Beteiligte

Klägerin und Revisionsbeklagte

Beklagter und Revisionskläger

 

Tatbestand

I.

Streitig ist die Gewährung von Erziehungsgeld (ErzG).

Die 1961 geborene Klägerin ist türkische Staatsangehörige. Sie reiste im Januar 1988 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Ihr Asylantrag war vor dem Verwaltungsgericht (VG) erfolgreich (Urteil vom 6. Dezember 1989). Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung wurde vom Verwaltungsgerichtshof (VGH) zurückgewiesen (Beschluß vom 20. August 1990). Die Aufenthaltserlaubnis wurde am 19. November 1990 erteilt.

Den Antrag der Klägerin vom 18. Mai 1990 auf ErzG für ihr am 12. April 1990 geborenes Kind lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 6. Juni 1990, Widerspruchsbescheid vom 12. November 1990). Nach Klageerhebung hat der Beklagte ErzG für die Zeit vom 19. November 1990 bis zum Ende des Bezugszeitraums am 11. Juli 1991 gewährt.

Das Sozialgericht (SG) hat den Beklagten verurteilt, ErzG auch für die Zeit vom 12. April 1990 bis zum 18. November 1990 zu gewähren.

Mit der vom SG zugelassenen Sprungrevision rügt der Beklagte Verletzung des § 1 Abs. 1 Satz 2 des Bundeserziehungsgeldgesetzes (BErzGG). Die Anspruchsvoraussetzung des Besitzes einer nicht zweckgebundenen Aufenthaltsberechtigung könne nicht rückwirkend erfüllt werden.

Der Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des beklagten Landes hatte Erfolg.

Die vom SG im Urteil zugelassene Sprungrevision ist zulässig (§ 161 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫). Zwar setzt die Zulassung der Revision voraus, daß die Berufung zulässig ist oder zugelassen wird. Eine gleichwohl erfolgte Zulassung nur der Revision ist jedoch für das Bundessozialgericht (BSG) bindend (BSG SozR 1500 § 161 Nr. 15). Der Senat braucht deshalb auf die erteilte Rechtsmittelbelehrung nicht näher einzugehen. Nach dieser ist die Berufung nur statthaft, wenn ein Verfahrensmangel gerügt wird, und die Revision ist statthaft, wenn der Gegner schriftlich zustimmt.

Die Zustimmung des Gegners zur Einlegung der Sprungrevision ging dem Revisionskläger als Telefax zu und wurde im "Original" der Revisionsschrift beigefügt. Ein Telefax mit gefaxter Unterschrift wahrt die Schriftform (BSG Urteil vom 16. Oktober 1991 - 11 RAr 1/91 -; Urteil vom 20. Dezember 1990 - 4 REg 41/89 -SozSich 1991, 22), auch die des § 161 Abs. 1 SGG.

Die Revision des beklagten Landes ist auch begründet. Die Klage auf ErzG für das am 12. April 1990 geborene Kind der Klägerin war unter Aufhebung des angefochtenen Urteils abzuweisen. Der Anspruch für die streitige Zeit vom 12. April 1990 bis zum 18. November 1990 beurteilt sich nach § 1 Abs. 1 BErzGG i.d.F. durch das Gesetz zur Änderung des BErzGG und anderer Vorschriften (BErzGGÄndG) vom 30. Juni 1989 (BGBl. I S. 1297), die mit Wirkung vom 1. Juli 1989 anzuwenden ist (Art 8 Abs. 1 BErzGGÄndG). Der Anspruch eines Ausländers auf ErzG setzt nach dieser Vorschrift u.a. neben dem gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes voraus, daß er "im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis ist, die nicht nur für einen bestimmten, seiner Natur nach vorübergehenden Zweck erteilt worden ist". Art 10 des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts (AuslRNG) vom 9. Juli 1990 (BGBl. I S. 1354) hat den Satz 2 zur Anpassung an die Neuregelung der Aufenthaltsgenehmigung (§§ 28 bis 35 AuslRNG) mit Wirkung vom 1. Januar 1991 (Art 15 Abs. 2 AuslRNG) wie folgt geändert: "Für den Anspruch eines Ausländers ist Voraussetzung, daß er im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung, Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsbefugnis ist. " Die letztgenannte Änderung erfaßt nach ihrem zeitlichen Anwendungsbereich den streitigen Anspruchszeitraum nicht.

