Leitsatz (amtlich)

Stiefkinder können nur dann im Sinne des KGG § 2 Abs 1 Nr 2 als in den Haushalt des Stiefvaters oder der Stiefmutter aufgenommen gelten, wenn zwischen ihnen und dem Stiefelternteil ein auf längere Dauer gerichtetes Betreuungs- und Erziehungsverhältnis familienähnlicher Art besteht.

 

Leitsatz (redaktionell)

Stiefkinder können nur dann iS des KGG § 2 Abs 1 Nr 2 als in den Haushalt des Stiefvaters oder der Stiefmutter aufgenommen gelten, wenn zwischen ihnen und dem Stiefelternteil ein auf längere Dauer gerichtetes Betreuungs- und Erziehungsverhältnis familienähnlicher Art besteht. Sind die Stiefkinder in Fürsorgeerziehung untergebracht, entfällt daher eine Übertragbarkeit des Kindergeldanspruches aus KGG § 8 zugunsten des Kostenträgers der Fürsorgeerziehung.

 

Normenkette

KGG § 2 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1954-11-13, § 8 Fassung: 1954-11-13

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23. November 1960 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I. Der Kläger beansprucht, daß die beklagte Familienausgleichskasse (FAK) an ihn Kindergeld für die Stiefkinder des Beigeladenen auszahle. Letzterer hat fünf Kinder, und zwar außer dem im Jahre 1956 geborenen ehelichen Sohn Lutz R die 1948, 1949, 1950 und 1952 geborenen Stiefsöhne Peter M zik, Herbert, Winfried und Albert M, die seine Ehefrau in die Ehe einbrachte. Ab Juli 1956 bezog der Beigeladene von der beklagten FAK für die Kinder Winfried, Albert und Lutz Kindergeld.

Seit dem 13. September 1957 befinden sich die Stiefsöhne aus erzieherischen Gründen auf Kosten des Kreissozialamts Rottweil zur Heimerziehung (Fürsorgeerziehung) in einem staatlichen Waisenhaus. Das Bezirksnotariat II Rottweil als Vormundschaftsgericht ordnete danach durch Beschluß vom 13. Januar 1958 an, das dem Beigeladenen zustehende Kindergeld zu dem auf die Stiefsöhne entfallenden anteiligen Betrag an das Kreissozialamt zu zahlen. Dem kam die Beklagte für den Monat September 1957 nach. Den Antrag des Klägers auf Weitergewährung des Kindergeldes ab 1. Oktober 1957 lehnte sie (Bescheid vom 10. März 1958) ab, weil die Anspruchsvoraussetzungen in der Person des Beigeladenen nicht mehr gegeben seien, da dessen Stiefsöhne sich nicht mehr in seinem Haushalt befänden. Der Klage gemäß hob das Sozialgericht (Urteil vom 16. April 1959) den Bescheid der Beklagten vom 10. März 1958 auf und verurteilte diese, das Kindergeld auch über den Monat September 1957 hinaus zu zahlen.

Auf die Berufung der Beklagten hob das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des Sozialgerichts (SG) auf und wies die Klage ab (Urteil vom 23. November 1960). Der Kläger sei klageberechtigt, weil ihm gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 des Kindergeldgesetzes (KGG) die Antragsberechtigung zustehe, der angefochtene Verwaltungsakt ihm gegenüber ergangen sei und ihn beschwere. Das SG habe jedoch rechtsirrtümlich nicht zwischen Anspruchsberechtigung im Sinne des § 1 KGG und Bezugsberechtigung gemäß § 8 Abs. 2 KGG unterschieden. Durch eine Auszahlungsanordnung des Vormundschaftsgerichts werde dem Berechtigten der Anspruch auf Kindergeld nicht genommen. Die Bezugsberechtigung nach § 8 Abs. 2 KGG sei lediglich ein Ausfluß der Anspruchsberechtigung mit der Folge, daß die Bezugsberechtigung in sich zusammenfalle oder gegenstandslos werde, wenn die Anspruchsberechtigung erlösche. Die Klage sei unbegründet, weil der Kläger zwar eine Bezugsberechtigung habe, aber dieser keine Anspruchsberechtigung zugrunde liege. Seit dem 13. September 1957 sei die Anspruchsberechtigung des Beigeladenen selbst entfallen, weil seine Stiefkinder nicht mehr als in seinem Haushalt aufgenommen gelten könnten. Die Fürsorgeerziehung der Stiefkinder solle enge Kontakte mit dem Beigeladenen verhindern, weil die häuslichen Verhältnisse für ihre ordnungsgemäße Erziehung nicht geeignet erschienen; dadurch werde die Kind-Vater Beziehung unterbrochen. Es handele sich auch nicht nur um eine vorübergehende auswärtige Unterbringung der Stiefkinder des Beigeladenen im Heim, da sie schon seit mehr als drei Jahren andauere. Der Unterhalt der Stiefkinder des Beigeladenen sei daher allein von dem Kläger aufzubringen.

