Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 20. Dezember 1994 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Kläger begehrt die Geldleistung wegen Schwerpflegebedürftigkeit nach § 57 Abs. 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V), sog Pflegegeld, für einen Zeitraum, für den ihm die beklagte Krankenkasse (KK) zusätzliche Leistungen i.S. von § 56 SGB V (sog Verhinderungspflege) gewährt hat.

Der am 1. Dezember 1989 geborene Kläger ist über seine Mutter bei der Beklagten für den Fall der Krankheit versichert. Er lebt im Haushalt seiner Eltern und wird von seiner Mutter gepflegt. Seit dem 1. Januar 1991 erhält er von der Beklagten als Leistung bei Schwerpflegebedürftigkeit Pflegegeld iH von monatlich 400, 00 DM. In der Zeit vom 29. August bis 20. September 1992 sowie vom 24. bis 28. Oktober 1992 war die Mutter des Klägers wegen Erholungsurlaubs an der Pflege gehindert. In dieser Zeit wurde der Kläger von seinem Vater gepflegt. Die Beklagte gewährte hierfür eine zusätzliche Geldleistung iH von 1.800, 00 DM, die sie um das für die Zeit der Verhinderung der Mutter in den Monaten August bis Oktober 1992 (insgesamt 28 Tage) bereits ausgezahlte Pflegegeld iH von 360, 11 DM kürzte (Bescheid der Beklagten vom 12. November 1992, Widerspruchsbescheid vom 3. August 1993). Die hiergegen erhobene Klage blieb in den Vorinstanzen erfolglos (Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 15. März 1994, Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 20. Dezember 1994). Das LSG hat zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, für Zeiten, in denen die KK Verhinderungspflege nach § 56 SGB V gewähre, entfalle der Anspruch auf Pflegegeld. Dies ergebe sich aus Wortlaut und Systematik des Gesetzes. Die Geldleistung nach § 57 Abs. 1 SGB V ersetze die häusliche Pflegehilfe nach § 55 Abs. 1 SGB V. Ein zeitliches Nebeneinander beider Ansprüche lasse das Gesetz nicht zu. Da es sich auch bei der Verhinderungspflege i.S. von § 56 SGB V um häusliche Pflegehilfe handele, komme die zeitgleiche Gewährung von Pflegegeld i.S. von § 57 Abs. 1 SGB V nicht in Betracht.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 56, 57 SGB V. Die Verpflichtung der Beklagten, neben den Leistungen nach § 56 SGB V die Geldleistung nach § 57 SGB V ungekürzt weiterzuzahlen, ergebe sich aus dem Wortlaut des Gesetzes. Nach § 56 SGB V seien die Leistungen bei Verhinderung der Pflegeperson „über den Rahmen des § 55 hinaus im erforderlichen Umfang für längstens vier Wochen je Kalenderjahr” zu gewähren. Hieraus ergebe sich zunächst, daß die Verhinderungspflege nach § 56 SGB V zusätzlich zu den Sachleistungen nach § 55 SGB V zu gewähren sei. Die Geldleistung nach § 57 SGB V trete aber lediglich als Ersatz an die Stelle der eigentlich vorgesehenen Sachleistung nach § 55 SGB V.

Der Kläger beantragt,

die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 20. Dezember 1994 und des Sozialgerichts Lübeck vom 15. März 1994 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. November 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. August 1993 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger auch für die Zeiträume vom 29. August bis 20. September 1992 sowie vom 24. bis 28. Oktober 1992 Pflegegeld iH von insgesamt 360, 11 DM zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

II.

Die Revision des Klägers ist nicht begründet.

Dem Kläger stand während der hier streitigen Zeiträume im Kalenderjahr 1992, in denen seine Mutter an der Durchführung der Pflege gehindert war und er Leistungen nach § 56 SGB V (in der bis zum 31. März 1995 geltenden Fassung ≪aF≫, vgl. Art 4 Nr. 4 Pflege-Versicherungsgesetz ≪PflegeVG≫ vom 26. Mai 1994, BGBl. I 1014) erhalten hat, kein Anspruch auf die Geldleistung nach § 57 Abs. 1 SGB V a.F. (Pflegegeld) zu.