Ein Asylbewerber, der sich im Geltungsbereich des BErzGG befindet und objektiv asylberechtigt ist, hat hier schon vor der nachträglichen Feststellung des Asylrechts seinen gewöhnlichen Aufenthalt, verbunden mit dem Vorbehalt des berechtigten Aufenthalts, wie das BSG mehrfach entschieden hat (vgl. BSGE 65, 261 = SozR 7833 § 1 Nr. 7). Asylbewerber haben nach dem BErzGG in der vor dem BErzGGÄndG geltenden Fassung im Falle ihrer späteren Anerkennung Anspruch auf ErzG bei Erfüllung der übrigen Voraussetzungen.

Das ist nach dem BErzGG i.d.F. des BErzGGÄndG nicht mehr der Fall. Denn sie sind nicht im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder einer nicht zweckgebundenen Aufenthaltserlaubnis (im folgenden kurz: Aufenthaltserlaubnis), wie das nunmehr § 1 Abs. 1 Satz 2 BErzGG voraussetzt.

Das SG hat die Verurteilung der Beklagten darauf gestützt, daß die Klägerin bereits vor Erteilung der Aufenthaltserlaubnis am 19. November 1990 rechtskräftig als asylberechtigt anerkannt gewesen sei; mit dem Urteil des VG vom 6. Dezember 1989 sei das Asylrecht schon zu Beginn der Streitzeit (12. April 1990) festgestellt gewesen. Darüber hinaus zeitige eine Aufenthaltserlaubnis, die aufgrund einer gerichtlich ausgesprochenen Asylberechtigung erteilt werde, die den Aufenthaltsstatus betreffenden Rechtswirkungen rückwirkend. Der Senat vermag weder der ersten noch der zweiten Begründung zu folgen.

1. Die zweite, in ihren Auswirkungen weitergehende Begründung mißt unabhängig vom Zeitpunkt der rechtskräftigen Anerkennung des Asylrechts der daraufhin erteilten Aufenthaltserlaubnis eine Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Entstehung des Asylrechts bei.

Das BSG hat zwar in dem vom SG angeführten Urteil vom 27. September 1990 "auch im Blick auf § 1 Abs. 1 Satz 2 BErzGG nF" klarstellend darauf hingewiesen, daß Asylanten, bei denen schon im Zeitraum des begehrten Leistungsbezuges die Voraussetzungen des Art 16 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) objektiv vorlagen und denen der Aufenthalt für die Durchführung des Asylverfahrens nur mit der Auflage eines Erwerbsverbots gestattet war, von der einschränkenden Auslegung nicht betroffen sind, daß § 1 BErzGG als ungeschriebene Anspruchsvoraussetzung ein Wahlrecht zwischen Erwerbstätigkeit und Erziehung voraussetzte, weil das Asylrecht nicht teilbar sei (BSGE 67, 238, 241 = SozR 3-7833 § 1 Nr. 1).

Das Urteil betrifft die Anwendung des BErzGG in der vor dem BErzGGÄndG geltenden Fassung (BErzGG aF). Sollte dem Urteil im Blick auf den angesprochenen § 1 Abs. 1 Satz 2 BErzGG n.F. entnommen werden, daß ein solcher Ausländer nicht nur die Voraussetzung von Wohnsitz oder Aufenthalt und die ungeschriebene Voraussetzung der Möglichkeit einer Erwerbstätigkeit erfülle, sondern auch den nunmehr erforderlichen Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis, so wird hieran nicht festgehalten.