Revision wurde zugelassen.

II. Der Kläger legte form- und fristgerecht Revision ein. Die Kind-Vater Beziehung zu dem Beigeladenen sei infolge der Fürsorgeerziehung der Stiefkinder nicht bewußt und gewollt unterbrochen worden. Trotz deren Unterbringung im staatlichen Waisenhaus bestehe der Zusammenhang mit dem stiefväterlichen Haushalt fort. Die Kinder verbrächten ihre Ferienzeit bei den Eltern und kehrten nach Abschluß der Heimunterbringung ins Elternhaus zurück. Der Sohn Peter sei bereits wieder ganz im elterlichen Haushalt, und die übrigen Kinder kämen abwechselnd zu ihren Eltern zu Besuch. Die Heimerziehung sei als Schul- und Berufsausbildung anzusehen und deshalb Kindergeld zu gewähren. Wenn schon für in Fürsorgeerziehungsanstalten untergebrachte Stiefkinder die Haushaltszugehörigkeit bejaht werden müsse, so habe dies erst recht für solche Stiefkinder zu gelten, die im Wege der freiwilligen Erziehungsfürsorge in einem Heim untergebracht würden, wie die Stiefkinder des Beigeladenen. Er und seine Ehefrau hätten deren Heimunterbringung auf Vorschlag des Jugendamtes zugestimmt, weil wegen ihrer schlechten wirtschaftlichen Lage und des daraus herrührenden Unvermögens die Erziehung der Stiefkinder nicht gewährleistet gewesen sei. Die Eheleute seien Vertriebene; die Mutter sei seit Jahren krank, der Beigeladene leide an schubweise auftretenden epileptischen Anfällen und könne den Lebensunterhalt der Familie nicht sicherstellen. Die Fürsorgeerziehung habe nicht den Zweck, einen engen Kontakt der Stiefkinder mit ihren Eltern zu verhindern, sondern mit ihr werde die wirtschaftliche und gesundheitliche Entlastung des elterlichen Haushalts bezweckt. Der Familienzusammenhang fehle auch nicht deshalb, weil die Kosten der Heimunterbringung vom Kreissozialamt getragen würden. Dieses habe, da der Beigeladene seinen Stiefkindern nicht unterhaltspflichtig sei, deren Unterhalt einschließlich der auf sie entfallenden Mietkosten schon getragen, als sie noch im Haushalt ihrer Eltern lebten. Hilfsweise macht der Kläger im Hinblick auf die vormundschaftsgerichtliche Anordnung eine eigene Berechtigung auf Kindergeld geltend.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 23. November 1960 aufzuheben und der Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 10. März 1958 stattzugeben.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Eine Aufnahme der Stiefkinder in den Haushalt des Beigeladenen läge nur vor, wenn sie sich tatsächlich in dessen Haushalt aufhielten und hierdurch innere Bindungen und Beziehungen zu ihm entstanden wären. Die Stiefkinder seien wegen der unerfreulichen und untragbaren Verhältnisse in der Familie des Beigeladenen und ihrer dadurch hervorgerufenen sittlichen Gefährdung in einem staatlichen Waisenhaus untergebracht worden. Die Kind-Vater Beziehung sei bewußt und gewollt sowie nicht nur vorübergehend durch die Fürsorgeerziehung unterbrochen worden. Einzelne Besuche der Stiefkinder im Haushalt des Beigeladenen hätten diese nicht wiederhergestellt, zumal die Besuche nicht dem Beigeladenen, sondern seiner Ehefrau gegolten hätten. Die vom Kläger entgegen dem bisherigen Vorbringen aufgestellte Behauptung, die Unterbringung der Stiefkinder im Waisenhaus sei lediglich zum Zweck der wirtschaftlichen und gesundheitlichen Entlastung des elterlichen Haushalts erfolgt, werde von dem Kläger verspätet vorgebracht (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Wenn diese Behauptung zuträfe, habe es einer Fürsorgeerziehung der Stiefkinder nicht bedurft. Tatsächlich sei diese aber nur angeordnet worden, weil der Beigeladene seine Stiefkinder im Haushalt nicht habe erziehen können. Als deren Heimat könne deshalb sein Haushalt nicht mehr angesehen werden.

