Entscheidungsstichwort (Thema)

Begriff der ehelichen Stiefkinder. Rechtsnatur des Antrages

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der im KGG geforderte Antrag ist keine materiell-rechtliche Voraussetzung des Anspruches.

2. Eheliche Stiefkinder iS der Kindergeldgesetze  sind alle ehelichen Kinder des anderen Ehegatten, die nicht zugleich eigene Kinder sind, ohne daß es darauf ankommt, ob sie in den Haushalt des Stiefelternteils aufgenommen sind, oder auf dessen Kosten von ihm überwiegend unterhalten werden.

 

Verfahrensgang

SG Frankfurt am Main (Urteil vom 10.04.1956)

 

Tenor

1) Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt a.M. vom 10. April 1956 aufgehoben und die Klage aufgewiesen.

2) Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

3) Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger, welcher bis zum 31. Dezember 1955 arbeitslos war, hat vom Arbeitsamt H. vom 13. Juni bis 26. November 1955 Arbeitslosenunterstützung bezogen. Am 21. Juni 1955 beantragte er beim Arbeitsamt H. die Gewährung von Kindergeld, da er drei Kinder hat. Die am … 1945 geborene Tochter I. und der am … 1946 geborene Sohn S. stammen aus der ersten Ehe des Klägers, die geschieden wurde; beide Kinder leben bei ihrer Mutter. Das dritte Kind des Klägers, der am … 1951 gegorene Sohn W., stammt aus der derzeitigen Ehe des Klägers. Seine Ehefrau ist bei der Firma V.-Gummiwerke in S. in O. beschäftigt. Nachdem das Arbeitsamt H. dem Kläger bereits für die Monate Juni bis August 1955 Kindergeld gezahlt hatte, entzog es ihm das Kindergeld durch Bescheid vom 7. Oktober 1955 ab September 1955 wieder mit der Begründung, daß seine Ehefrau einen Anspruch auf Kindergeld gegen die zuständige Berufsgenossenschaft habe.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein, in dem er auf ein Schreiben der Familienausgleichskasse der chemischen Industrie in H. vom 27. Juli 1955 Bezug nahm. In diesem wurde die Auffassung vertreten, daß die Ehefrau des Klägers keinen Anspruch auf Kindergeld habe, weil die zwei Kinder des Klägers aus erster Ehe nicht als ihre ehelichen Stiefkinder angesehen werden könnten, da sie nicht in ihre Ehe eingebracht worden seien. Der Kläger schloß sich dieser Auffassung an. Sein Widerspruch wurde von der Widerspruchsstelle beim Arbeitsamt H. am 4. November 1955 zurückgewiesen. Auf den Widerspruchsbescheid wird Bezug genommen.

Hiergegen erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Frankfurt a.M. Er trug vor, seine im Haushalt seiner geschiedenen Ehefrau befindlichen zwei Kinder seien nicht als eheliche Stiefkinder seiner jetzigen Ehefrau anzusehen, so daß ihm ab 1. September 1955 weiterhin ein Kindergeldanspruch gegen die Beklagte zustehe. Das Sozialgericht Frankfurt a.M. lud die Familienausgleichskasse der chemischen Industrie zum Verfahren bei und erkannte durch den Urteil vom 10. April 1956 für Recht:

“Unter Aufhebung des Bescheides des Arbeitsamtes H. vom 7. Oktober 1955 wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger das Kindergeld von monatlich DM 25,- für die Monate September bis Dezember 1955 zu zahlen.

In den Entscheidungsgründen vertrat das Sozialgericht die Auffassung, die beiden Kinder des Klägers aus erster Ehe könnten nicht als eheliche Stiefkinder seiner jetzigen Ehefrau angesehen werden, da sie bei ihrer Mutter und nicht im Haushalt des Klägers und seiner Ehefrau lebten.

Gegen das ihr am 16. Mai 1956 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 19. Mai 1956 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, die Ehefrau des Klägers habe einen Anspruch auf Gewährung von Kindergeld für die Zeit von September bis Dezember 1955 gegen die beigeladene Familienausgleichskasse der chemischen Industrie. Dieser Anspruch gehe dem des Klägers aus erster Ehe seien als eheliche Stiefkinder seiner jetzigen Ehefrau anzusehen. Weder in den Kindergeldgesetzen noch in anderen Gesetzen sei der Begriff des ehelichen Stiefkindes dahin zu verstehen, daß häusliche Gemeinschaft mit dem betreffenden Stiefelternteil vorliegen müsse. Damit der schwebende Rechtsstreit, der nur durch die unterschiedliche Rechtsauffassung zwischen zwei Trägern der Kindergeldzahlung entstanden sei, nicht zum Nachteil des Kindergeldberechtigten ausgetragen werde, sei dem Kläger inzwischen das Kindergeld für die Monate September bis Dezember 1955 unbeschadet des schwebenden Berufungsverfahrens- und ohne Anerkennung eines Rechtsgrundes nachträglich gewährt worden. Im Falle des Obsiegens werde sie ihre Aufwendungen bei der Familienausgleichskasse der chemischen Industrie zur Erstattung anmelden. Im einzeln wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 16. Mai und 31. Juli 1956 Bezug genommen.

Sie beantragt,

das Urteil des Sozialgerichtes Frankfurt a.M. vom 10. April 1956 aufzuheben und die Klage abzuweisen, sowie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zu entscheidenden Rechtsfrage die Revision zuzulassen.

Der Kläger hat im Berufungsverfahren keinen Antrag gestellt.

Die beigeladene Familienausgleichskasse der chemischen Industrie beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor,...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge