alhi, sondern auch für den Bescheid über die Bewilligung von Uhg ursächlich waren. Auch diese Bewilligung beruht auf Angaben, die der Kläger vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtig oder unvollständig gemacht hat, so daß er sich nicht auf Vertrauen berufen kann (§ 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 SGB X). Daß diese Angaben zunächst für den Bescheid über die Bewilligung von Alhi verwertet worden sind, bedeutet nicht etwa eine Art Unterbrechung des Kausalverlaufs. Denn es entspricht nicht dem Sinn des § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 SGB X, dem Begünstigten Vertrauensschutz nur in bezug auf die Leistungen abzusprechen, die er durch falsche Angaben unmittelbar erwirkt hat. Es ist kein Gesichtspunkt zu erkennen, der dafür spräche, daß der Begünstigte sich in bezug auf die Leistungen Vertrauensschutz erworben haben könnte, die auf den unmittelbar erlangten Leistungen aufbauen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1175158

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