Was unter "Besitz" einer Aufenthaltserlaubnis zu verstehen ist, wird in den Gesetzesmaterialien nicht erläutert. Vergleichbar fordert § 5 der Arbeitserlaubnisverordnung (ArbErlaubV), daß der Ausländer die für den Aufenthalt erforderliche Erlaubnis "besitzt". Damit wird für das Arbeitserlaubnisverfahren den Entscheidungen der Ausländerbehörden über die für den Aufenthalt erforderliche Erlaubnis nach der Rechtsprechung des BSG Tatbestandswirkung beigemessen (BSGE 67, 176, 179 = SozR 3-4100 § 103 Nr. 1 und a.a.O. Nr. 3). Soweit die Entscheidung vollziehbar ist, muß sie beachtet werden. Will der Ausländer eine Überprüfung der Entscheidung über den Aufenthalt herbeiführen, muß er den hierfür gemäß § 40 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) vorgesehenen Verwaltungsrechtsweg einschlagen (BSGE 67, 176, 179). Das gilt für die Bewilligung des ErzG entsprechend. So war schon nach dem vor dem 1. Juli 1989 geltenden Recht der verfassungsrechtlich gebotene Schutz der Familie nicht erst im Verfahren über das ErzG, sondern bereits vorher bei der Entscheidung über den Aufenthalt zu berücksichtigen (BSG SozR 3-7833 § 1 Nr. 3 mit Hinweis auf BVerwG DöV 1990, 570). Erforderlich ist eine Aufenthaltserlaubnis im Sinne eines Verwaltungsaktes mit Wirkung für die Bezugszeit. Das materielle Aufenthaltsrecht des später anerkannten Asylbewerbers steht der Aufenthaltserlaubnis nicht gleich (a), bewirkt keine Rückwirkung der Aufenthaltserlaubnis (b) und rechtfertigt hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzung des § 1 Abs. 1 Satz 2 BErzGG für Asylanten nicht die Annahme einer Gesetzeslücke, die durch Auslegung geschlossen werden könnte (c).

a) Das materielle Aufenthaltsrecht des später anerkannten Asylbewerbers kann insbesondere nicht der in § 1 Abs. 1 Satz 2 BErzGG geforderten Aufenthaltserlaubnis gleichgeachtet werden mit der Begründung, daß diese Regelung nur eine Ausformung der Voraussetzung eines Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts bei Ausländern sei. Das BSG hat zwar die Regelung zunächst vorrangig im Sinne einer solchen Ausformung verstanden (BSG Urteil vom 30. April 1991 - 4 REg 52/89 -). Das kann indes nur für das BErzGG a.F. gelten. Nur soweit das BErzGGÄndG zum Ausdruck bringt, daß schon § 1 BErzGG a.F. in diesem Sinne einschränkend auszulegen war, kommt eine Wertung als authentische Interpretation in Betracht.

Mit § 1 Abs. 1 Satz 2 BErzGG n.F. sollte nach der amtlichen Begründung die Aufenthaltserlaubnis für die Zukunft ausdrücklich als Voraussetzung für den Anspruch eines Ausländers auf ErzG im Gesetz verankert werden (BT-Drucks 11/4776 Seite 2 zu Art 1 Nr. 1). Der Gesetzgeber hat durch das Gesetz zur Neuregelung des Ausländerrechts (AuslRNG) vom 9. Juli 1990 (BGBl. I 1354) mit Wirkung vom 1. Januar 1991 § 1 Abs. 1 Satz 2 BErzGG an die Neuordnung des Aufenthaltsstatus im Ausländergesetz (AuslG) angepaßt. Damit wurde deutlich, daß die ausländerbehördliche Entscheidung schon nach Abs. 1 Satz 2 i.d.F. des BErzGGÄndG als eine eigenständige Anspruchsvoraussetzung anzusehen war.

b) Die der Klägerin unter dem 19. November 1990 erteilte Aufenthaltserlaubnis mißt sich keine Rückwirkung bei. Wird die Aufenthaltserlaubnis mit Wirkung für die Zukunft erteilt, wie das regelmäßig der Fall ist, so entfaltet sie auch in Ansehung des ErzG keine Rückwirkung. Das gilt auch, wenn der Ausländer ein Recht auf die Aufenthaltserlaubnis hatte oder wenn er objektiv asylberechtigt war. Eine Rückwirkung kann nicht daraus hergeleitet werden, daß im Falle der Asylberechtigung die Aufenthaltserlaubnis lediglich das anerkannte Asylrecht verlautbare, das nicht in eine Zeit vor und nach seiner Anerkennung teilbar sei.

