Verfahrensgang

Hessisches LSG (Urteil vom 07.04.1993)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 7. April 1993 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die Klägerin begehrt von der beklagten Bundesanstalt für Arbeit (BA) Kurzarbeitergeld (Kug) und Zuschüsse zu den Beiträgen zur Kranken- und Rentenversicherung nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG) für die Zeit vom 1. bis 30. Juni 1984.

Die Klägerin, ein Bauunternehmen, beantragte im Juli 1984 Kug für den Monat Juni 1984 für ihre Hochbauabteilung, in der sie 50 Arbeitnehmer beschäftigte. Das Arbeitsamt (ArbA) lehnte den Antrag ab, da im Abrechnungsmonat nicht bei mindestens einem Drittel der tatsächlich beschäftigten Arbeitnehmer mehr als 10 vH der regelmäßigen betriebsüblichen Arbeitszeit ausgefallen sei. Es hätten nur 7 Arbeitnehmer kurzgearbeitet, nur 6 von ihnen hätten einen Arbeitsausfall von mehr als 10 vH gehabt. Auch wenn weitere 7 erkrankte, beurlaubte und ausgeschiedene Arbeitnehmer mitgezählt würden, würde das notwendige Drittel (17 Arbeitnehmer) nicht erreicht. Die Arbeitnehmer, die am 1. und 22. Juni 1984 Urlaub genommen hätten, könnten nicht berücksichtigt werden; ein Ausfall an diesen Tagen sei niedriger als 10 vH der 168 Soll-Stunden gewesen (Bescheid vom 3. September 1984, Widerspruchsbescheid vom 31. Juli 1985).

Mit ihrer Klage hat die Klägerin geltend gemacht, auch die 26 Arbeitnehmer, die am 1. und 22. Juni 1984 Urlaub genommen hatten, seien zu berücksichtigen, da die Wochenfeiertage vom 11. Juni (Pfingstmontag) und 21. Juni (Fronleichnam) bei der Berechnung der Soll-Stunden nicht mitgezählt werden dürften. Es sei daher von einer Soll-Stundenzahl von 152 auszugehen.

Das Sozialgericht (SG) hat der Klage stattgegeben (Urteil vom 25. August 1987). Auf die vom SG zugelassene Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) – nach Zurückverweisung der Rechtssache durch das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 12. Dezember 1990 (11 RAr 21/90) – die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, die Wochenfeiertage seien bei der Berechnung der Arbeitszeit gemäß § 64 Abs 1 Nr 3 AFG einzubeziehen. Die durch den gesetzlichen Feiertag ausfallenden Arbeitsstunden seien Zeiten, für die der Arbeitgeber den Arbeitnehmern nach § 1 Abs 1 Satz 1 Feiertags-Lohnzahlungsgesetz Arbeitsentgelt zu zahlen habe. Die vom SG vorgenommene Gleichstellung der Wochenfeiertage mit dem Sonntag überzeuge nicht, da der Sonntag grundsätzlich arbeitsfrei sei, während die Regelung der Feiertagslohnzahlung gerade auf die Besonderheit der Wochenfeiertage abstelle.

Mit der – zugelassenen – Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 64 Abs 1 Nr 3 AFG. Die Einbeziehung der beiden Wochenfeiertage bei der Berechnung der Arbeitszeit sei unrichtig. Die Feiertagslohnzahlung könne dem Arbeitsentgelt nicht gleichgestellt werden. Denn das Arbeitsentgelt werde für tatsächliche Arbeitsleistung gezahlt. Bei der Feiertagslohnzahlung handele es sich aber um eine Kompensationsleistung des Arbeitgebers für ausgefallene Arbeitszeit. Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Feiertagslohnzahlung ergebe sich direkt aus § 1 Feiertags-Lohnzahlungsgesetz. Die Rechtsauffassung des LSG stehe auch im Widerspruch zur allgemeinen Definition der Arbeitszeit. Diese werde definiert als Zeitspanne, in der der Arbeitnehmer verpflichtet sei, dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Diese Verpflichtung bestehe an den Feiertagen für die Arbeitnehmer gerade nicht. Feiertage dürften demnach nicht als Arbeitszeit iS des § 64 Abs 1 Nr 3 AFG berücksichtigt werden, wenn sie keine regelmäßige betriebsübliche Arbeitszeit iS des § 69 AFG seien, auf den § 64 Abs 1 Nr 3 AFG ausdrücklich verweise.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts vom 7. April 1993 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 25. August 1987 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid der BA vom 3. September 1984 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Juli 1985 ist, wie das LSG zutreffend erkannt hat, rechtmäßig. Ihren Arbeitnehmern, deren Ansprüche die Klägerin als Prozeßstandschafterin geltend macht, steht das begehrte Kug und ihr selbst stehen die Beitragszuschüsse zur Kranken- und Rentenversicherung für den Monat Juni 1984 nicht zu.

Nach § 64 Abs 1 Nr 3 AFG idF des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 vom 22. Dezember 1983 (BGBl I 1532, 1555), in Kraft ab 1. Januar 1984, setzt die Gewährung von Kug voraus, daß in einem zusammenhängenden Zeitraum von mindestens vier Wochen für mindestens ein Drittel der in dem Betrieb tatsächlich beschäftigten Arbeitnehmer jeweils mehr als 10 vH der Arbeitszeit (§ 69 AFG) ausfällt.

Der Arbeitsausfall muß hiernach in einem zusammenhängenden Zeitraum von mindestens vier Wochen mindestens ein Drittel der Arbeitskräfte betreffen. Der Ausfallzeitraum beginnt mit dem Tag des ersten Arbeitsausfalls, wie er in der Anzeige nach § 64 Abs 1 Nr 4 AFG bezeichnet ist. Das Ausmaß des Überschreitens der Mindestdauer von vier Wochen bestimmt der Antragsteller zusammen mit der Festlegung des Abrechnungszeitraums nach § 72 Abs 2 Satz 2 AFG. Der Arbeitgeber hat es in der Hand, für welche Zeit er den Antrag auf Kug stellen will (so ausdrücklich BSG SozR 4100 § 72 Nr 9, Seite 15). Maßgebend ist also – wie auch vom LSG zutreffend ausgeführt worden ist – der von der Klägerin in ihrem Antrag gewählte Zeitraum Juni 1984.

In diesem Kurzarbeitszeitraum waren im Betrieb die Voraussetzungen des § 64 Abs 1 Nr 3 AFG nicht erfüllt, weil nicht für mindestens ein Drittel der in der Betriebsabteilung tatsächlich beschäftigten Arbeitnehmer jeweils mehr als 10 vH der Arbeitszeit ausgefallen ist.

Die Zahl der tatsächlich beschäftigten Arbeitnehmer in der Betriebsabteilung der Klägerin hat das LSG mit 50 festgestellt. Diese Feststellung ist, da sie von den Beteiligten nicht angegriffen worden ist, nach § 163 Sozialgerichtsgesetz (SGG) für das Revisionsgericht bindend. Ausgehend von der erforderlichen Mindestquote von einem Drittel muß also für 17 Arbeitnehmer im Ausfallzeitraum jeweils mehr als 10 vH der Arbeitszeit iS des § 69 AFG ausgefallen sein. Die Ausfallstunden und ihr Verhältnis zur Arbeitszeit sind individuell zu ermitteln. Dies hat der 7. Senat des BSG bereits in einer Entscheidung vom 17. Februar 1981 (BSG SozR 4100 § 64 Nr 5), die die frühere Fassung des § 64 Abs 1 Nr 3 AFG betraf, entschieden. Mit der Einfügung des Wortes „jeweils” in § 64 Abs 1 Nr 3 AFG durch das Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz vom 22. Dezember 1981 (BGBl I 1497) hat der Gesetzgeber – unter Bezugnahme auf diese Rechtsprechung – klargestellt, daß die Ausfallstunden und ihr Verhältnis zur Arbeitszeit individuell für jeden betroffenen Arbeitnehmer zu prüfen sind (vgl Regierungs-Entwurf, BT-Drucks 9/846, Seite 41).

Nach § 69 AFG, auf den § 64 Abs 1 Nr 3 AFG wegen des Begriffs der Arbeitszeit verweist, ist Arbeitszeit die regelmäßige betriebsübliche wöchentliche Arbeitszeit, soweit sie die tarifliche wöchentliche oder, wenn eine solche nicht besteht, die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit gleicher oder ähnlicher Betriebe nicht überschreitet. Maßstab ist die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit, die betriebsüblich zu leisten ist, allerdings nur, soweit diese regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit tariflich ist (vgl BSG SozR 3-4100 § 65 Nr 2 mwN). Nach den Feststellungen des LSG betrug die regelmäßige betriebsübliche wöchentliche Arbeitszeit im Betrieb der Klägerin 40 Stunden bei einer Fünf-Tage-Woche und lag nicht über der tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit. Für den Monat Juni 1984 mit 30 Tagen errechnet sich damit nach Abzug der in diesen Monat fallenden fünf Sonnabende und vier Sonntage eine „Soll-Arbeitszeit” von 21 Tagen (30 – 9) zu je 8 Stunden, insgesamt also 168 Stunden. Dieses Ergebnis deckt sich mit der von der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden zugrunde gelegten Soll-Stundenzahl.

Der Umstand, daß in den Ausfallzeitraum die beiden Wochenfeiertage vom 11. und 21. Juni 1984 fallen, hat die regelmäßige betriebsübliche wöchentliche Arbeitszeit nicht verändert. Insoweit kann auch nicht – wie die Klägerin meint – eine Parallele zur Behandlung der Sonntage gezogen werden. Denn letztere sind bei der Berechnung der Arbeitszeit deshalb nicht zu berücksichtigen, weil diese Tage im Betrieb der Klägerin arbeitsfrei waren und damit nicht zur regelmäßigen betriebsüblichen wöchentlichen Arbeitszeit gehören. Im Unterschied dazu wäre an den beiden Wochenfeiertagen an sich im Betrieb der Klägerin gearbeitet worden, gäbe es die gesetzliche Regelung nicht. Pfingstmontag (11. Juni 1984) und der Fronleichnamstag (21. Juni 1984) sind im Land Hessen gesetzliche Feiertage (§ 1 Abs 2 Nrn 6 und 7 des Hessischen Feiertagsgesetzes idF vom 29. Dezember 1971, GVBl I 744, geändert durch das Gesetz vom 15. Mai 1974, GVBl I 241). Für die Arbeitszeit, die infolge eines gesetzlichen Feiertages ausfällt, hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmern den Arbeitsverdienst zu zahlen, den sie ohne den Ausfall gehabt hätten (§ 1 Abs 1 des Gesetzes zur Regelung der Lohnzahlung an Feiertagen vom 2. August 1951, BGBl I 479, geändert durch Gesetz vom 18. Dezember 1975, BGBl I 3091 – Feiertags-Lohnzahlungsgesetz). Der Arbeitgeber ist danach verpflichtet, den Arbeitnehmer so zu stellen, wie dieser gestanden hätte, wenn die Arbeit nicht infolge des Feiertages ausgefallen wäre (BAG Urteil vom 11. Mai 1993 – 1 AZR 649/92 – NJW 1993, 2829). Für gesetzliche Feiertage kann jedoch nach § 65 Abs 3 AFG Kug grundsätzlich nicht gewährt werden. Denn nach dieser Vorschrift besteht ein Anspruch auf Kug nicht für Arbeitsausfälle an gesetzlichen Feiertagen, wenn nicht an diesen Tagen ohne den Arbeitsausfall wegen kontinuierlicher Arbeitsweise gearbeitet worden wäre, und auch nicht für Zeiten, für die ein Anspruch auf Arbeitsentgelt besteht. § 65 Abs 3 AFG macht deutlich, daß die Lohnzahlungspflicht für gesetzliche Feiertage nicht anders zu behandeln ist, als sonstige Zeiten, für die ein Anspruch auf Arbeitsentgelt besteht. Sind also die durch den gesetzlichen Feiertag ausfallenden Arbeitsstunden als Entgeltstunden zu Lasten des Kug-Anspruchs gemäß § 65 Abs 3 AFG zu berücksichtigen, müssen andererseits die infolge des Feiertags ausfallenden Arbeitsstunden, soweit sie nach der regelmäßigen betriebsüblichen Verteilung der regelmäßigen betriebsüblichen wöchentlichen Arbeitszeit am Feiertag angefallen wären, die Arbeitszeit im Kurzarbeitszeitraum iS des § 69 AFG erhöhen.

Es gelten hier dieselben Überlegungen, die der 7. Senat des BSG in der – bereits vom LSG zitierten – nicht veröffentlichten Entscheidung vom 23. Oktober 1985 (7 RAr 85/84) zu einer ähnlichen Problematik beim Schlechtwettergeld entwickelt hat. In dieser Entscheidung, bei der es um die Berücksichtigung des bayerischen Wochenfeiertages Heilige Drei Könige bei der maßgeblichen Arbeitszeit iS des § 85 Abs 3 AFG ging, ist ausgeführt worden, daß die durch den gesetzlichen Feiertag ausfallenden Arbeitsstunden die Arbeitszeit im Abrechnungszeitraum des § 69 AFG, auf den § 85 Abs 3 AFG ebenfalls verweist, erhöhen.

Für das Ergebnis der Einbeziehung der beiden Wochenfeiertage bei der Berechnung der Arbeitszeit spricht auch der Zweck des § 64 Abs 1 Nr 3 AFG, Kug nur zu gewähren, wenn eine Mindestzahl aller Arbeitsverhältnisse eines Betriebes bzw einer Betriebsabteilung wegen des Arbeitsausfalls gefährdet ist. Wie der 7. Senat des BSG in der oben zitierten Entscheidung vom 17. Februar 1981 (BSG SozR 4100 § 64 Nr 5) anhand der Rechtsentwicklung dieser Vorschrift dargelegt hat, stellt das Gesetz mit der Festlegung einer bestimmten betrieblichen Ausfallquote auf den Anteil der durch den Arbeitsausfall qualifiziert betroffenen Arbeitnehmer ab. Zu dem erforderlichen Drittel dürfen also nur solche Arbeitnehmer gezählt werden, die persönlich einen Ausfall von mehr als 10 vH ihrer üblichen Arbeitszeit hatten. Da der Arbeitgeber bei gesetzlichen Feiertagen zur Lohnfortzahlung an die Arbeitnehmer verpflichtet ist, liegt insofern auch kein Arbeitsausfall vor, der einen spürbaren, uU das Arbeitsverhältnis gefährdenden Einkommensverlust mit sich bringt.

Die am 1. und 22. Juni 1984 beurlaubten Arbeitnehmer der Klägerin sind sonach in die Berechnung des gemäß § 64 Abs 1 Nr 3 AFG erforderlichen Drittels nicht mit einzubeziehen, denn ausgehend von der für den Abrechnungszeitraum Juni 1984 maßgeblichen Arbeitszeit von 168 Stunden sind bei ihnen nicht mehr als 10 vH dieser Arbeitszeit, sondern allenfalls 16 Stunden ausgefallen. Im Hinblick auf dieses Ergebnis erübrigen sich weitere Ausführungen dazu, ob eine Einbeziehung der 26 Urlauber vom 1. und 22. Juni 1984 nicht außerdem auch daran scheitern könnte, daß § 65 Abs 3 AFG für Zeiten des Urlaubs einen Kug-Anspruch ausdrücklich ausschließt.

Die Revision der Klägerin war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1064869

BB 1994, 1571

Breith. 1994, 491

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