Beteiligte

Kläger und Revisionskläger

Beklagte und Revisionsbeklagte

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit (EU/BU).

Der im Jahr 1934 geborene Kläger ist Staatsangehöriger des ehemaligen Jugoslawien. Bei Rentenantragstellung lebte er in Jugoslawien im Gebiet des heutigen Bosnien-Herzegowina und verzog während des Revisionsverfahrens nach Kroatien. In Deutschland war er vom 4. November 1968 bis 19. November 1971 insgesamt 28 Monate als Hilfsarbeiter versicherungspflichtig beschäftigt. Mit den Pflichtbeiträgen, die er in Jugoslawien zuletzt im Oktober 1979 zur Rentenversicherung entrichtet hat, liegen insgesamt Beiträge für mindestens 60 Kalendermonate vor. Seit dem 5. Oktober 1979 bezieht der Kläger im Gebiet des ehemaligen Jugoslawien Invalidenrente.

Am 20. Dezember 1988 beantragte der Kläger die Gewährung von Rente wegen EU aus der deutschen Rentenversicherung. Diesen Antrag lehnte die Beklagte ab, weil der Kläger nach den ärztlichen Feststellungen und unter Berücksichtigung des beruflichen Werdeganges weder berufs- noch erwerbsunfähig sei (Bescheid vom 17. Juli 1990). Im Klageverfahren machte der Kläger geltend, er sei in Jugoslawien als Invalide der 1. Kategorie anerkannt. Das Sozialgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Kläger erfülle nicht die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der §§ 1246 Abs. 2a, 1247 Abs. 2a der Reichsversicherungsordnung (RVO) sowie des Art 2 § 6 Abs. 2 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG). Ein Rentenanspruch bestünde nur dann, wenn der Kläger vor dem 1. Juli 1984 berufs- oder erwerbsunfähig geworden wäre. Dies sei jedoch nach dem medizinischen Beweisergebnis nicht der Fall (Urteil vom 25. Januar 1991).

Im Berufungsverfahren hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt und sich bereit erklärt, freiwillige Beiträge nachzuentrichten. Durch Urteil vom 22. Oktober 1991 hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) die Berufung zurückgewiesen und ausgeführt, ein Rentenanspruch des Klägers scheitere bereits daran, daß die im Haushaltsbegleitgesetz 1984 (HBegleitG) für Versicherungsfälle ab 1. Januar 1984 normierten besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der §§ 1246 Abs. 2a, 1247 Abs. 2a RVO nicht erfüllt seien, weil der Kläger den letzten Beitrag zur Rentenversicherung im Oktober 1979 entrichtet habe. Eine Anwendung der §§ 1246 Abs. 1, 1247 Abs. 1 RVO in der am 31. Dezember 1983 geltenden Fassung sei im Falle des Klägers nicht möglich. Zwar seien die genannten Vorschriften gemäß Art 2 § 6 ArVNG für Versicherungsfälle nach diesem Zeitpunkt noch anzuwenden, wenn der Versicherte vor dem 1. Januar 1984 eine Versicherungszeit von 60 Kalendermonaten zurückgelegt habe und jeder Kalendermonat in der Zeit vom 1. Januar 1984 bis zum Ende des Kalenderjahres vor Eintritt des Versicherungsfalles mit Beiträgen oder den bei der Ermittlung der 60 Kalendermonate nach § 1246 Abs. 2a RVO nicht mitzuzählenden Zeiten belegt sei. Dies gelte für Versicherungsfälle in der Zeit bis zum 30. Juni 1984 auch, ohne daß die Voraussetzungen von Art 2 § 6 Abs. 2 Nr. 2 ArVNG vorlägen. Der Kläger habe aber nicht jeden Kalendermonat in der Zeit ab 1. Januar 1984 mit Beiträgen oder den bei der Ermittlung der 60 Kalendermonate nach § 1246 Abs. 2a RVO nicht mitzuzählenden Zeiten belegt. Da er nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme jedenfalls bis zum 30. Juni 1984 noch körperlich mittelschwere Arbeiten vollschichtig habe verrichten können, sei der Versicherungsfall auch nicht in der Zeit bis zum vorgenannten Zeitpunkt eingetreten, so daß auf die Voraussetzung der lückenlosen Belegung ab 1. Januar 1984 nicht verzichtet werden könne (Art 2 § 6 Abs. 2 Satz 2 ArVNG).

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts durch das Berufungsgericht und macht geltend, das LSG habe verkannt, daß als Zeiten i.S. des § 1246 Abs. 2a Satz 2 Nr. 3 RVO auch Rentenbezugszeiten aufgrund einer Invalidenrente anzuerkennen seien, die er, der Kläger, im Gebiet des früheren Jugoslawien erhalte. Sinn und Zweck der Regelung der vorgenannten Vorschrift sei es, den Arbeitnehmer vor Nachteilen zu schützen, die sich daraus ergäben, daß er aufgrund von krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit, die wiederum den Rentenbezug bedinge, nicht in der Lage sei, einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nachzugehen. Dies müsse auch dann gelten, wenn der Versicherte eine andere Staatsbürgerschaft habe und in seinem Heimatland eine Invalidenrente beziehe. Hiervon ausgehend sei die Wartezeit gemäß § 1247 Abs. 2a i.V.m. § 1246 Abs. 2a RVO erfüllt.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 22. Oktober 1991 und das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 25. Januar 1991 sowie den Bescheid der Beklagten vom 17. Juli 1990 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit ab 1. Dezember 1988 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

II.

Der Senat hat im Einvernehmen mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).

Die durch Zulassung statthafte Revision ist nicht begründet. Zu Recht hat das LSG einen Rentenanspruch des Klägers verneint, denn die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente wegen EU oder BU sind nicht erfüllt.

Über die Ansprüche des Klägers ist noch unter Anwendung der Vorschriften der RVO zu entscheiden, weil der Kläger vor dem 1. Januar 1992 für einen vor diesem Zeitpunkt liegenden Zeitraum Ansprüche geltend gemacht hat (§ 300 Abs. 2 Sozialgesetzbuch - Sechstes Buch -).

Nach den Tatsachenfeststellungen des LSG, die der Kläger nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffen hat und deshalb für den Senat bindend sind (§ 163 SGG), konnte der Kläger am 1. Juli 1984 noch körperlich mittelschwere Arbeiten vollschichtig verrichten. Mit diesem Leistungsvermögen war er nicht erwerbsunfähig und, da er nach seinem beruflichen Werdegang keinen Berufsschutz genießt, auch nicht berufsunfähig.

Aufgrund einer möglicherweise später eingetretenen EU oder BU würde ein Rentenanspruch gemäß Art 2 § 6 Abs. 2 ArVNG i.V.m. den §§ 1246 Abs. 2a, 1247 Abs. 2a RVO nur bestehen, wenn 1. entweder der Kläger 60 Kalendermonate vor diesem Zeitpunkt eine Zeit von 36 Kalendermonaten mit Pflichtbeiträgen belegt hätte (§§ 1247 Abs. 2a, 1246 Abs. 2a Satz 1 Nr. 1 RVO)

oder der vorgenannte 60-Monate-Zeitraum durch eine Rentenbezugszeit (§§ 1247 Abs. 2a, 1246 Abs. 2a Satz 2 Nr. 3 RVO) so weit verlängert würde, bis die 36 Monate an Beiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung/Tätigkeit nachgewiesen sind,

oder 2. entweder der Kläger vor dem 1. Januar 1984 eine Versicherungszeit von 60 Kalendermonaten zurückgelegt hätte und jeder Kalendermonat in der Zeit vom 1. Januar 1984 bis zum Ende des Kalenderjahres vor Eintritt des Versicherungsfalles mit Beiträgen belegt wäre (Art 2 § 6 Abs. 2 ArVNG)

oder die vorgenannte Zeit vor Eintritt des Versicherungsfalles durch eine Rentenbezugszeit belegt wäre (Art 2 § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 2 ArVNG).

Der Kläger hat nach den Feststellungen des LSG aber nicht 60 Monate vor einem nach dem 1. Juli 1984 eintretenden Versicherungsfall eine Zeit von 36 Monaten (Ziff 1) oder jeden Kalendermonat zwischen dem 1. Januar 1984 und dem Ende des Kalenderjahres vor Eintritt des Versicherungsfalles (Ziff 2) mit Beiträgen belegt. Daher waren die rentenrechtlichen Voraussetzungen bei Stellung des Rentenantrages (20. Dezember 1988) unter diesen rechtlichen Gesichtspunkten nicht erfüllt.

Eine Erfüllung der rentenrechtlichen Voraussetzungen ist auch nicht durch Nachentrichtung freiwilliger Beiträge möglich. Dies scheitert daran, daß die seit 1. Januar 1984 bestehende Beitragslücke im Zeitpunkt der Bereiterklärung zur Nachentrichtung (Berufungsschrift vom 3. Mai 1991) nicht mehr vollständig geschlossen werden konnte. Denn gemäß §§ 1418 Abs. 1, 1420 Abs. 1 Nr. 2 RVO sind freiwillige Beiträge nur wirksam, wenn sie nach Ablauf des Kalenderjahres, für das sie gelten sollen, entrichtet werden, oder wenn zumindest fristgerecht eine Bereiterklärung zur Nachentrichtung erfolgt. Der Kläger hat indessen für die Zeit nach Oktober 1979 weder Beiträge entrichtet noch sich rechtzeitig zur Nachentrichtung bereit erklärt. Seine diesbezügliche Erklärung im Jahre 1991 konnte nicht mehr wirksam bis zu dem nach Art 2 § 6 Abs. 2 ArVNG maßgebenden Zeitpunkt, d.h. dem 1. Januar 1984, zurückreichen.

Eine spätere Entrichtung der Beiträge ist auch im Rahmen eines von der Rechtsprechung entwickelten sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht mehr zulässig. Dieser Anspruch setzt voraus, daß der Versicherungsträger dem Versicherten gegenüber eine Nebenpflicht verletzt hat. Er muß ihn dann so stellen, wie er bei ordnungsmäßigem Hinweis gestanden hätte. Dabei ist davon auszugehen, daß der Versicherte seinem Interesse gemäß gehandelt hätte, hier also die Beiträge erbracht hätte, wenn er ordnungsgemäß unterrichtet gewesen wäre (Urteil des Senats vom 22. November 1988 - 5/4a RJ 79/87 - in SozR 5750 Art 2 § 6 Nr. 4 sowie BSG-Urteil vom 16. Dezember 1993 - 13 RJ 19/92 - zur Veröffentlichung vorgesehen in SozR 3-1200 § 14 Nr. 12).

Auf eine Verletzung der allgemeinen Aufklärungspflicht i.S. von § 13 des Sozialgesetzbuchs - Erstes Buch - (SGB I) kann der Kläger allerdings keinen Herstellungsanspruch stützen. Diese Aufklärungspflicht begründet nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) regelmäßig kein subjektives Recht des Versicherten gegenüber dem Versicherungsträger. Eine Pflichtverletzung kann nicht durch Anerkennung von Herstellungsansprüchen unter Sanktion gestellt werden. Dies würde zu einer Aushöhlung des "formellen Publizitätsprinzips" führen, wonach ordnungsgemäß verkündete Gesetze grundsätzlich allen Normadressaten als bekannt gelten, ohne Rücksicht darauf, ob und wann sie tatsächlich davon Kenntnis erlangt haben (BSGE 67, 90 = SozR 3-1200 § 13 Nr. 1 m.w.N. sowie BSG-Urteile vom 25. Oktober 1990 - 12 RK 29/88 - und vom 21. April 1993 - 5 RJ 58/91 -).

