Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 27.11.1996; Aktenzeichen L 3 Ar 2263/93)

SG Karlsruhe (Gerichtsbescheid vom 28.10.1993)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27. November 1996 aufgehoben. Die Berufung des Klägersgegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28. Oktober 1993 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Der Kläger begehrt die Zahlung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 15. Mai bis 27. Juni 1993.

Der Kläger nahm ab 1. Oktober 1992 an einem Vorbereitungskurs für die Meisterprüfung im Tischlerhandwerk teil. Auf Antrag bewilligte die Beklagte ihm mit Bescheid vom 28. Oktober 1992 für die Zeit vom 1. Oktober 1992 bis 14. Mai 1993 Unterhaltsgeld (Uhg) als Darlehen. Des weiteren gewährte sie ihm mit Bescheid vom 26. Oktober 1992 für denselben Zeitraum Zuschüsse zu den Lehrgangsgebühren und Fahrkosten. Dieser Bescheid enthielt den Zusatz, daß Prüfungstage der Abschnitte I und II der Meisterprüfung (Abschnitt I betrifft die praktische Prüfung, insbesondere die Anfertigung des Meisterstücks) nicht Bestandteil der Maßnahme seien; gleichzeitig wurde der Kläger aufgefordert, sich ggf arbeitslos zu melden.

Am 6. April 1993 meldete sich der Kläger mit Wirkung zum 15. Mai 1993 arbeitslos und beantragte die Zahlung von Alg. Er gab an, während der Zeit der Anfertigung des Meisterstücks bis zum 25. Juni 1993 in seiner Vermittlungsfähigkeit eingeschränkt zu sein. Daraufhin lehnte die Beklagte den Antrag wegen fehlender Verfügbarkeit ab (Bescheid vom 12. Mai 1993, Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 1993). Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 28. Oktober 1993). Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) die Beklagte verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 15. Mai bis 27. Juni 1993 Alg zu gewähren (Urteil vom 27. November 1996). Zur Begründung ist ausgeführt worden, der Kläger habe im fraglichen Zeitraum der Arbeitsvermittlung tatsächlich nicht zur Verfügung gestanden. Während der Anfertigung seines Meisterstücks sei er nicht in der Lage – und im übrigen auch nicht bereit – gewesen, daneben eine mehr als kurzzeitige Beschäftigung auszuüben. Jedoch sei im Wege der lückenfüllenden Auslegung die Regelung des § 103 Abs 4 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) nach ihrem Sinn und Zweck auf den vorliegenden Sachverhalt zu erstrecken, also die Verfügbarkeit zu „fingieren”.

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 1 und Abs 4 AFG. Sie trägt vor, das LSG habe zu Unrecht eine Verfügbarkeit des Klägers aufgrund analoger Anwendung des § 103 Abs 4 AFG angenommen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) stelle § 103 Abs 4 AFG eine abschließende Ausnahmeregelung dar, die einer ergänzenden Auslegung nicht zugänglich sei. Auch die Gesetzesentwicklung verbiete es, die Vorschrift im Sinne einer Generalklausel zu interpretieren.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung des LSG für zutreffend und weist ergänzend darauf hin, daß die Beklagte mit ihrem Hinweis im Bescheid vom 26. Oktober 1992, die dort genannten Prüfungstage seien nicht Bestandteil der Maßnahme und er solle sich ggf arbeitslos melden, einen Vertrauenstatbestand geschaffen habe. Im übrigen widerspreche es dem versicherungsrechtlichen Gedanken, bei Maßnahmen der Arbeitsberatung, Berufsfindung oder Arbeitserprobung Verfügbarkeit anzunehmen, bei Anfertigung eines Meisterstücks jedoch nicht. Der gesamte Meisterkurs erhalte nur durch die abschließende Ablegung der Meisterprüfung mit der nach der Prüfungsordnung notwendigen Anfertigung des Meisterstücks einen Sinn, dh, erst durch das Meisterstück würden Meisterprüfung und vorbereitender Meisterkurs zur Maßnahme iS des § 34 AFG.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Urteil des LSG ist aufzuheben, weil es § 103 AFG verletzt. Der Kläger hat für die streitige Zeit vom 15. Mai bis 27. Juni 1993, wie die Beklagte zu Recht angenommen hat, keinen Anspruch auf Alg.