Die Beklagte hat den Leistungsbescheid, mit dem sie dem Kläger Pflegegeld nach § 57 SGB V gewährt hat, für die Zeit der Gewährung von Verhinderungspflege (§ 56 SGB V) zu Recht nach § 48 des Zehntes Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) aufgehoben. Eine bloße Saldierung des für diesen Zeitraum bereits ausgezahlten Pflegegeldes mit dem höheren Zahlbetrag der Verhinderungspflege ohne Aufhebungsentscheidung kam dagegen nicht in Betracht. § 57 Abs. 3 SGB V a.F. stellt zwar klar, daß das Pflegegeld dann nicht in voller Höhe beansprucht werden kann, wenn die Anspruchsvoraussetzungen wie hier, was noch darzulegen ist, nicht während des gesamten Kalendermonats vorliegen. Diese Regelung begrenzt aber nur den materiell-rechtlichen Anspruch. Sie berechtigt den Leistungsträger dagegen nicht zum Selbstvollzug, solange der Leistungsbescheid noch wirksam ist (vgl. hierzu BSGE 65, 185, 188 f; BSG, Urteil vom 16. November 1995, 4 RK 1/94 – zur Veröffentlichung vorgesehen; Kasseler Komm-Steinwedel, SGB X, § 48 RdNr 9).

Der angefochtene Bescheid, zu dessen Auslegung das Revisionsgericht befugt ist (BSGE 48, 56, 58 = SozR 2200 § 368a Nr. 5; BSG, NJW 1986, 2134), enthält aber neben der „Verrechnung” des für zurückliegende Zeiten bereits gezahlten Pflegegeldes mit der Geldleistung wegen Verhinderung der Pflegekraft die Aufhebung der Bewilligung von Pflegegeld für den entsprechenden Zeitraum, wodurch der Anspruch des Klägers auf Pflegegeld für diese Zeit entfallen ist. Rechtsgrundlage für die rückwirkende teilweise Aufhebung des Pflegegeldbescheides ist § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X, der hier entsprechend anzuwenden ist (zur entsprechenden Anwendung dieser Vorschrift auf den Fall des Ruhens des Leistungsanspruchs vgl. BSG SozR 1300 § 48 Nrn 22 und 26). Nach seinem Wortlaut erfaßt § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X nur den Fall, daß nach Antragstellung oder Erlaß des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt hätte. Dem ist der Fall gleichzusetzen, daß nachträglich von demselben Sozialleistungsträger eine andere höhere Leistung gewährt wird, die den Bezug der schon empfangenen Sozialleistung ausschließt. Dies entspricht dem wesentlichen Zweck des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X, materiell-rechtlich nicht begründete Doppelleistungen zu verhindern (BSG SozR 3-1300 § 48 Nr. 37; BSG, Urteil vom 12. Dezember 1995, 10 RKg 9/95 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Hinzu tritt hier der dem § 107 SGB X zugrundeliegende Rechtsgedanke. § 107 SGB X schließt eine Doppelleistung u.a. dann aus, wenn für die Gewährung einer nachträglich bewilligten Sozialleistung ein anderer Leistungsträger zuständig ist. Wenn durch die letztgenannte Vorschrift eine Doppelleistung schon dann ausgeschlossen wird, wenn für die später bewilligte Leistung ein anderer Leistungsträger zuständig ist, so muß dies erst recht gelten, wenn beide Leistungen von demselben Leistungsträger erbracht werden. Die Beklagte war nicht verpflichtet, vor der Aufhebung des Pflegegeldbescheides Ermessen auszuüben. Wird die zu Unrecht gewährte Leistung, wie hier, durch eine höhere Leistung ersetzt, so liegt grundsätzlich kein atypischer Fall i.S. des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X vor. Der vorliegende Fall läßt keine Anhaltspunkte erkennen, die ein Abweichen von diesem Grundsatz begründen könnten. Mit der im angefochtenen Bescheid enthaltenen Erklärung hat die Beklagte den zu Unrecht als Pflegegeld gezahlten Betrag als Vorleistung auf die dem Kläger zustehende Geldleistung wegen Verhinderung der Pflegekraft bestimmt. Hierbei handelte es sich nicht um eine Verrechnung i.S. des § 52 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches. Die besonderen Voraussetzungen dieser Vorschrift waren daher nicht erforderlich.

Der Senat hat bereits mit Urteil vom 25. Oktober 1994 (3/1 RK 51/93 = SozR 3-2500 § 57 Nr. 4) entschieden, daß bei Inanspruchnahme von Verhinderungs-bzw Urlaubspflege nach § 56 SGB V a.F. die Voraussetzungen für die Gewährung von Pflegegeld nach § 57 Abs. 1 SGB V a.F. entfallen (so im Ergebnis auch Zipperer in Maaßen ua, GKV-Komm, § 56 SGB V RdNr 26) und § 57 Abs. 3 SGB V a.F. für diesen Fall eine Rechtsgrundlage für die Kürzung des Pflegegeldes bildet. An dieser Rechtsfolge hat sich durch das Inkrafttreten des Leistungsrechts nach dem Elften Buch des Sozialgesetzbuches (SGB XI) für Ansprüche auf häusliche Pflege zum 1. April 1995 (Art 68 Abs. 2 PflegeVG vom 26. Mai 1994, BGBl. I 1014) im Grundsatz nichts geändert. Eine Kumulation beider Arten von Pflegeleistungen kann deshalb auch nicht auf eine entsprechende Regelung im SGB XI als Ausdruck einer Klarstellung einer schon vorher angestrebten Rechtslage gestützt werden. Ein Anspruch auf Pflegegeld nach § 37 Abs. 1 SGB XI (idF von Art 1 PflegeVG) besteht nicht für den Zeitraum, in dem der Pflegebedürftige zusätzliche Leistungen bei Verhinderung der Pflegeperson nach § 39 SGB XI in Anspruch nimmt (so auch: Rehberg in Hauck/Wilde, SGB XI, § 39 RdNr 12; Jung, Die neue Pflegeversicherung, S. 116, RdNr 355; Udsching, SGB XI, § 37 RdNr 4 und § 39 RdNr 8). Der Ausschluß einer Kumulation im SGB XI bestätigt, daß diese auch nach altem Recht nicht beabsichtigt war.

Der Anspruch auf Pflegegeld setzt nach § 57 Abs. 1 SGB V a.F. (wie auch nach § 37 Abs. 1 SGB XI) voraus, daß der Pflegebedürftige die Pflege durch eine (oder mehrere) selbst beschaffte Pflegepersonen in geeigneter Weise und in ausreichendem Umfang sicherstellt. Bei einer Verhinderung der Pflegeperson liegt diese Voraussetzung des Anspruchs auf Pflegegeld nicht vor. Ist der Pflegebedürftige auf Dauer nicht in der Lage, die erforderliche Pflege durch selbst beschaffte (ehrenamtlich tätige) Pflegepersonen sicherzustellen, so scheidet die Gewährung von Pflegegeld aus. Bei einem vorübergehenden Ausfall der Pflegeperson kommt den zusätzlichen Leistungen nach § 56 SGB V a.F. (wie auch den zusätzlichen Leistungen nach § 39 SGB XI) nach der Vorstellung des Gesetzgebers eine Überbrükungsfunktion zu (BT-Drucks 11/2237, S. 184 zu § 55 SGB V i.d.F. des Regierungsentwurfs; BT-Drucks 12/5262, S. 113 zu § 35 SGB XI i.d.F. des Regierungsentwurfs). Sie sollen die durch die Einschaltung einer Ersatzpflegeperson, eines ambulanten Pflegedienstes oder durch einen vorübergehenden Aufenthalt in einem Pflegeheim (Kurzzeitpflege nach § 42 SGB XI) entstehenden zusätzlichen Aufwendungen ausgleichen und so in erster Linie verhindern, daß der Pflegebedürftige wegen kurzfristiger Verhinderungen seiner Pflegeperson auf Dauer stationäre Pflege in Anspruch nehmen muß.

Die Revision macht zwar zutreffend geltend, der Anspruch auf Verhinderungspflege nach § 56 SGB V a.F. könne mit einem Anspruch auf Pflegesachleistungen nach § 55 Abs. 1 SGB V a.F. zusammentreffen. Bei Verhinderung der Pflegeperson werde die häusliche Pflegehilfe „über den Rahmen des § 55 hinaus” gewährt. Dies läßt jedoch nicht, wie die Revision annimmt, den Schluß zu, daß die Verhinderungspflege auch zusätzlich zum Pflegegeld zu leisten sei, weil es sich beim Pflegegeld nur um ein Surrogat der Pflegesachleistung handele, das bei entsprechendem Wunsch des Pflegebedürftigen an dessen Stelle trete. Dieser Schluß wäre womöglich gerechtfertigt, wenn die KK als Sachleistung im Rahmen der häuslichen Pflegehilfe auch die durch den Ausfall einer professionellen Pflegekraft anfallenden zusätzlichen Kosten zu tragen und daneben Verhinderungspflege nach § 56 SGB V zu leisten hätte. Dies ist indes nicht der Fall. Beim Ausfall einer professionellen Pflegekraft, deren Dienste der Pflegebedürftige als Pflegesachleistung nach § 55 SGB V a.F. in Anspruch nimmt, liegen die Voraussetzungen der Verhinderungspflege nicht vor. In diesem Fall muß entweder die Pflegeeinrichtung eine Ersatzpflegekraft stellen, oder die KK (seit dem 1. April 1995: die Pflegekasse) muß – ohne Aufwendung zusätzlicher Kosten – eine andere Pflegeeinrichtung mit der Erbringung der Pflegesachleistung beauftragen. Zu einer Kumulierung von Pflegesachleistung und Verhinderungspflege kann es deshalb nur bei Verhinderung einer Pflegeperson kommen, die den Pflegebedürftigen neben der Pflege durch professionelle Pflegekräfte (Pflegesachleistung) ehrenamtlich gepflegt hat. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob wegen der ehrenamtlichen Pflege Pflegegeld gewährt wurde oder ob dies wegen der Ausschöpfung der Höchstgrenzen bei der Pflegesachleistung nicht der Fall war.

Die in § 56 SGB V a.F. (wie auch in § 39 SGB XI) vorgesehene Möglichkeit einer Kumulierung von Pflegesachleistung und Verhinderungspflege findet ihren Grund allein in dem begrenzten Umfang der Leistungen bei Schwerpflegebedürftigkeit nach den §§ 53ff. SGB V a.F. (wie auch den Leistungen der Pflegeversicherung nach dem vierten Kapitel des SGB XI). Nach § 55 Satz 1 SGB V soll die häusliche Pflegehilfe die Pflege und Versorgung schwerpflegebedürftiger Versicherter in ihrem Haushalt oder dem ihrer Familie lediglich ergänzen. Nach § 55 Satz 4 SGB V dürfen die Aufwendungen der KK für Pflegesachleistungen unabhängig vom Umfang des Pflegebedarfs im Einzelfall 750, 00 DM monatlich nicht überschreiten. Das Gesetz geht damit davon aus, daß ein neben dem Bezug von Pflegesachleistungen bestehender weitergehender Bedarf an Pflegeleistungen in erster Linie von Familienangehörigen oder anderen ehrenamtlich tätigen Pflegepersonen abgedeckt wird. Beim Ausfall dieser Pflegepersonen steht dem Pflegebedürftigen in gleicher Weise wie in den Fällen, in denen er die häusliche Pflege ausschließlich durch ehrenamtlich tätige Pflegepersonen sicherstellt, ein Anspruch auf die zusätzlichen Leistungen nach § 56 SGB V zu. Maßgebend ist nach der Vorstellung des Gesetzgebers, daß die Notwendigkeit der Beschaffung einer Ersatzpflege für den von der Pflegesachleistung nicht abgedeckten Bereich bei typisierender Betrachtung in gleicher Weise zusätzliche Kosten verursacht.

Diese der Kumulierung von Pflegesachleistung und Verhinderungspflege zugrundeliegende Intention des Gesetzgebers schließt eine Kumulierung von Pflegesachleistung und Pflegegeld aus. Das Pflegegeld ist nicht als Entgelt der Pflegeperson konzipiert, das – etwa zur Aufrechterhaltung der Pflegebereitschaft – auch während eines Erholungsurlaubs der Pflegeperson oder während einer krankheitsbedingten Unterbrechung ihrer Pflegefähigkeit weitergezahlt werden soll. Empfänger des Pflegegeldes ist allein der Pflegebedürftige, nicht die Pflegeperson. Der Senat hat im Urteil vom 25. Oktober 1994 (a.a.O.) bereits darauf hingewiesen, daß das Gesetz über die Verwendung des Pflegegeldes durch den Pflegebedürftigen keine Bestimmung trifft. Der Pflegebedürftige braucht über die Verwendung des Pflegegeldes keinen Nachweis zu führen. Er kann den Geldbetrag vielmehr nach seinem Gutdünken zur Erleichterung der Pflege einsetzen. Hierfür muß er jedoch die Sicherstellung einer geeigneten und ausreichenden Pflege gewährleisten. An dieser Voraussetzung fehlt es in der Zeit, in der der Pflegebedürftige zusätzliche Leistungen wegen Verhinderung seiner Pflegeperson in Anspruch nimmt.

Der gleichzeitige Bezug von Pflegegeld nach § 57 Abs. 1 SGB V und Verhinderungspflege nach § 56 SGB V dürfte, wie das LSG annimmt, auch deshalb ausgeschlossen sein, weil § 56 Satz 1 SGB V die Verhinderungspflege als Form der „häuslichen Pflegehilfe” kennzeichnet und das Pflegegeld nach § 57 Abs. 1 SGB V nur „anstelle” der häuslichen Pflegehilfe zu leisten ist. Das Gewicht dieser aus dem Wortlaut des § 56 Satz 1 SGB V abgeleiteten Folgerung wird allerdings dadurch gemindert, daß die Verhinderungspflege, anders als die häusliche Pflegehilfe nach § 55 Abs. 1 SGB V, nicht notwendig als Sachleistung der KK zu gewähren ist. Auch der Kläger hat die Verhinderungspflege in Form der Kostenerstattung für eine von ihm selbst beschaffte Pflegeperson in Anspruch genommen, obgleich der Wortlaut des § 56 Satz 1 SGB V dafür spricht, daß der Gesetzgeber die Verhinderungspflege als Aufstockung der Pflegesachleistung nach § 55 Abs. 1 SGB V verstanden wissen wollte. Dem steht entgegen, daß die Verhinderungspflege nach § 39 SGB XI eher den Charakter einer Kostenerstattung hat (vgl. BT-Drucks 12/5262, S. 113) und mit dieser Regelung die zuvor in § 56 SGB V enthaltene Leistungsart fortgesetzt werden sollte. Der Unterschied zum Pflegegeld nach § 37 SGB XI besteht allein darin, daß der Pflegebedürftige die Geldleistung nur auf Nachweis der durch die Beschaffung der Ersatzpflege tatsächlich entstandenen Kosten und nicht „zur freien Verfügung” erhält.

Ist aber auch die Verhinderungspflege eine Geldleistung für eine vom Pflegebedürftigen selbst beschaffte (Ersatz-) Pflegeperson, so läßt sich ein Ausschluß des gleichzeitigen Bezugs von Pflegegeld nicht darauf stützen, daß die Gewährung von Pflegesachleistung (nach § 55 Abs. 1 SGB V) und einer sie ersetzenden Geldleistung nur alternativ in Betracht kommt. Die Verwendung des Begriffs „häusliche Pflegehilfe” in § 56 SGB V hilft insoweit allein nicht weiter, denn auch das Pflegegeld nach § 57 Abs. 1 SGB V a.F. stellt, wie nunmehr der Aufbau des SGB XI verdeutlicht (vgl. dort die Überschrift zum ersten Titel des dritten Abschnitts im vierten Kapitel), eine Leistung der häuslichen Pflege dar.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Breith. 1996, 791

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