Ebensowenig kann dem Kläger ein Recht zur Nachentrichtung von freiwilligen Beiträgen wegen Verletzung einer Beratungspflicht i.S. von § 14 SGB I eingeräumt werden. Eine solche Pflicht wird in der Regel erst durch ein Beratungsbegehren des Versicherten ausgelöst (BSG SozR 1200 § 14 Nrn 9, 12). Der Versicherungsträger ist jedoch auch ohne ein ausdrückliches Beratungsbegehren - wie hier - nur bei Vorliegen eines konkreten Anlasses gehalten, von sich aus den Versicherten auf klar zutage liegende Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, die sich offensichtlich als zweckmäßig aufdrängen und die von jedem verständigen Versicherten mutmaßlich genutzt werden (BSG SozR Nr. 3 zu § 1233 RVO, SozR 1200 § 14 Nrn 15, 25 und SozR 3-1200 § 14 Nrn 5, 6). Ein derartiger konkreter Anlaß kann sich nach der Rechtsprechung des BSG aus einem laufenden Rentenfeststellungsverfahren (BSGE 46, 124 = SozR 2200 § 1290 Nr. 11 und BSG SozR 5750 Art 2 § 6 Nr. 4), im Rahmen eines Kontenklärungsverfahrens (BSG SozR 1200 § 14 Nr. 15) oder nach dem erfolglosen Abschluß eines Rentenverfahrens bzw. eines Rechtsstreits über die beanspruchte Rente (BSGE 41, 126 = SozR 7610 § 242 Nr. 5, Urteil des Senats vom 23. April 1990 - 5 RJ 65/89 - und BSG-Urteil vom 25. August 1993 - 13 RJ 43/92 -) ergeben.

Hiervon ausgehend kann der Kläger die insgesamt fehlenden Beiträge gleichwohl nicht mehr entrichten. Für die Beklagte hätte eine Beratungspflicht allenfalls nach dem Rentenantrag des Klägers vom 20. Dezember 1988 entstehen können. Zu diesem Zeitpunkt wäre es dem Kläger jedoch rentenrechtlich (§§ 1418 Abs. 1, 1420 Abs. 1 Nr. 2 RVO) nicht mehr möglich gewesen, die Lücke ab 1. Januar 1984 vollständig zu schließen.

Zu einem früheren Zeitpunkt bestand für die Beklagte keine Beratungspflicht. Aus der Bearbeitung des Rentenversicherungsverhältnisses ergab sich für die Beklagte kein konkreter Anlaß. Denn nach der Entrichtung des letzten Pflichtbeitrages im November 1971 hat der Kläger sich an die Beklagte erst wieder mit seinem Rentenantrag vom 20. Dezember 1988 gewandt. Einen konkreten Anlaß zur Beratung des Klägers stellten auch die Änderungen rentenrechtlicher Vorschriften im HBegleitG nicht dar. Dies würde voraussetzen, daß der Versicherungsträger verpflichtet wäre, bei gesetzlichen Änderungen mit schwerwiegenden Folgen für die Ansprüche aus der Rentenversicherung alle bei ihm geführten Versicherungskonten daraufhin zu überprüfen, ob sie Anlaß für eine spontane Beratung geben. Eine derartige Verpflichtung besteht indes nach der Rechtsprechung grundsätzlich nicht.

Entgegen der Auffassung des Klägers wird der maßgebende 60-Monate-Zeitraum zu Ziff 1 bzw. das Erfordernis einer Belegung mit Beiträgen ab 1. Januar 1984 zu Ziff 2 auch nicht durch eine Rentenbezugszeit ersetzt. Denn die Zeit des Bezuges einer jugoslawischen Invalidenrente ist weder eine Rentenbezugszeit i.S. von § 1246 Abs. 2a Satz 2 Nr. 3 RVO noch i.S. von Art 2 § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ArVNG. Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß deutsche rentenrechtliche Vorschriften sich nur auf deutsche Renten beziehen. Die genannten Vorschriften geben nach ihrem Wortlaut keinen Anhaltspunkt dafür, daß - abweichend vom Grundsatz - auch der Bezug ausländischer Renten erfaßt werden soll. Ebensowenig ergibt die historische Auslegung verwertbare Hinweise. Die durch das HBegleitG eingeführten besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen und die insoweit als Aufschubtatbestände geltenden Rentenbezugszeiten hatten im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung keinen Vorläufer. Die Regelung der 36 Monate von 60 Monaten knüpfte zwar an eine der alternativen Voraussetzungen für die Anrechnung einer Zurechnungszeit (§ 1260 Abs. 1 Satz 2 1. Alternative RVO) an (Begründung des Regierungsentwurfs zum HBegleitG, BR-Drucks 302/63 S. 60). In ihrem Rahmen galten jedoch gerade keine Aufschubtatbestände (anders bei der Halbbelegung: § 1260 Abs. 1 Satz 2 2. Alternative und Satz 3 RVO). Während des Gesetzgebungsverfahrens wurde die Problematik der Anwendung der Neuregelung mit den Übergangsvorschriften auf Ausländer (insbesondere auf - ehemalige - ausländische Arbeitnehmer), soweit ersichtlich, nicht erörtert. Lediglich im Bericht über die Ausschußberatungen findet sich der Hinweis, die Fraktion der SPD habe zu bedenken gegeben, daß israelische Staatsbürger auf ihre im Rahmen des Wiedergutmachungsrechts erworbenen Ansprüche vertraut hätten. Es wurde deshalb die Überlegung angeregt, ob nicht im Wege eines Sozialversicherungsabkommens Abhilfe möglich sei (BT-Drucks 10/691 S. 12).