Der Beigeladene war nicht vertreten.

III. Die nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthafte Revision ist zulässig; sie konnte aber keinen Erfolg haben.

Mit Einverständnis der Beteiligten konnte über das Rechtsmittel ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entschieden werden (§ 124 Abs. 2 SGG).

Zur Geltendmachung des Kindergeldanspruchs im eigenen Namen gegenüber der beklagten FAK ist der Kläger durch den Beschluß des Bezirksnotariats II Rottweil als Vormundschaftsgericht vom 13. Januar 1958 nach § 8 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz KGG aktiv legitimiert; daher ist er auch zur Prozeßführung im eigenen Namen befugt (Witting/Meier, Kindergeldhandbuch, Komm. z. KGG § 8 Anm. 9, 10; Herschel, JZ 1956, 153 ff unter 8, 9). Wie das LSG zutreffend ausführt, hat der Kläger durch die Auszahlungsanordnung des Vormundschaftsgerichts indessen eine eigene Anspruchsberechtigung auf Kindergeld nicht erworben. § 8 Abs. 2 KGG bewirkt lediglich eine Bezugsberechtigung. Dies hat zur Folge, daß diejenige Person oder Stelle, die unter den Voraussetzungen und Bedingungen dieser Vorschrift als Zahlungsempfänger bestimmt ist, nur dann ein Recht auf Auszahlung des Kindergeldes besitzt, wenn der zugrunde liegende Anspruch eines der in § 1 KGG (§ 1 des Kindergeld-Ergänzungsgesetzes - KGEG -) aufgeführten Berechtigten auf Kindergeld gegeben ist (vgl. Lauterbach/Wickenhagen, Die Kindergeldgesetzgebung, Komm. zu § 8 KGG Anm. 3, 4; Witting/Meier, Komm. zu § 8 KGG Anm. 5, 10). Dem Beigeladenen stand jedoch ein Anspruch auf Kindergeld für seine Stiefkinder vom 1. Oktober 1957 an nicht mehr zu, weil diese fortan nicht, wie § 2 Abs. 1 Nr. 2 KGG bei Stiefkindern für die Berechtigung voraussetzt, in seinem Haushalt aufgenommen waren.