Anspruch auf Alg hat – neben weiteren Voraussetzungen – nur derjenige Arbeitslose, der der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht (§ 100 Abs 1 AFG). Dies setzt ua voraus, daß er bereit ist, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen, die er ausüben kann und darf (sog subjektive Verfügbarkeit, vgl § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 2 Buchst a AFG). Nach den für den Senat verbindlichen Feststellungen des LSG (§ 163 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫), war der Kläger im fraglichen Zeitraum (15. Mai bis 26. Juni 1993; für Sonntag, den 27. Juni 1993 entfiel der Anspruch ohnehin gemäß § 114 AFG) nicht bereit, eine Beschäftigung von mindestens 18 Stunden in der Woche auszuüben. Damit entfiel die subjektive Verfügbarkeit. Offenbleiben kann, ob die Feststellungen im Berufungsurteil auch ausreichen, um das Vorliegen der sog objektiven Verfügbarkeit (§ 103 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG) zu verneinen.

Entgegen der Auffassung des LSG war der Kläger auch nicht aufgrund des § 103 Abs 4 AFG in der seit 1. Januar 1993 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung von Förderungsvoraussetzungen im AFG und in anderen Gesetzen vom 18. Dezember 1992 (BGBl I 2044) als verfügbar anzusehen. Der hier zu beurteilende Sachverhalt wird offenkundig nicht unmittelbar von § 103 Abs 4 AFG erfaßt. Diese Regelung privilegiert hinsichtlich der Verfügbarkeit nur bestimmte Tatbestände, nämlich – soweit hier überhaupt in Betracht zu ziehen – die Teilnahme an einer Maßnahme der Arbeitsberatung oder an einer Berufsfindung oder Arbeitserprobung. Nimmt der Arbeitslose an einer solchen Maßnahme teil, so schließt das nicht aus, daß er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht. Die Teilnahme an einer Meisterprüfung, insbesondere die Anfertigung eines Meisterstücks, die nach der einschlägigen Prüfungsordnung als Teil der Meisterprüfung vorgesehen ist, läßt sich unter keinen der genannten Tatbestände subsumieren. Dies gilt auch für die bis 31. Dezember 1992 geltende alte Fassung des § 103 Abs 4 AFG für den dort noch geregelten Fall, daß der Arbeitslose an einer Maßnahme zur Verbesserung der Vermittlungsaussichten teilnimmt. Diese Regelung, die auf den bis 31. Dezember 1992 geltenden § 41a AFG bezogen war (zum Übergangsrecht vgl § 242m Abs 1 AFG iVm § 41a AFG), setzte nach der Rechtsprechung des BSG ohnedies voraus, daß die Teilnahme an der Maßnahme von der Beklagten tatsächlich gefördert wurde (BSG SozR 4100 § 101 Nr 7). Diese Voraussetzung war hinsichtlich der hier streitigen Teilnahme an der Meisterprüfung – insbesondere der Anfertigung des Meisterstücks – nicht erfüllt, weil sie von der Beklagten gemäß § 34 Abs 3 AFG nicht als Bestandteil der Bildungsmaßnahme (Meisterkurs) angesehen und deshalb auch nicht mit Uhg gefördert worden ist. Insoweit könnte sich lediglich die Frage stellen, ob für die Zeit der Anfertigung des Meisterstücks ggf Uhg zu gewähren wäre (vgl hierzu BSG, Urteil vom 3. Juni 1975 – 7 RAr 116/73 –, unveröffentlicht; die Entscheidung ist allerdings vor Inkrafttreten des § 34 Abs 3 AFG zum 1. Januar 1976 ergangen). Darüber hat der Senat jedoch im anhängigen Verfahren nicht zu entscheiden, weil Streitgegenstand des Revisionsverfahrens angesichts der allein von der Beklagten eingelegten Revision ausschließlich der von der Beklagten abgelehnte Anspruch auf Alg ist.