Auch die teleologische Auslegung der maßgebenden Vorschriften vermag dem Kläger nicht zu dem von ihm erstrebten Erfolg zu verhelfen. Nach Sinn und Zweck der Berücksichtigung von Rentenbezugszeiten als Aufschubtatbestände i.S. des § 1246 Abs. 2a Satz 2 RVO und des Art 2 § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ArVNG werden hierbei ausländische Rentenbezugszeiten nicht erfaßt. Die durch das HBegleitG eingeführten verschärften versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für den Bezug von Renten wegen BU oder EU sollten als strukturelle Änderung zur finanziellen Entlastung der Rentenversicherung beitragen. Maßgebend für die Reformüberlegungen war nach der Gesetzesbegründung, daß die genannten Renten in zunehmendem Maße von Versicherten in Anspruch genommen wurden, für die sie keine Lohnersatzfunktion hatten (BR-Drucks 302/83, S. 59f.). Außerdem sollten die Regelungen den Gedanken der Solidarität verstärken, wonach Leistungen bevorzugt den Versicherten zugute kommen sollten, die der Solidargemeinschaft während ihres Versicherungslebens durch Entrichtung von Pflichtbeiträgen verbunden gewesen sind (Stellungnahme des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung, zitiert im Beschluß des Bundesverfassungsgerichts ≪BVerfG≫ in BVerfGE 75, 78). Daraus ergibt sich, daß die in § 1246 Abs. 2a Satz 2 RVO (und damit auch in Art 2 § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ArVNG) genannten Aufschubtatbestände bezwecken, denjenigen Personenkreisen ihren zuvor erworbenen Versicherungsstatus zu erhalten, die aus der Solidargemeinschaft der Pflichtversicherten nicht aufgrund eigener Entscheidung ausscheiden, sondern denen eine weitere versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit aufgrund außerhalb ihres Willens liegender Umstände von vornherein verwehrt oder zumindest erschwert ist. Eine entsprechende Beziehung zur Solidargemeinschaft der Pflichtversicherten haben aber die Zeiten des Bezuges von Renten aus ausländischen Systemen nicht.