Von dem Gesetzgeber wurde das geltende System der Kindergeldzahlung im wesentlichen mit dem Ziel und Zweck eingeführt, kinderreichen Familien neben dem auf individueller Arbeit beruhenden und für eine Normalfamilie bestimmten Arbeitsentgelt zusätzliche Leistungen zum Unterhalt der Kinder als ergänzende Hilfe zu gewähren. Damit wird in gewissem Umfange eine anderweitige Verteilung des Einkommens zugunsten der kinderreichen Familien erstrebt, die insbesondere bewirken soll, daß der Lebensstandard der überdurchschnittlich großen Familie nicht unter den Normalstand herabgedrückt und deren besondere Empfindlichkeit auch kleineren Preiserhöhungen gegenüber gemindert wird (vgl. Probleme der Kinderbeihilfen, BABl 1952, 209 ff; Witting/Meier, Einleitung S. 2). Dieser Grundgedanke der Kindergeldregelung hat für § 2 Abs. 1 Nr. 2 KGG ebenfalls Gültigkeit, der als Anspruchsvoraussetzung festlegt: "Stiefkinder, die in den Haushalt des Stiefvaters ... aufgenommen sind". Aus der Begründung in Art. I zu Nr. 1 KGEG (BT-Drucks. 3490, II. Wahlperiode, 1953 unter B, Besonderer Teil) ergibt sich, daß der Gesetzgeber unter "aufgenommen" mehr verstanden wissen will, als lediglich eine äußere, tatsächliche Einbeziehung. Dort heißt es: "Stiefkinder werden, da ihnen gegenüber eine Unterhaltspflicht nicht besteht, künftig als Kinder nur berücksichtigt, wenn der Stiefvater oder die Stiefmutter sie durch Aufnahme in ihren Haushalt versorgen". Unter Aufnahme muß nach dem Zweck der Kindergeldgesetzgebung folglich nicht nur die tatsächliche Zugehörigkeit, sondern die im Rahmen des Haushalts zugewendete Obsorge verstanden werden. Daher gelten Stiefkinder nur dann im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 KGG als in den Haushalt des Stiefvaters oder der Stiefmutter aufgenommen, wenn zwischen ihnen und dem Stiefelternteil ein auf längere Dauer gerichtetes Betreuungs- und Erziehungsverhältnis familienähnlicher Art besteht. Hierzu gehört dem Begriff und Inhalt nach unerläßlich, daß den Stiefkindern regelmäßig der Lebensunterhalt gewährt wird. Den Grundsätzen der Kindergeldregelung würde es widersprechen, daß ein Stiefvater, der zu dem Unterhalt seiner Stiefkinder nichts beiträgt oder sich um ihr persönliches Wohl nicht kümmert, einen Anspruch auf Kindergeld haben sollte. Diese Beihilfen sind dazu bestimmt, demjenigen, der die Lasten des Unterhalts in einer kinderreichen Familie trägt, eine Förderung zu gewähren. Ist das in einem Haushalt mit Stiefkindern der Stiefvater, so soll ihm nach dem Willen des Gesetzgebers Kindergeld wie für eigene Kinder zustehen. Dieser Gedanke kam in der ursprünglichen (bis zum 1. Februar 1956 geltenden) Fassung des KGG (BGBl 1954, 333) in § 2 Abs. 1 Satz 2 im Wortlaut selbst zum Ausdruck. Dort hieß es: "Das gleiche gilt für Kinder, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und auf Kosten des Berechtigten unterhalten und für einen Beruf ausgebildet werden".

IV. Die Tatsache, daß der Begriff "aufgenommen" nach dem Willen des Gesetzgebers den Unterhalt mit umfaßt, ergibt sich aus seiner weiteren Anwendung in § 2 Abs. 1 KGG. Die Begründung von Art. I zu Nr. 1 KGEG (BT-Drucks. 3490, II. Wahlperiode, 1953 B, Besonderer Teil) besagt: "Kinder, die von Großeltern oder Geschwistern versorgt werden, sollen im Unterschied zum bisherigen Recht ohne weitere Einschränkung als deren Pflegekinder gelten". Die ursprüngliche Fassung lautete: "Als Pflegekinder gelten ... sowie die elternlosen Kinder, die von Großeltern oder Geschwistern versorgt werden". Wenn der Gesetzeswortlaut nun dahin geht: "Kinder, die in den Haushalt von Großeltern oder Geschwistern aufgenommen sind oder von ihnen überwiegend unterhalten werden, gelten als Pflegekinder", muß daraus geschlossen werden, daß der Gesetzgeber den Begriff "aufgenommen" im Sinne von "versorgen" verstanden wissen will, also daß der Betreffende sie tatsächlich versorgt, mithin ihren gesamten oder wenigstens ihren überwiegenden Unterhalt bestreitet (so im Ergebnis auch Lauterbach/Wickenhagen, Komm. zum KGG § 2 Anm. 5 IV 36; Schreiben des Gesamtverbandes der FAKen vom 30. Januar 1956 und 28. März 1956, KG-Kartei zu § 2 Abs. 1 KGG Nr. 160 und Nr. 203).

Rechtsprechung und Schrifttum bejahen inzwischen fast ausnahmslos bei Stiefkindern eine Aufnahme in den Haushalt von Stiefeltern nur dann, wenn sie dort eine Heimat gefunden haben, zwischen ihnen und dem Stiefelternteil ein elternähnliches, auf Dauer berechnetes Band besteht und sie wie ein eheliches Kind auch wirtschaftlich unterstützt werden, ihnen insbesondere Unterkunft und Verpflegung gewährt werden. Eine solche einmal begründete Verbindung kann allenfalls auch bei einem Aufenthalt der Kinder außerhalb des Haushalts gegeben sein, wenn dieser Mittelpunkt der Rechtsbeziehungen der Kinder bleibt, der Stiefelternteil weiterhin für die Stiefkinder wie für eigene Kinder sorgt, indem er sie unterhält oder wenigstens teilweise die Kosten für den Unterhalt und ihre Ausbildung trägt und dadurch das zwischen ihm und den Stiefkindern durch Aufnahme in den Haushalt begründete Band fortbesteht. Dieser Auffassung ist voll zuzustimmen. Nirgendwo ist ein sachgerechter oder vernunftbedingter Grund erkennbar, Stiefkinder im Hinblick auf die Kindergeldberechtigung von Stiefeltern anders zu behandeln als Pflegekinder im Verhältnis zu Pflegeeltern. Stiefvater (Stiefmutter) und Stiefkinder stehen zueinander nicht in verwandtschaftlichen Beziehungen. Wenn der Gesetzgeber trotz der engen verwandtschaftlichen Bande Kinder nur dann in den Haushalt von Großeltern oder Geschwistern als aufgenommen ansieht, falls sie von diesen wenigstens überwiegend unterhalten werden (vgl. BSG in SozR KGG Nr. 2 bis 4 Bl. Aa 2 bis Aa 5) und sie weiterhin bei ihnen Heimat und Erziehung finden, d. h. ein Aufsichts-, Betreuungs- und Erziehungsverhältnis die Grundlage einer familienähnlichen ideellen Dauerverbindung bildet (vgl. BSG, Urteil vom 25. April 1963 - 4 RJ 341/61 - und vom 12. September 1963 - 4 RJ 151/62 -), so spricht kein Umstand dafür, warum ein Stiefelternteil, obwohl bei ihm verwandtschaftliche Beziehungen zu seinen Stiefkindern fehlen, Anspruch auf Kindergeld haben sollte, sofern jene für das Vorliegen eines Pflegekindschaftsverhältnisses als notwendig angesehenen Voraussetzungen nicht erfüllt sind.

V. Der Beigeladene hat für seine Stiefkinder niemals aus eigenen Mitteln gesorgt, denn sogar während deren Aufenthalt in seinem Haushalt wurde ihr Unterhalt von dem Kläger getragen. Aber selbst wenn man unterstellen würde, zwischen dem Beigeladenen und seinen Stiefkindern sei beim Aufenthalt in seinem Haushalt ein Kind-Vater ähnliches Band entstanden, weil sie - wenn auch mit Leistungen des Klägers und aus dem an den Beigeladenen ausgezahlten Kindergeld - von diesem versorgt und erzogen worden wären, so ist dieses ideelle Band mit der Unterbringung der Stiefkinder außer Haus unterbrochen worden. Von dem Beigeladenen wurde von diesem Zeitpunkt an nichts mehr getan, was den Schluß zuließe, daß ein Kind-Vater Verhältnis fortbestehe. Infolge der Einweisung seiner Stiefkinder in ein Waisenhaus zur Fürsorgeerziehung - wenn auch unter Zustimmung von ihm und seiner Ehefrau - war dem Beigeladenen jede Möglichkeit genommen, seine Stiefkinder selbst zu erziehen oder zu betreuen. Von ihm wurden alsdann auch irgendwelche Mittel zum Unterhalt der Kinder nicht zur Verfügung gestellt. Da dem Beigeladenen durch den Unterhalt seiner Stiefkinder nach der Weggabe aus dem Haushalt keinerlei Belastung erwächst, hat er auch keinen Anspruch auf eine zusätzliche Hilfe durch Gewährung von Kindergeld nach der Vorschrift des § 2 Abs. 1 Nr. 2 KGG. Demgegenüber wird der Umstand, daß die Kinder ihre Ferien in seinem Haushalt verbringen oder ihn auch sonst ab und zu besuchen, nicht von entscheidender Bedeutung, zumal - wie das LSG schon ausgeführt hat - die Besuche nicht ihm, sondern wesentlich seiner Ehefrau als der natürlichen Mutter jener Kinder gegolten haben und gelten.

VI. Da nach alledem der Bezugsberechtigung des Klägers eine Anspruchsberechtigung des Beigeladenen auf Kindergeld nicht zugrunde liegt, war die Revision zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 91

NJW 1964, 690

MDR 1964, 450

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