Entgegen der Auffassung des LSG und des Klägers ist § 103 Abs 4 AFG auf den vorliegenden Sachverhalt auch nicht analog anzuwenden. Eine solche Analogie ist nicht schon dann zulässig, wenn – wie es das LSG offenbar angenommen hat – eine gesetzliche Regelung aus sozialpolitischen Erwägungen als unbefriedigend empfunden wird. Die Rechtsprechung ist nur dann befugt, den Gesetzgeber zu „korrigieren”, wenn er mit dem Gesetzeswortlaut offensichtlich das zweifelsfrei erkennbare Gesetzesziel verfehlt hat, seine sozialpolitische Entscheidung mit der Wertordnung des Grundgesetzes (GG) unvereinbar ist oder eine Gesetzeslücke besteht (BVerfGE 89, 365, 376; BSG SozR 2200 § 205 Nr 60). Danach käme eine Erstreckung des Anwendungsbereichs des § 103 Abs 4 AFG auf weitere, nicht ausdrücklich genannte Sachverhalte nur in Betracht, wenn die getroffene Regelung gemessen an den mit ihr verfolgten Zielen unvollständig wäre und durch die Einbeziehung ähnlicher, vom Gesetzeszweck ebenfalls erfaßter Sachverhalte ergänzt werden müßte. Für die Annahme einer solchen planwidrigen Gesetzeslücke ist indessen nach dem Inhalt des § 103 Abs 1 und 4 AFG und der diesen Regelungen zugrundeliegenden Regelungsabsicht kein Raum.

§ 103 Abs 1 Satz 1 AFG will sicherstellen, daß nur derjenige Arbeitslose Alg erhält, der dem Arbeitsmarkt aktuell zur Verfügung steht und sich subjektiv zur Verfügung hält; denn nur auf diese Weise ist eine sofortige Vermittlung in Arbeit möglich, durch die in erster Linie die Arbeitslosigkeit beendet werden soll (BSGE 62, 166, 170 = SozR 4100 § 103 Nr 39; BSGE 66, 103, 105 mwN = SozR 4100 § 103 Nr 47). Dieser Grundsatz, der im Wortlaut des § 103 Abs 1 Satz 1 AFG hinreichend klar zum Ausdruck gekommen ist, schließt somit bei Fehlen der objektiven oder subjektiven Verfügbarkeit den Alg-Anspruch aus, und zwar grundsätzlich unabhängig davon, aus welchen Gründen die Verfügbarkeit fehlt, also zB in der Regel auch bei der Teilnahme an einer ganztägigen beruflichen Bildungsmaßnahme (vgl hierzu zuletzt BSG, Urteil vom 24. April 1997 – 11 RAr 39/96 –, unveröffentlicht).

Vom Erfordernis der Verfügbarkeit hat der Gesetzgeber ua in zwei Ausnahmeregelungen bewußt abgesehen, und zwar in § 103 Abs 4 AFG und in § 103b AFG, der allerdings nur vorübergehend galt, nämlich in der Zeit vom 1. August 1994 bis 31. März 1997, und im vorliegenden Fall noch nicht anzuwenden war. Bereits die Tatsache, daß diese Vorschriften Besonderheiten hinsichtlich der Verfügbarkeit regeln und auf bestimmte, genau umschriebene Sachverhalte beschränkt sind, während hinsichtlich des Erfordernisses der Verfügbarkeit als allgemeiner Voraussetzung für den Alg-Anspruch auf § 103 Abs 1 AFG verwiesen wird, macht deutlich, daß die genannten Regelungen Ausnahmecharakter haben und die privilegierten Tatbestände abschließend erfassen wollen.

Das ergibt sich vor allem aus dem Zweck dieser Vorschriften und den Gründen für die jeweilige Privilegierung. Zweck der Vorschriften ist es zu verhindern, daß Arbeitslose wegen bestimmter Sachverhalte, die an sich ihre Verfügbarkeit ausschließen, ihren Anspruch auf Alg verlieren; dieser Anspruch soll ihnen aus besonderen arbeitsmarkt- oder sozialpolitischen Gründen erhalten bleiben, entweder um die betroffenen Arbeitslosen zu bestimmten Bildungsinitiativen zu motivieren, oder um den Rehabilitationsträgern die Findung geeigneter Berufsförderungsmaßnahmen zu erleichtern, oder um zu verhindern, daß die Leistung bestimmter Dienste und Arbeiten, die im öffentlichen Interesse liegen, zu einem Verlust des Alg-Anspruchs führt. Bezüglich der einzelnen Privilegierungstatbestände und ihrer Vergleichbarkeit mit der Situation des Klägers ist auf folgendes hinzuweisen:

Der mit Wirkung ab 1. Januar 1993 eingefügte Tatbestand „Teilnahme an einer Maßnahme der Arbeitsberatung” knüpft an die entsprechende Neuregelung dieser Maßnahme in § 53 Abs 1 Satz 1 Nr 6 b AFG durch das Gesetz vom 18. Dezember 1992 (aaO) an. § 53 Abs 1 Satz 1 Nr 6 b AFG soll der Arbeitsverwaltung ermöglichen, mit Maßnahmen der Arbeitsberatung umfassende Informationen über Fragen des Arbeitsmarktes, in Betracht kommende Bildungsmaßnahmen und andere Tatbestände anzubieten, um damit Kenntnisse zu vermitteln, die Arbeitslosen oder von Arbeitslosigkeit Bedrohten die Aussicht auf den Erhalt eines Arbeitsplatzes erleichtern bzw geeignet sind, die Arbeitsplatzsuche zu beschleunigen, oder aber in eine geeignete Maßnahme einzutreten (BT-Drucks 12/3211, Begründung zu Artikel 1 Nr 15, § 53 AFG, S 20). Die Entscheidung des Gesetzgebers, daß dadurch die Verfügbarkeit nicht ausgeschlossen wird, findet ihre Rechtfertigung darin, daß der Arbeitslose im Interesse der Versichertengemeinschaft dazu beiträgt, objektiv seine beruflichen Eingliederungschancen zu erhöhen.

Die weitere in § 103 Abs 4 AFG erfaßte Fallgruppe der „Teilnahme an einer Berufsfindung oder Arbeitserprobung”, die zum 1. Januar 1992 durch das Rentenreformgesetz 1992 vom 18. Dezember 1989 (BGBl I 2261) eingefügt worden ist und an Regelungen im Bereich der beruflichen Rehabilitation anknüpft (§§ 16, 20 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – ≪SGB VI≫, §§ 56, 59 AFG), dient der Ermittlung der Leistungsfähigkeit und der beruflichen Neigungen des Versicherten als Grundlage für die Entscheidung über berufsfördernde Maßnahmen, insbesondere wenn sich ein Rehabilitationsträger aufgrund der Beurteilung durch seinen eigenen Fachdienst noch kein abschließendes Urteil hierüber bilden kann (BT-Drucks 11/4124, Begründung zu Artikel 1 § 16 Abs 2 SGB VI, S 156 und Begründung zu Artikel 28 Nr 6, § 103 AFG, S 229). Da diese Maßnahmen vornehmlich der Entscheidungsfindung der Rehabilitationsträger dienen, sollte mit § 103 Abs 4 AFG sichergestellt werden, daß die Teilnahme an derartigen Maßnahmen die Leistung von Alg nicht ausschließt (vgl BT Drucks 11/4124, Begründung zu Artikel 28 Nr 6, § 103 AFG, S 229; zum Gesetzeszweck im einzelnen vgl auch die Begründung zu Artikel 1 § 20 SGB VI, S 157). Rechtfertigungsgrund für diesen Ausnahmetatbestand ist mithin der Umstand, daß die Teilnahme wesentlich der Entscheidungsfindung des Rehabilitationsträgers dient, so daß der Ausschluß vom Alg sozialpolitisch nicht gerechtfertigt ist.