Schließlich folgt auch aus dem Abkommensrecht, daß der Kläger durch den Bezug der jugoslawischen Invaliditätsrente den Aufschubtatbestand der Rentenbezugszeit sowohl nach § 1246 Abs. 2a Satz 2 Nr. 3 RVO als auch nach Art 2 § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ArVNG nicht erfüllt hat. Das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit vom 12. Oktober 1968 (BGBl. II 1969, S. 1438) i.d.F. des Abkommens zur Änderung des Abkommens vom 12. Oktober 1968 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit vom 30. September 1974 (BGBl. II 1975, S. 390), das bis zum Abschluß eines Abkommens mit einem Nachfolgestaat des ehemaligen Jugoslawien weiter auf die Angehörigen der Nachfolgestaaten anzuwenden ist, enthält keine Bestimmung über eine Gleichstellung der Aufschubtatbestände des § 1246 Abs. 2a RVO, insbesondere auch nicht der Rentenbezugszeiten. Die im Abkommen enthaltenen Regelungen bzgl der Gleichstellungen der Staatsangehörigen (Art 3), des Aufenthalts (Art 4) oder der Versicherungszeiten (Art 25) können nicht derart erweiternd ausgelegt werden, daß auch die Bezüge von jugoslawischen Renten gleichzustellen sind und demnach im deutschen Recht als Rentenbezugszeiten zu berücksichtigen wären. Hierfür fehlt jeder Anhaltspunkt. Aus dem Umstand, daß für Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft (zu denen der Kläger nicht gehört) in Art 9a der Verordnung (EWG) ≪EWGV≫ Nr. 1408/71, eingefügt durch Art 1 Nr. 2 der EWGV Nr. 2332/89 vom 18. Juli 1989, eine Gleichstellung von Rentenbezugszeiten normiert worden ist, läßt sich im Gegenteil herleiten, daß es im zwischenstaatlichen Recht einer ausdrücklichen Gleichstellung bedarf. Letztlich wird dies auch dadurch belegt, daß derzeit - wie die Beklagte vom Kläger unbestritten vorgetragen hat - Verhandlungen mit Nachfolgestaaten des früheren Jugoslawien im Gange sind, ein Abkommen über die Anerkennung jugoslawischer Rentenbezüge zu schließen.

Gegen dieses Ergebnis bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Die als verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab in Betracht kommende Eigentumsgarantie des Art 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) ist hier nicht verletzt. In der Neuregelung der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Rente wegen BU bzw. EU (§§ 1246 Abs. 2a, 1247 Abs. 2a RVO) hat das BVerfG noch keine Verletzung der Verfassung gesehen. Denn durch die Neuregelung werde auch jenen Versicherten, die am 1. Januar 1984 ihre Wartezeit für eine entsprechende Rente zurückgelegt hatten, ihre hierdurch begründete Anwartschaft nicht völlig entzogen, sondern lediglich modifiziert. Da die Neuregelung durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sei, stelle sie sich als zulässige Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums nach Art 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar (BVerfG SozR 2200 § 1246 Nr. 142 = BVerfGE 75, 78). Zwar heißt es weiter: "Hätte der Gesetzgeber die angegriffenen Regelungen getroffen, ohne den Betroffenen die Gelegenheit zu geben, ihre Anwartschaft durch die Leistung monatlicher Mindestbeiträge aufrechtzuerhalten, so hätten diese, auch wenn sie zur Erreichung der gesetzgeberischen Ziele als geeignet und erforderlich erscheinen, den Anforderungen des Art 14 GG an eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art 14 Abs. 1 Satz 2 GG nicht entsprochen. Der Entzug der durch eigene, oft erhebliche Beitragsleistungen erworbenen Invaliditätssicherung wäre für die in typischen Fällen auf diesen Versicherungsschutz angewiesenen Versicherten nicht mehr zumutbar gewesen. Indessen können diese ihre Anwartschaft durch die monatliche Leistung eines Mindestbeitrages erhalten, … Daher stellt sich die Frage dahin, ob es zumutbar ist, daß Versicherte, die schon für den Versicherungsfall einen Anspruch erworben haben, nunmehr nur noch mit weiteren Zahlungen diesen Versicherungsschutz aufrechterhalten können. Das ist zu bejahen. Der monatliche Mindestbeitrag ist zwar nicht gering, aber er ist auch nicht unangemessen hoch… . Bei einer Gesamtbetrachtung erscheinen die angegriffenen Regelungen daher für die Betroffenen noch zumutbar. "

Aus diesen Erwägungen könnte die Verfassungswidrigkeit des § 1246 Abs. 2a RVO i.V.m. Art 2 § 6 Abs. 2 ArVNG allenfalls gefolgert werden, soweit ein Betroffener die Erhaltung einer Anwartschaft durch Nachentrichtung freiwilliger Beiträge in die deutsche Rentenversicherung grundsätzlich nicht hätte. Wie dargelegt, bestand indes für den Kläger grundsätzlich diese Möglichkeit. Er hat von ihr lediglich nicht rechtzeitig Gebrauch gemacht.

Nach alledem war die Revision des Klägers als unbegründet zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI518193

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