Der Gesetzgeber hat der dem Asylanten nach seiner Anerkennung zu erteilenden Aufenthaltserlaubnis keine generelle Rückwirkung beigemessen, die für Folgeansprüche zu beachten wäre. § 29 Abs. 1 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) schreibt nach Unanfechtbarkeit der Anerkennung lediglich die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis vor. Dem § 19 Abs. 3 AsylVfG, der durch das AuslRNG nicht geändert wurde, ist zwar im Umkehrschluß zu entnehmen, daß die Zeit eines Aufenthalts zur Durchführung des Asylverfahrens in Fällen, in denen der Erwerb oder die Ausübung eines Rechts oder einer Vergünstigung von der Dauer des Aufenthalts im Geltungsbereich des Gesetzes abhängig ist, dann anzurechnen ist, wenn der Ausländer unanfechtbar anerkannt worden ist. Der Anspruch auf ErzG hängt jedoch nicht von der bisherigen Dauer des Aufenthalts, sondern allein von der Aufenthaltserlaubnis ab.

Dem AsylVfG kann auch im Hinblick auf die Verbürgung des Asylrechts in Art 16 Abs. 2 Satz 2 GG nicht entnommen werden, daß später anerkannte Asylanten allgemein rückwirkend anerkannt werden. Deklaratorische Bedeutung und eine damit verbundene Rückwirkung hat die Anerkennungsentscheidung nur hinsichtlich der anerkannten Asylberechtigung selbst. Die Rückwirkung betrifft nur die Rechtmäßigkeit des früheren Aufenthalts, nicht aber die Rechtmäßigkeit früher verfügter Einschränkungen der Freizügigkeit. Demgemäß wird die Rückwirkung in § 19 Abs. 3 AsylVfG auf den Aspekt der Dauer des Aufenthalts beschränkt. Soweit der anerkannte Asylant während des vorangegangenen Verfahrens im Vergleich zu anerkannten Asylanten Einschränkungen hinnehmen mußte,

zB in seiner Freizügigkeit oder hinsichtlich einer Arbeitserlaubnis, ist ein Ausgleich nicht vorgesehen. Derartige Einschränkungen sind nicht nur für die später abgelehnten Asylbewerber rechtmäßig, sondern für alle. Die Aufenthaltsbeschränkung des Asylbewerbers auf den Bezirk der für ihn zuständigen Ausländerbehörde (BVerfG vom 7. Juli 1983 NVwZ 1983, 603) und die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften (BVerfG vom 20. September 1983 NJW 1984, 558) sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Mit der Gestattung nach § 20 AsylVfG ist dem aus Art 16 Abs. 2 Satz 2 GG folgenden einstweiligen Bleiberecht in diesem Stadium des Verfahrens Genüge getan (BVerfG vom 7. Juli 1983 NVwZ 1983, 603, 604). Anerkannte Asylanten können eine Nachzahlung von Sozialleistungen, die ihnen bei einer sofortigen Anerkennung zugestanden hätten, nur verlangen, soweit das in dem jeweils maßgebenden Leistungsgesetz vorgesehen ist. Das ist im BErzGG 1989 nicht der Fall.

c) Der § 1 Abs. 1 Satz 2 BErzGG 1989 enthält keine Gesetzeslücke. Er gilt auch für Asylbewerber, deren Asylrecht später anerkannt wird. Auch deren Anspruch auf ErzG entsteht erst mit dem Besitz einer Aufenthaltserlaubnis. Die Vorschrift betrifft nach ihrem Wortlaut uneingeschränkt alle "Ausländer", also auch Asylbewerber. Die Gesetzesmaterialien geben keinen Anhalt, daß Asylbewerber, die später anerkannt werden, ausgenommen werden sollten.

Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 BErzGG i.d.F. durch das AuslRNG begründet die Aufenthaltsgestattung des Asylbewerbers (§ 20 AsylVfG) keinen Anspruch auf ErzG. Die Aufenthaltsgestattung bescheinigt einen legalen Aufenthalt, ist aber keine Aufenthaltsgenehmigung, sondern ein kraft Gesetzes bestehender legaler Aufenthaltsstatus (BT-Drucks 11/6321 Seite 55). Auch in den Gesetzesmaterialien zu dieser Vorschrift fehlt jeder Anhalt, daß der Ausschluß vom ErzG im Falle später anerkannter Bewerber nicht gelten soll.

Die Einfügung der Vorschrift in das BErzGGÄndG ist erst in der Ausschußberatung erfolgt. Nach ihrer Begründung soll die Festlegung, daß die Aufenthaltserlaubnis, die nur für einen vorübergehenden Zweck erteilt worden ist, nicht ausreicht, insbesondere Studenten und Werkvertragsarbeitnehmer erfassen; für Angehörige von Mitgliedstaaten der EG gelte diese Einschränkung nicht (BT-Drucks 11/4776 Seite 2 zu Art 1 Nr. 1). Der Einwand, wenn das Gesetz auch später anerkannte Asylanten habe treffen sollen, wäre dies in der Begründung angesprochen worden, überzeugt schon deswegen nicht, weil auch die weit größere Gruppe der später abgelehnten Asylanten nicht genannt wird. Die für die Leistungseinschränkung gegebene Begründung, daß Ausländer ohne Aufenthaltserlaubnis in der Regel keine Arbeitserlaubnis haben, so daß der Zweck des ErzG, die Wahlfreiheit zwischen Kindererziehung und Berufstätigkeit zu sichern, nicht erreicht werden könne (BT-Drucks 11/4776 Seite 2 zu Art 1 Nr. 1), trifft auf Asylbewerber unabhängig davon zu, ob diese später anerkannt werden oder nicht. Das spricht dafür, daß der Gesetzgeber Asylbewerber unabhängig von einer späteren Anerkennung ausschließen wollte.

Nach dem vor dem BErzGG 1989 geltenden Recht konnte bei Asylbewerbern erst mit Eintritt der Unanfechtbarkeit der Entscheidung über das Asylrecht über den gewöhnlichen Aufenthalt und damit über den Anspruch auf ErzG entschieden werden. Das hatte zur Folge, daß die Verwaltungs- und Gerichtsverfahren bis zur abschließenden Entscheidung über das Asylrecht auszusetzen waren (BSG SozR 3-7833 § 1 Nr. 6). Die Neuregelung knüpft auch im Interesse einer einfachen Verwaltungsabwicklung an die Tatbestandswirkung der ausländerbehördlichen Entscheidung an. Der erstrebten einfachen Verwaltungsabwicklung würde es zuwiderlaufen, wenn für Asylbewerber weiterhin ein Zwang zur Verfahrensaussetzung bestünde.