Nach einer weiteren Regelung des § 103 Abs 4 AFG ist schließlich die Verfügbarkeit dann nicht ausgeschlossen, wenn der Arbeitslose vorübergehend zur Verhütung oder Beseitigung öffentlicher Notstände Dienste leistet, die nicht auf einem Arbeitsverhältnis beruhen. Grund für die Privilegierung ist insoweit allein, daß der Arbeitslose einer Tätigkeit nachgeht, die im Interesse der Allgemeinheit liegt (vgl Gagel, AFG, § 103 Rz 260 f). Auch die Privilegierung der „freien Arbeit” iS des Art 293 Abs 1 Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch (EGStGB), die zur Abwendung der Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe oder aufgrund einer Anordnung im Gnadenweg (Art 293 Abs 3 EGStGB) geleistet wird, ist aus sozialpolitischen Gründen gerechtfertigt. Die vom Gesetz unter besonderen Voraussetzungen eingeräumte Chance, durch derartige Arbeiten, die unentgeltlich geleistet werden, nicht erwerbswirtschaftlichen Zwecken dienen und weder ein Arbeits- noch Beschäftigungsverhältnis begründen (Art 293 Abs 2 EGStGB), eine Inhaftierung abzuwenden, würde erheblich beeinträchtigt, wenn der Betroffene bei Ausübung solcher Arbeiten mangels Verfügbarkeit seinen Alg-Anspruch verlöre. Die Regelung dient insoweit einer besonderen Interessenlage im Strafvollstreckungsverfahren und mittelbar – wegen der Ausübung gemeinnütziger Tätigkeiten – auch dem Gemeinwohl.

Mit Blick auf die vorgenannte Typik der privilegierten Tatbestände und auf die aufgezeigten gesetzgeberischen Absichten ist die Situation des Klägers während der Anfertigung des Meisterstücks, das der Ablegung der Meisterprüfung im Anschluß an einen – von der Beklagten geförderten – Meisterkurs dient, mit den Tatbeständen des § 103 Abs 4 AFG von vornherein nicht vergleichbar, so daß es insoweit an einem analogiefähigen Tatbestand fehlt. Anders als bei den vorgenannten Tatbeständen des § 103 Abs 4 AFG geht es beim Kläger insbesondere nicht um die Teilnahme an einer Maßnahme, die im Vorfeld einer beruflichen Bildungsmaßnahme liegt und entweder über die in Betracht kommenden Maßnahmen umfassend informieren oder die Entscheidungsfindung über die Auswahl der in Betracht kommenden Maßnahmen erleichtern soll. Der Kläger, der gelernter Schreiner ist, hatte vielmehr bei Beginn der hier streitigen Zeit eine berufliche Fortbildung zum Meister in Form des Besuchs eines Meisterkurses bereits durchlaufen und den Unterricht abgeschlossen. Daß die an den Unterricht anschließende Zeit der Anfertigung des Meisterstücks, die der Ablegung der Meisterprüfung dient, von der Beklagten nicht als Bestandteil dieser Bildungsmaßnahme angesehen und demzufolge nicht mit Uhg gefördert worden ist, hat seinen Grund in § 34 Abs 3 AFG, wonach die Zeit zwischen dem Ende des Unterrichts und dem Ende der Prüfung nur dann Bestandteil der Bildungsmaßnahme ist, wenn die Prüfung innerhalb von drei Wochen nach dem Ende des Unterrichts abgeschlossen wird. Wenn der Gesetzgeber bei dieser Regelung davon ausgegangen ist, es sei dem Teilnehmer bei längeren Zwischenphasen regelmäßig zuzumuten, eine Beschäftigung aufzunehmen (BT-Drucks VII/4127, S 48) und dabei möglicherweise übersehen hat, daß dies während länger dauernder Prüfungsarbeiten ausgeschlossen sein kann, rechtfertigt dies allenfalls eine sachgerechte Auslegung oder teleologische Reduktion des § 34 Abs 3 AFG (vgl Niesel, AFG, 2. Auflage 1997, § 34 Rz 31/32), über die hier jedoch nicht zu entscheiden ist. Hingegen läßt sich die Annahme, der Gesetzgeber hätte die fraglichen Prüfungszeiten (hier: Anfertigung des Meisterstücks) in die Ausnahmetatbestände des § 103 Abs 4 AFG einbeziehen müssen, wenn er das Problem der in dieser Zeit regelmäßig fehlenden Verfügbarkeit gesehen hätte, schon angesichts der fehlenden Vergleichbarkeit mit den in § 103 Abs 4 AFG erfaßten Sachverhalten nicht rechtfertigen.

Der Kläger kann sich für seinen Rechtsstandpunkt auch nicht auf den Gleichbehandlungsgrundsatz des Artikel 3 Abs 1 GG berufen. Für die Privilegierung der in § 103 Abs 4 AFG genannten Tatbestände gibt es hinreichende sachliche Gründe. Daß die Teilnahme an Abschlußprüfungen nach einer durchlaufenen Bildungsmaßnahme auf der einen und die Teilnahme an einer der in § 103 Abs 4 AFG aufgeführten besonderen Bildungsmaßnahmen in Bezug auf die Verfügbarkeit und die Absicherung mit Alg unterschiedlich behandelt werden, ist angesichts des mit der genannten Vorschrift verfolgten Zwecks sachgerecht. Der Umstand, daß auch die Ablegung einer die Bildungsmaßnahme abschließenden Prüfung (mit ihren unterschiedlichen Ausgestaltungen) letztlich im Interesse der Versichertengemeinschaft liegt und insoweit den Tatbeständen des § 103 Abs 4 AFG vergleichbar sein mag, zwingt nicht dazu, sie hinsichtlich der Absicherung mit Alg den Tatbeständen des § 103 Abs 4 AFG gleichzusetzen. Anders als in den von dieser Vorschrift erfaßten Fällen, in denen es ua darum geht, die arbeitsmarktpolitisch erwünschte Teilnahme an Informations- und Berufsfindungsmaßnahmen durch den Erhalt von Alg-Ansprüchen abzusichern, sind Teilnehmer an beruflichen Bildungsmaßnahmen auch für die anschließende Abschlußprüfung regelmäßig durch Uhg gesichert. Soweit dem – wie in Fällen der vorliegenden Art – § 34 Abs 3 AFG entgegensteht, kommt – auch unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes – allenfalls eine Absicherung durch Uhg, nicht jedoch durch Alg in Betracht, weil anderenfalls alle Teilnehmer an beruflichen Bildungsmaßnahmen, soweit sie nicht die Voraussetzungen für die Gewährung von Uhg erfüllen, als verfügbar angesehen werden müßten. Das widerspricht aber ersichtlich dem Regel-Ausnahme-Verhältnis von § 103 Abs 1 und Abs 4 AFG.

Einen Anspruch auf Alg kann der Kläger auch nicht aus dem Zusatz im Bescheid vom 26. Oktober 1992 herleiten, er möge sich ggf arbeitslos melden, weil die Prüfungstage des Abschnitts I (praktische Prüfung, die in erster Linie in der Anfertigung der Meisterprüfungsarbeit besteht) und des Abschnittes II nicht Bestandteil der Maßnahme sei. Der bloße Hinweis, sich zu einem bestimmten Zeitpunkt „ggf arbeitslos zu melden”, stellt von vornherein keine Zusicherung iS des § 34 Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren – hinsichtlich des Erlasses eines bestimmten Verwaltungsaktes – hier auf Gewährung von Alg – dar. Auch der sozialrechtliche Herstellungsanspruch (vgl zu diesem Rechtsinstitut: BSG SozR 3-4100 § 249e Nr 4 mwN) führt nicht zur Gewährung von Alg. Dabei kann offenbleiben, ob die Beklagte überhaupt eine Beratungs- oder Hinweispflicht verletzt hat und ob zwischen der Pflichtverletzung und dem Nachteil des Klägers ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Denn mit Hilfe des Herstellungsanspruchs läßt sich ein Fehlverhalten des Leistungsträgers nur insoweit berichtigen, als die Korrektur bzw die Ersetzung einer fehlenden Anspruchsvoraussetzung mit dem jeweiligen Gesetzeszweck in Einklang steht (BSGE 76, 84, 91 mwN = SozR 3-8825 § 2 Nr 3). Das ist aber, wie das BSG in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, für die Voraussetzung der Verfügbarkeit nach deren Bedeutung und Funktion nicht der Fall (BSGE 58, 104, 109 = SozR 4100 § 103 Nr 36; zuletzt BSG 17. Juli 1997 – 7 RAr 12/96 –, unveröffentlicht).

Nach alledem erweist sich die Revision der Beklagten als begründet, so daß das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen die erstinstanzliche Entscheidung zurückzuweisen war (§ 170 Abs 2 Satz 1 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1174459

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