Eine Ausnahme vom Erfordernis einer Aufenthaltserlaubnis für später anerkannte Asylanten oder eine Rückwirkung der diesen aufgrund ihrer Anerkennung erteilten Aufenthaltserlaubnis kann auch nicht auf § 3 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. Art 24 der Genfer Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (FlüAbk) vom 28. Juli 1951 (BGBl. 1953 II 559) gestützt werden. Nach § 3 Abs. 1 AsylVfG genießt der Asylberechtigte im Geltungsbereich dieses Gesetzes die Rechtsstellung nach dem FlüAbk. Betroffen sind nur Flüchtlinge, die dem Flüchtlingsbegriff des Art 1 FlüAbk unterfallen und die sich rechtmäßig im Gebiet des jeweiligen Konventionsstaates befinden. Das ist bei einem in das Bundesgebiet eingereisten Asylbewerber in aller Regel erst dann der Fall, wenn er als politisch Verfolgter unanfechtbar anerkannt worden ist (BVerfGE 60, 253, 290); zuvor kann er sich lediglich auf "das mit dem Antrag auf Asyl gesetzlich eintretende vorläufige Bleiberecht" (BVerfGE 67, 43, 59) berufen, das ihm zwar Sicherheit vor dem befürchteten Zugriff des angeblichen Verfolgerstaates gewährt, aber keine Freizügigkeit begründet (BVerfGE 80, 182, 187f.), und auch die sonstigen Rechte nach dem FlüAbk nicht auslöst. Im übrigen wird der Anspruch auf ErzG durch das FlüAbk nicht gewährleistet. Art 24 Abs. 1 Buchst a FlüAbk betrifft nur diejenigen Familienbeihilfen, die als Teil des Arbeitslohnes gezahlt werden. Ob das ErzG zur Sozialen Sicherheit i.S. von Art 24 Abs. 1 Buchst b FlüAbk gehört, kann offen bleiben. Denn diese Regelung läßt besondere Bestimmungen unberührt, die nach dem im Aufenthaltsland geltenden Recht vorgeschrieben sind und die Leistungen betreffen, die ausschließlich aus öffentlichen Mitteln bestritten werden (a.a.O. unter ii), wie das beim ErzG der Fall ist. Die Rechtsprechung hat aus diesen Erwägungen den Ausschluß der später anerkannten Asylanten von dem in Baden-Württemberg gewährten Familiengeld (BVerwG Buchholz 402.22 Art 23 GK Nr. 1) und dem niedersächsischen Babygeld (BVerwG vom 13. Juni 1988 - 7 B 207/87 -) nicht als abkommenswidrig angesehen.

Die nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) für Ausländer geltende Regelung kann zur Klärung nicht beitragen. Sie ist zeitgleich durch das Zwölfte Gesetz zur Änderung des BKGG (12. BKGG-ÄndG) vom 30. Juni 1989 (BGBl. I 1294) in § 1 Abs. 3 BKGG erfolgt. Danach haben Ausländer, die sich ohne Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet aufhalten, einen Kindergeldanspruch nur, wenn ihre Abschiebung auf unbestimmte Zeit unzulässig ist oder wenn sie aufgrund landesrechtlicher Verwaltungsvorschriften auf unbestimmte Zeit nicht abgeschoben werden. Der Anspruch ist frühestens für die Zeit ab einem Jahr nach dem gestatteten oder geduldeten Aufenthalt des Ausländers gegeben. § 1 Abs. 3 BKGG knüpft anders als § 1 Abs. 1 Satz 2 BErzGG 1989 nicht an die Entscheidung der Ausländerbehörde an, sondern ist als Prognosevorschrift ausgestaltet.

Die Frage, ob die Klägerin als türkische Staatsangehörige nach dem Beschluß 1/80 des Assoziationsrates EG - Türkei einen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis hatte (vgl. hierzu Rittstieg InfAuslR 1991, 1 und EuGH vom 20. September 1990 - C-192/89 -InfAuslR 1991, 2), braucht nicht entschieden zu werden. Denn ein solcher Anspruch könnte nur gemäß der Tatbestandswirkung einer entsprechenden Entscheidung der Ausländerbehörde berücksichtigt werden.

Der Senat verkennt nicht, daß die Dauer des Asylverfahrens und des anschließenden Aufenthaltserlaubnisverfahrens in Anbetracht der Beschränkung des ErzG auf die erste Lebensphase des Kindes zu Härten führen kann. Das hat der Gesetzgeber indes bei der Regelung berücksichtigt, wie der Vergleich mit der im Kindergeld getroffenen Regelung zeigt. Die Möglichkeit, die mit der Verfahrensdauer verbundenen Härten dadurch zu mildern, daß nicht auf die Aufenthaltserlaubnis, sondern auf die zeitlich früher liegenden Tatbestände entweder der rechtskräftigen Anerkennung des Asylrechts oder schon der Anerkennung durch Urteil erster Instanz abgestellt wird, war dem Sozialgesetzgeber geläufig. So endet etwa die Wartezeit für eine Arbeitserlaubnis nach § 19 Abs. 1c des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG), wenn das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Asylbewerber als Asylberechtigten anerkannt oder ein Gericht das Bundesamt zur Anerkennung verpflichtet hat, auch wenn ein Rechtsmittel eingelegt worden ist. Das schließt die Annahme einer Gesetzeslücke aus. An die gesetzliche Wertung sind die Gerichte in den Grenzen der Verfassung gebunden.

Die auf die Tatbestandswirkung der Aufenthaltserlaubnis abstellende gesetzliche Regelung ist nicht verfassungswidrig.

Es verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz (Art 3 Abs. 1 des GG), daß der Gesetzgeber die jeweils geforderte Verfestigung des Aufenthalts für die verschiedenen Ansprüche unterschiedlich umschreibt. Der in der Gesetzesbegründung gegebene Hinweis, daß Ausländer ohne Aufenthaltserlaubnis in der Regel keine Arbeitserlaubnis haben, so daß der Zweck des ErzG, die Wahlfreiheit zwischen Kindererziehung und Berufstätigkeit zu sichern, nicht erreicht werden könne (BT-Drucks 11/4776 Seite 2 zu Art 1 Nr. 1), mag es auch zulassen, wie in § 19 Abs. 1c AFG auf einen früheren Zeitpunkt abzuheben. Verfassungsrechtlich geboten war dies jedoch nicht. Der Gesetzgeber war auch nicht verfassungsrechtlich gehalten, eine rückwirkende ErzG-Bewilligung vorzusehen, zumal eine nachträgliche Leistung dem Zweck des ErzG nicht entspricht.

Die gesetzliche Regelung ist auch nicht unverhältnismäßig. Sie macht zwar den Anspruch auf ErzG auch von Zufälligkeiten des Verfahrensablaufs abhängig (Bode, Streit 1990, 26). Es ist jedoch nicht ungewöhnlich, daß ein Sozialleistungsanspruch von der Tatbestandswirkung einer anderweit getroffenen Entscheidung abhängt. Die Rechtsprechung hat das auch unter Berücksichtigung der Möglichkeit der Beteiligten, eine solche Entscheidung zu verzögern, im Grundsatz als verfassungsgemäß angesehen (vgl. z.B. zur Rentenerhöhung erst nach Rechtskraft des Versorgungsausgleichs: BSG SozR 3-2200 § 1304b Nr. 1). Der Gefahr einer rechtsmißbräuchlichen Verzögerung kann anderweit ausreichend begegnet werden. Der Beteiligte, der durch eine frühzeitige Entscheidung begünstigt wird, kann im vorgreifenden Verfahren sein Recht auf eine zeitgerechte Entscheidung verfolgen. In den vorgreifenden Verfahren, hier in den Verfahren über die Anerkennung des Asylrechts und die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis, ist eine im Hinblick auf das nachgehende Verfahren begründete Eilbedürftigkeit zu berücksichtigen. Hierauf kann der Beteiligte grundsätzlich verwiesen werden.

Im vorliegenden Fall fehlen Anhaltspunkte, daß die Klägerin unter Hinweis auf ihr Kind und den geltend gemachten Anspruch auf ErzG versucht hat, die Verfahren über die Anerkennung des Asylrechts und die Aufenthaltserlaubnis zu verkürzen, etwa durch Erhebung einer Untätigkeitsklage nach der rechtskräftigen Anerkennung des Asylrechts.

Es bedarf daher nicht der Prüfung, ob in Ausnahmefällen, in denen der Ausländer in den vorgreifenden Verfahren alles unternommen hat, um diese abzukürzen, und hierzu gehört regelmäßig ein Hinweis auf die Eilbedürftigkeit wegen des Anspruchs auf ErzG, und in denen gleichwohl im Wege des Primärrechtsschutzes eine zeitgerechte Entscheidung nicht bewirkt werden konnte, es der für das ErzG zuständigen Behörde im Einzelfall verwehrt sein kann, aus der Verzögerung Rechte herzuleiten.

2. Der Senat vermag auch der weiteren Begründung des SG nicht zu folgen, die wohl dahin zu verstehen ist, daß trotz der erst im August 1990 erfolgten Zurückweisung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung das Urteil des VG sogleich rechtskräftig geworden sei und daß eine rechtskräftige Anerkennung des Asylrechts der Aufenthaltserlaubnis gleichstehe.

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung ist im AsylVfG als echtes Rechtsmittel ausgestaltet. Die Einlegung der Beschwerde hemmt nach § 32 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG den Eintritt der Rechtskraft. Dabei kann dahinstehen, ob die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig oder als unbegründet abgewiesen wurde. Wird ein an sich statthaftes und rechtzeitig eingelegtes Rechtsmittel gegen ein Urteil nach Ablauf der Rechtsmittelfrist verworfen, so tritt die Rechtskraft des Urteils i.S. von § 705 der Zivilprozeßordnung (ZPO) erst mit der Rechtskraft der Verwerfungsentscheidung ein (Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes BGHZ 88, 353).

Auch für die danach allein in Betracht kommende Zeit ab der Entscheidung des VGH vom 20. August 1990 bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis steht ErzG nicht zu. Das AuslG in der vor dem AuslRNG geltenden Fassung unterschied zwischen (1.) Ausländern, die keiner Aufenthaltserlaubnis (oder Aufenthaltsberechtigung) bedürfen, (2.) Ausländern, die einen Rechtsanspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis haben und (3.) Ausländern, denen die Aufenthaltserlaubnis nach Ermessen erteilt werden kann. Bei Ausländern, die keiner Aufenthaltserlaubnis bedürfen, war der Aufenthalt auch ohne Aufenthaltserlaubnis rechtmäßig. Zu dieser Personengruppe gehörten nach Maßgabe des § 2 Abs. 2 und 3 AuslG a.F. etwa neben dem ausländischen Fluglinienpersonal ausländische Bedienstete der Organe der Europäischen Gemeinschaften. Der § 2 AuslG i.d.F. des AuslRNG nimmt diesen Personenkreis von der Geltung des AuslG aus, und beläßt es damit bei der Rechtsfolge, daß deren Aufenthalt ohne Aufenthaltserlaubnis rechtmäßig ist. Ein hiernach ohne Aufenthaltserlaubnis rechtmäßiger Aufenthalt ist einer Aufenthaltserlaubnis i.S. des § 1 BErzGG gleichzuachten (vgl. zu Kindern, die vor dem 1. Juli 1989 geboren wurden: BSG Urteil vom 29. August 1991 - 4 REg 5/91 -, zur Veröffentlichung vorgesehen). Denn für diese Personen ist eine Aufenthaltserlaubnis nicht vorgesehen. Insoweit besteht eine Gesetzeslücke. Die Befreiung vom Erfordernis einer Aufenthaltserlaubnis sollte diesen Personenkreis begünstigen und nicht von Sozialleistungen ausschließen.

Dagegen kann ein Rechtsanspruch auf Aufenthaltserlaubnis dieser nicht gleichgestellt werden. Denn das Gesetz läßt insbesondere in der Formulierung "im Besitz" erkennen, daß neben dem Recht auf eine Aufenthaltserlaubnis dessen förmliche Feststellung durch Verwaltungsakt notwendig ist, soweit die Rechtsordnung einen solchen Verwaltungsakt vorsieht.

Die Klage war daher abzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 518155

BSGE, 197

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